Nachhaltiges Wirtschaften und Sustainable Finance

Nachhaltigkeit muss in der Wirtschaft zum globalen Standard werden, anders sind die Pariser Klimaziele und die nachhaltigen Entwicklungsziele der UN nicht zu schaffen. Aber wie können globalisierte Unternehmen mit weltweiten Lieferketten soziale und ökologische Verantwortung übernehmen? Wie bringt eine nachhaltige Finanzwirtschaft die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft voran?

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Die Transformation von Wirtschaft und Finanzmärkten

Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg widersprechen sich nicht, ganz im Gegenteil: Die Umsteuerung von Wirtschaft und Finanzmärkten bedeutet Zukunftsfähigkeit. Denn die Welt steht vor großen ökologischen und sozialen Herausforderungen. Ohne eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Wirtschaftsweise können wir gemeinsame Ziele wie die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) oder die EU-Klimaziele im Rahmen des europäischen Green Deals nicht erreichen.

Um den verantwortungsvollen Umgang der Wirtschaft mit natürlichen Ressourcen zu verbessern, Menschenrechte in komplexen Liefernetzwerken zu schützen und innovative Lösungen voranzutreiben, bedarf es einer umfassenden Transformation der Wirtschaft und des Finanzsektors. Für eine erfolgreiche Transformation muss Nachhaltigkeit im Kerngeschäft aller Unternehmen verankert werden. Dabei ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung eine Aufgabe, die nur gemeinsam durch die Zivilgesellschaft, die Politik, die Wissenschaft und die Wirtschaft erreicht werden kann. Zur Umsetzung vereinbarter Ziele bedarf es eines aufeinander abgestimmten Mix aus rechtlichen Vorgaben und freiwilligem Engagement. Das SDG 17 – „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“ – ist in diesem Sinne besonders relevant. Der RNE bringt daher vielfältige Akteur*innen aus unterschiedlichsten Bereichen auf regionaler, nationaler, europäischer und auf internationaler Ebene miteinander ins Gespräch, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und Wege zur Umsetzung zu finden.

Rolle des Finanzsektors

Eine Schlüsselrolle in der Umsteuerung hin zu mehr Nachhaltigkeit kommt den Finanzmärkten zu. So heißt es in Artikel 2 des Pariser Klimaabkommens, dass die Finanzmittelflüsse „mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung“ in Einklang gebracht werden müssen. Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) schätzt, dass jährlich 5 bis 7 Billionen US-Dollar in die nachhaltige Entwicklung fließen müssen, um die SDGs umsetzen zu können. Das erfordert eine Neuausrichtung von öffentlichen und privaten Investitionen sowie eine neue, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Finanzkultur. Ein wichtiger Schritt hierzu ist die Transparenz über die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen: Damit nachhaltige Wirtschaftsakteur*innen Zugang zu wichtigen Finanzströmen bekommen, müssen entsprechende Nachhaltigkeitsinformationen offen und vergleichbar für Anleger*innen einsehbar sein. So können Investitionen gezielt in ökologisch und sozial nachhaltige Aktivitäten statt in fossile Energien oder menschenrechtsverletzende Arbeitsverhältnisse gelenkt werden.

Sustainable Finance auf der europäischen und deutschen Agenda

Mit dem 2018 verabschiedeten und 2021 erweiterten „Aktionsplan Sustainable Finance“ hat die EU eine Strategie vorgelegt, mit der nachhaltige Investitionen innerhalb Europas gestärkt werden sollen. So wurde unter anderem die EU-Taxonomie beschlossen, die als Klassifikationssystem definiert, was konkret unter einer „nachhaltigen Investition“ zu verstehen ist. Außerdem sollen Unternehmen zukünftig verstärkt über Nachhaltigkeitsaspekte berichten müssen, damit Investor*innen diese wichtigen Informationen in ihre Investitionsentscheidungen einfließen lassen können. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu verbessern, um die Nachhaltigkeitsziele der EU, insbesondere die Klima- und Emissionsreduktionsziele für 2030 und 2050, zu erreichen.

In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird Sustainable Finance als entscheidender Hebel für die Transformation im Sinne der Agenda 2030 angesehen. Der RNE hat von 2017 bis 2019 den Hub for Sustainable Finance (H4SF) als offenen Stakeholderdialog organisiert – seit der Einberufung des Sustainable Finance-Beirates 2019 als institutionalisierten Stakeholderdialog begleitet der RNE die Arbeiten als Beobachter. Im Abschlussbericht des ersten Sustainable-Finance-Beirates „Shifting the Trillions – Ein nachhaltiges Finanzsystem für die große Transformation“ aus dem Jahr 2021 halten die Expert*innen fest, dass es „neben Leuchtturmprojekten umfassender Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen (…) und verlässlicher Leitplanken bedarf“, um Nachhaltigkeitskriterien im Finanzsystem systematisch zu verankern. Die 31 Handlungsempfehlungen für ein nachhaltiges Finanzsystem, die aus dem Bericht hervorgehen, greift die Bundesregierung in der Deutschen Sustainable Finance-Strategie von Mai 2021 teilweise auf. Ziel der Strategie ist es, Deutschland zu einem führenden Standort für Sustainable Finance weiterzuentwickeln. Mit verschiedenen Stellungnahmen, etwa zur Entwicklung einer deutschen Strategie oder zum Zwischenbericht des Sustainable Finance-Beirates, hat sich der RNE verstärkt in die öffentliche Debatte eingebracht. Der Sustainable Finance-Beirat der 20. Legislaturperiode mit seiner Vorständin Silke Stremlau wurde im Juni 2022 einberufen. Der RNE begleitet die Arbeit des Beirates erneut in der Rolle als Beobachter.

Transparenz durch Nachhaltigkeitsberichterstattung

Seit dem Geschäftsjahr 2017 müssen große Unternehmen in der EU verpflichtend berichten, wie sich ihre Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft auswirkt. In Deutschland wurde diese EU-Richtlinie im Rahmen des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes (CSR-RUG) umgesetzt, nach dem rund 550 Unternehmen in Deutschland berichtspflichtig sind. Ungefähr ein Drittel dieser Unternehmen nutzen die anwenderfreundliche, prozessorientierte Form des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK), um ihre Nachhaltigkeitsperformance gegenüber den Stakeholdern offen zu legen. Doch der DNK ist mehr als ein Berichtsstandard: Zusätzlich stellt der DNK ein hilfreiches Management-Tool dar, mit dem viele der aktuell mehr als 850 Anwenderunternehmen die eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten strukturieren und Ziele für kommende Jahre entwickeln können. Insbesondere von vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) wird der DNK genutzt, um die eigene Anschlussfähigkeit an steigende gesetzliche Anforderungen zu gewährleisten. Zudem eignet sich der DNK auch als Bewertungsgrundlage im Portfoliomanagement, bei Unternehmensanleihen und in der Kreditvergabe, denn: Alle finalisierten DNK-Erklärungen werden in der frei zugänglichen DNK-Datenbank hochgeladen, in der interessierte Stakeholder mithilfe verschiedener Filteroptionen unkompliziert Informationen über die Nachhaltigkeitsleistung verschiedener Unternehmen einsehen und vergleichen können. Der DNK und seine Datenbank tragen somit dazu bei, den Wettbewerb um nachhaltiges Wirtschaften anzuregen und den öffentlichen Dialog um reale Unternehmenspraxis zu unterstützen.

Um die Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsaspekten kohärenter und effektiver zu gestalten, wird auf EU-Ebene seit 2021 die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erarbeitet. Die CSRD stellt den Nachfolger der sogenannten Non-Financial Reporting Directive (NFRD) dar, auf der auch das deutsche CSR-RUG basiert. Die neue Richtlinie mit ihren EU-weit einheitlichen Standards, an deren Erarbeitung RNE-Mitglied Professor Alexander Bassen mitgewirkt hat, sieht eine deutliche Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung innerhalb der EU vor: So sind die geforderten Berichtsanforderungen wesentlich detaillierter und umfangreicher als die der NFRD. Außerdem wird der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen stark ausgeweitet – statt ca. 12.000 Unternehmen müssen zukünftig ca. 50.000 Unternehmen innerhalb der EU zu Nachhaltigkeitsaspekten berichten. Die CSRD knüpft dabei an andere internationale Berichtsstandards an, sorgt somit für mehr Einheitlichkeit in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und stellt einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur nachhaltigen Transformation der europäischen Wirtschaft dar.

Verantwortungsvolle Lieferketten

Neben ökologischen Aspekten beinhaltet nachhaltiges Wirtschaften auch soziale Verantwortung. Insbesondere im Kontext der Globalisierung von Wertschöpfungsprozessen und Liefernetzwerken muss ein besonderes Augenmerk auf der Einhaltung grundlegender Umwelt- und Menschenrechtsstandards, wie dem Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, liegen. Um dem Risiko und der unternehmerischen Verantwortung in den eigenen Wertschöpfungsketten gerecht zu werden, verabschiedete der Bundestag im Juni 2021 das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Es verpflichtet Unternehmen mit mindestens 3000 Beschäftigten (ab 2024 mit mind. 1000 Beschäftigten), ab 2023 Sorgfaltspflichten in ihrer Wertschöpfungskette zu erfüllen, um negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt zu identifizieren, anzugehen und zu beheben. An einem ähnlichen Vorhaben wird seit Anfang 2022 auf EU-Ebene gearbeitet: Mit der geplanten Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sollen für große Unternehmen europaweit einheitliche Sorgfaltspflichten für Umwelt und Menschenrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette verpflichtend gemacht werden.

Zirkuläres Wirtschaften

Im Arbeitsschwerpunkt „Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft“ setzt sich der RNE auf politischer Ebene und in der Praxis für ein nachhaltiges, ressourcenschonendes Handeln ein. Mit der Stellungnahme „Zirkuläres Wirtschaften: Hebelwirkung für eine nachhaltige Transformation” fordert der RNE einen ressortübergreifenden strategischen Ansatz für zirkuläres Wirtschaften und benennt 13 konkrete Handlungsempfehlungen.

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