„Knoten im Netz“ legen Grundstein für Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit

Der erste Netzwerkgipfel des Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit in Wolfsburg hatte ein klares Ziel: die Kräfte aller bündeln, um die Transformation voranzutreiben.

„Wir Kleinen brauchen die Großen, und die Großen brauchen uns Kleine ebenfalls”, sagte eine Teilnehmerin der letzten Gesprächsrunde des Netzwerkgipfels. „Wir sind alle Multiplikatoren für Nachhaltigkeit.” Auf dem „Fishbowl”-Podium mitten im Raum saßen Henrike Schlottmann, Co-Geschäftsführerin von ProjectTogether, und Lisi Maier, RNE-Mitglied und Direktorin der Bundesstiftung Gleichstellung. Die beiden hatten das Publikum eingeladen, sich zu ihnen zu gesellen und mitzudiskutieren. Die Teilnehmerin war, neben einigen anderen, dieser Einladung gefolgt.

Ein gutes Bild für das, was das Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit erreichen soll, das am 23. Juni mit über hundert Teilnehmenden im Kunstmuseum Wolfsburg den Grundstein für seinen offiziellen Auftakt im September 2022 legte. Oder wie Lisi Maier es ausdrückte: Das Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit biete eine großartige Möglichkeit, Strukturen miteinander in Verbindung zu bringen: „Die einen haben vielleicht mehr Erfahrung in Nachhaltigkeitsfragen im klassischen Sinne – die anderen bringen Perspektiven ein, die aktuell noch unterbelichtet sind in der Nachhaltigkeitsdebatte.“

Nur noch acht Jahre bis 2030

Bis 2030 bleibt nicht mehr viel Zeit, um die 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Vereinten Nationen (UN) zu erreichen. Es bleiben nur noch acht Jahre von der durch die UN ausgerufenen „Dekade des Handelns“. Das Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit soll dazu beitragen, diese Zeit bestmöglich zu nutzen. Ziel der Initiative ist, dass alle gesellschaftlichen Gruppen und alle staatlichen Ebenen bei der Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele mitmachen. Das Gemeinschaftswerk beruht auf einem Beschluss von Bund und Ländern aus dem Jahr 2019. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) koordiniert das gemeinsame Vorhaben.

„Die Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung können nur gelingen, wenn Wirtschaft, Umwelt und Soziales zusammengedacht und alle relevanten Akteure eingebunden werden“, sagte Sarah Ryglewski, Staatsministerin beim Bundeskanzler, in ihrer Eröffnungsansprache. Der Gedanke, dass eine erfolgreiche Umsetzung der Agenda 2030 das Zusammenwirken aller staatlichen und nichtstaatlichen Akteure erfordere, liege dem Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit zu Grunde. Nachhaltigkeit sei zwar ein Trend-Thema, aber das bedeute eben nicht, dass ganz von selbst etwas geschehe. Es gibt also viel zu tun, und so verstand die Staatsministerin den Netzwerkgipfel in Wolfsburg auch als eine Art Arbeitstreffen, ein „Warmlaufen” vor dem offiziellen Start im September. So hatte auch RNE-Vorsitzender Dr. Werner Schnappauf den Netzwerkgipfel mit den Worten eröffnet: „Wir brauchen jetzt ein neues Miteinander. Und wir dürfen niemanden auf diesem Weg zurücklassen“, so Schnappauf.

Potenziale der Nachhaltigkeit

Schon die anschließende Podiumsdiskussion bildete einen Teil der vielfältigen Zielgruppen ab, die das Gemeinschaftswerk ansprechen will: Christiana Steinbrügge, Landrätin von Wolfenbüttel, Nico Briskorn, Nachhaltigkeitsmanager beim VfL Wolfsburg, Wendelin Haag aus dem Vorstand des Deutschen Bundesjugendrings und Dr. Constantin Terton vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Sie tauschten sich über ihre unterschiedlichen Perspektiven aus, arbeiteten aber auch die Chancen des Gemeinschaftswerks heraus – so wies zum Beispiel Briskorn vom VfL auf das große Potenzial hin, das die zahlreichen Sportvereine in Deutschland für die Aktivierung von Menschen für nachhaltiges Engagement bieten. Terton vom ZDH betonte, dass Nachhaltigkeit in Zeiten des Fachkräftemangels ein wichtiges Kriterium für Betriebe sei, um den Nachwuchs für sich zu gewinnen.

Gute Ideen und Best Practices gesucht

Das Gemeinschaftswerk ist eine offene Plattform mit einer Online-Initiativenkarte, die ab Herbst 2022 Nachhaltigkeitsinitiativen aus ganz Deutschland Sichtbarkeit und einen Ort zum Vernetzen bietet. Doch nicht nur im virtuellen Raum soll das Gemeinschaftswerk zum Leben erweckt werden. Auch in den kommenden Jahren können auf Netzwerktreffen die Köpfe zusammengesteckt und Allianzen geschmiedet werden. Mit Gemeinschaftszielen und Innovationswettbewerben sollen gemeinsame Taten angestoßen werden. Auch bestehende Initiativen wie der Wettbewerb Projekt Nachhaltigkeit oder die Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit werden künftig unter dem Dach des Gemeinschaftswerks zusammen- und weitergeführt.

Nicht nur reden, sondern machen, das ist das erklärte Ziel des Gemeinschaftswerks, sagte auch Jörg-Andreas Krüger, RNE-Mitglied und Präsident Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU). Deswegen teilten sich die Teilnehmenden am Nachmittag auch in sogenannte Open Spaces zu insgesamt neun Themen auf und sprachen über Lösungsansätze und deren konkrete Umsetzung. Ein Open Space drehte sich um den Transformationsbereich „Bauen und Wohnen”. Das Thema soll der erste Schwerpunkt des Gemeinschaftswerks im kommenden Jahr werden. Im Open Space kamen Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Perspektiven zu Wort: aus Kommunen, der Versicherungswirtschaft oder dem Quartiersmanagement. Henrike Schlottmann von ProjectTogether berichtete von den Erfahrungen, die ihr Sozialunternehmen mit offenen Innovationsprozessen wie #WirVersusVirus gesammelt hat. In der Diskussion wurde deutlich: Gute neue Ideen sind gefragt. Noch viel mehr Wert legten die Teilnehmenden allerdings darauf, dass bestehende Best Practices bekannt gemacht werden und es Möglichkeiten unter den verstreuten Akteuren gibt, sich miteinander zu verknüpfen und auszutauschen. Außerdem brauche es Strukturen, in denen diese guten Ideen relativ risikolos ausgetestet werden könnten.

Die Plattform der Plattformen?

Ein weiterer Open Space sammelte Feedback zu der Webplattform, die Bundeskanzler Olaf Scholz zum offiziellen Start des Gemeinschaftswerks bei der Jahreskonferenz des RNE am 26. September freischalten wird. Bis dahin will das Gemeinschaftswerk schon eine beträchtliche Anzahl an Menschen und Institutionen an Bord holen. Ein Ergebnis dieses Open Spaces: Vielen fehlt eine niedrigschwellige Möglichkeit, mit anderen in Kontakt zu treten, und sie klagten über den Informationsüberfluss, in dem man Gefahr laufe, den Überblick zu verlieren. Sie wünschen sich von der Webplattform eine gute Filterfunktion. Wünsche und Bedarfe können weiterhin via Online-Umfrage geäußert werden.

Seit dem 23. Juni können sich Interessierte außerdem auf der Webplattform des Gemeinschaftswerks vorregistrieren und dort eine Mitmach-Erklärung unterzeichnen. Helmut Kleebank, Vorsitzender des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung, nannte die Initiative eine „unglaubliche Chance, die vielen erfolgreichen Projekte zu vernetzen”. Denn es gebe nicht den einen Weg, der funktioniert.