Wie es beim Recycling rund geht

Aus altem Plastik wird derzeit selten neues, weil der Ölpreis niedrig und neuer Kunststoff damit sehr günstig ist. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung gibt Empfehlungen, was sich für die Kreislaufwirtschaft tun muss.

Deutschland gilt als Erfinder der Kreislaufwirtschaft. Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer machte sie vor rund 30 Jahren zum Prinzip. Doch es läuft nicht rund. Derzeit schon gar nicht. Mit Corona hat Plastik eine Art Comeback erlebt. Haben die Restaurants geschlossen, nimmt sich so manch einer öfter Sushi oder anderes in der Plastikbox mit nach Hause. Viele kaufen zudem häufiger denn je im Internet ein, wo an Verpackungen, Kartons, Plastikhüllen und Noppenfolien nicht gespart wird. Für die Recyclingbranche, die den Plastikmüll aufbereitet, könnte das theoretisch ein gutes Geschäft sein – aber so ist es nicht.

Die Lage sei „angespannt“, sagt Bernhard Schodrowski vom Bundesverband der deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE). Die Recycler blieben immer wieder auf ihrem Plastik-Produkt sitzen, die Rezyklate landeten sehr oft statt in neuen Kunststoffprodukten als Öl-Ersatzbrennstoffe in den Öfen der Industrie. Im vergangenen Sommer standen einige Anlagen sogar still. Wie sich Stoffkreisläufe besser schließen lassen? Mit dieser Frage beschäftigt sich auch der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE).

Recycling für Windräder und Batterien

Jörg-Andreas Krüger ist Ratsmitglied und Präsident des Umweltverbandes NABU. Er sagt: „Wir brauchen neue Steuerungsinstrumente.“ Papier, Pappe, Karton werde derzeit zu mehr als 80 Prozent recycelt, Glas auch, Aluminium und Eisenmetalle zu über 90 Prozent. „Da funktioniert der Kreislauf, sonst aber nicht“, so Krüger, „die Einsatzquote für recycelte Materialen liegt insgesamt, über alle eingesetzten Rohstoffe, bei etwa 12 Prozent.“ Das Problem dränge: „Auch für Zukunftstechnologien werden enorm viele Ressourcen gebraucht.“

Das sind zum Beispiel Hochleistungskunststoffe für die Beschichtung von Windrädern oder kostbare Rohstoffe wie Lithium und Kobalt für moderne Batterien. Der Ressourcenverbrauch der Menschheit – das berechnen Umweltexpertinnen und -experten immer wieder – liegt jedoch schon heute so hoch, dass eigentlich 1,6 Erden nötig wären, um ihn nachhaltig zu decken.

Erdöl ist billig

An der Technik liegt es nicht. Das Mainzer Unternehmen Werner & Mertz mit der Öko-Marke Frosch hat für seine Reinigungsmittel Flaschen entwickelt, die zu 100 Prozent aus Recyclingkunststoff bestehen. Die kunststoffverarbeitende Firma Pöppelmann mit Sitz im niedersächsischen Lohne, die neben der Automobil-, Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie auch den Gartenbau beliefert, macht Pflanztöpfe aus Kunststoffen, die zu mindestens 80 Prozent aus dem Gelben Sack stammen.

Warum die Kreislaufwirtschaft trotzdem nicht so recht in die Gänge kommt? „Das Preisgefüge stimmt nicht“, sagt Krüger, „Recycling zahlt sich nicht aus. Das ist das größte Problem, da müssen wir ran.“ Erdöl ist zum Beispiel so billig, dass neues Plastik im Vergleich zum recycelten Plastik unschlagbar günstig ist. Das ist nicht nur ein Problem für den Ressourcenschutz, sondern auch für den Klimaschutz. Der Chef des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, rechnete unlängst vor: „Jede Tonne Kunststoff, die wir als Werkstoff recyceln, spart etwa zwei Tonnen CO2.“ Das macht einen echten Unterschied, nimmt man allen Plastikmüll zusammen.

Steuer für Neu-Plastik

Ab 2021 will die Europäische Union von ihren Mitgliedstaaten eine Abgabe von 80 Cent je Kilogramm unrecyceltem Plastikmüll verlangen. Allerdings ist noch unklar, wer diese Summe dann in Deutschland zahlt – die Hersteller oder die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Im letzteren Fall gäbe es für die Verpackungshersteller kaum einen Anreiz etwas zu ändern.

Natürlich ließe sich die Nachfrage nach aufbereitetem Müll auch steigern, indem verbindliche Quoten für den Einsatz von Recyclingmaterial vorgeschrieben würden, sagt Krüger. Er macht aber als erstes einen anderen Vorschlag: „Auf das Öl zur Herstellung von Plastik werden – anders als beim Benzin oder Diesel – keine Steuern erhoben. Anstatt die Herstellung von Plastik so zu subventionieren, sollte auf Rohbenzin für die Kunststoffproduktion auch die Mineralölsteuer erhoben werden. Das wären jedes Jahr laut Berechnungen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft rund 780 Millionen Euro – und ein Schritt, neue Rohstoffe teurer und das Recycling attraktiver zu machen.“ Der Rat für Nachhaltige Entwicklung will in diesem Jahr eine Reihe von Vorschlägen zu dem Thema zirkuläres Wirtschaften erarbeiten. Das Thema Recycling von Kunststoff ist dabei eine der größten „Baustellen“.