EU erweitert Regeln für Umweltschutz und Menschenrechte

Ende Februar hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zu den Sorgfaltspflichten vorgelegt, die Unternehmen künftig in ihren globalen Wertschöpfungsketten zu beachten haben. Ein Überblick.

Die Europäische Kommission will Unternehmen stärker vorschreiben, wie sie ihre globalen Wertschöpfungsketten zu überwachen haben. Am 23. Februar 2022 hat die Kommission deswegen einen Vorschlag vorgelegt: Die Directive on Corporate Sustainability Due Diligence (CSDDD) soll in der EU tätige Unternehmen verpflichten, Menschenrechte und Umweltschutz stärker zu achten.

„Zusammen mit Regulierungsinitiativen wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder der EU-Taxonomie-Verordnung ist dies ein weiterer Schritt zum nachhaltigen Wirtschaften unter einheitlichen europäischen Bedingungen”, sagt Isabelle Krahe, Ko-Koordinatorin des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Das DNK-Büro bietet mit einem Factsheet einen Überblick über den Vorschlag der EU-Kommission.

Sorgfaltspflichten, Aufsichtsbehörden, Haftung

Die Richtlinie schreibt Unternehmen umfassende Sorgfaltspflichten für Umwelt und Menschenrechte vor. So sollen Firmen tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit ermitteln, berichten und in der Folge entweder abstellen oder zumindest minimieren. Und zwar nicht nur die Muttergesellschaften, sondern auch deren Tochterunternehmen. Außerdem gelten die Sorgfaltspflichten nicht nur für die direkten Lieferanten, sondern für die gesamte Wertschöpfungskette der Firmen.

Außerdem sieht die Richtlinie nationale Aufsichtsbehörden vor, die sich EU-weit miteinander koordinieren und Geldbußen sowie Befolgungsanordnungen verhängen sollen. Zudem sollen nach dem Willen der EU-Kommission geschädigte Akteurinnen und Akteure künftig Anspruch auf eine zivilrechtliche Entschädigung haben, gewährleistet durch die Mitgliedsstaaten.

Deutlich mehr Unternehmen betroffen

Laut Schätzungen sind rund 17.000 Unternehmen von der CSDDD betroffen, die sich grob in zwei Gruppen zusammenfassen lassen. Die erste Gruppe umfasst Großunternehmen ab 500 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 150 Millionen Euro – bei EU-Unternehmen der weltweite Umsatz, bei Nicht-EU-Unternehmen der Umsatz innerhalb der EU. Diese Gruppe der Großunternehmen muss darüber hinaus einen Plan dazu vorlegen, wie ihre Geschäftsstrategie mit der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gemäß dem Übereinkommen von Paris vereinbar ist.

Die zweite Gruppe, die unter die Richtlinie fällt, umfasst Unternehmen aus Risikobranchen mit hohem Schadenspotential, wie Textilindustrie, Landwirtschaft oder Rohstoffförderung. Hier müssen sich bereits Unternehmen ab 250 Beschäftigten und 40 Millionen Euro Jahresumsatz an die Regelungen halten.

Kleine und mittlere Unternehmen fallen nicht direkt unter die neuen Regelungen, können aber durch ihre Position in der Wertschöpfungskette indirekt betroffen sein. Für sie sieht die CSDDD Unterstützungsmaßnahmen vor. Der Zeitplan ist straff: Wird er wie geplant eingehalten, gelten die Vorschriften für Großunternehmen ab Ende 2026, für die Unternehmen aus Risikobranchen ab Ende 2028.

Bürokratischer Aufwand: Angst oder Ausrede?

„Der Anwendungsbereich der CSDDD umfasst einen deutlich breiteren Kreis von Unternehmen als zum Beispiel das deutsche Lieferkettengesetz”, sagt Florian Harrlandt, Ko-Koordinator des DNK. Insbesondere den Fokus auf die Risikobranchen hält er für zielführend. „Die Richtlinie ist deutlich ambitionierter als die bisher vorliegenden Regelungen, weil sie die gesamte Wertschöpfungskette umfasst”, sagen die zwei DNK-Koordinator*innen. Das sei der richtige Ansatz und gleichzeitig eine große Herausforderung für viele Unternehmen. „In vielen Firmen ist die Bereitschaft zum Umdenken und Umstellen durchaus da”, sagt Isabelle Krahe. Allerdings fühlten sich viele auch überfordert durch den bürokratischen Aufwand, den sie erwarten. „Diese Unternehmen brauchen mehr Unterstützungsangebote” – auch, damit sie ihre Furcht vor der Bürokratie nicht als Ausrede nutzen können.

Erste Unterstützung finden Unternehmen unter anderem durch Datenbanken wie das CSR Risiko-Check-Tool, das die lokale Menschenrechtssituation sowie Umwelt-, Sozial- und Governancethemen einschätzt, oder durch Rahmenwerke wie den DNK. „Wir werden die geltenden Regulierungen zu Umweltschutz und Menschenrechten in den DNK integrieren und so weiterhin die Anschlussfähigkeit des Instruments sicherstellen”, verspricht das DNK-Büro.

Voraussichtlich werden sich Rat und Parlament der EU bis zum Jahresende zum Vorschlag positionieren. Aktuell erarbeitet die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) neue EU-weite Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. „Eine maximale Kompatibilität zwischen den Anforderungen der CSDDD und den neuen Standards wäre trotz der zeitlichen Verschiebung wünschenswert”, sagt Florian Harrlandt – auch mit Blick auf den Aufwand, den Unternehmen betreiben müssen, um allen neuen Anforderungen gerecht zu werden.

Sustainability Made in Europe: Podcast-Reihe diskutiert Entwurf zur geplanten Richtlinie

Der Entwurf zur geplanten CSDDD steht im Fokus der zweiten Folge der Podcast-Serie Sustainability Made in Europe: A Policy Podcast on Finance, Reporting & Governance. Die Podcast-Reihe ist ein gemeinsames Projekt des belgischen Nachhaltigkeitsrats (FRDO-CFDD) und des deutschen Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), unter dem Dach des European Environment and Sustainable Development Advisory Councils Network (EEAC). Der Richtlinienentwurf wird im Podcast von Anna Cavazzini, u.a. Mitglied des europäischen Parlaments für die Fraktion Die Grünen/EFA, politisch eingeordnet, ergänzt durch die wissenschaftliche Perspektive von Rachel Widdis, Professorin für Wirtschaft und Menschenrechte. Die Podcast-Folge können Sie hier abrufen.