“Die Leute sollen Solar auch mal anfassen können”

Der virtuelle MAXX SOLAR Campus bildet Interessierte aus afrikanischen Ländern in Sachen Solartechnik aus. Die Initiative wurde jetzt als herausragendes Transformationsprojekt ausgezeichnet.

Frau Leffler, MAXX SOLAR ist ein Solarunternehmen aus Thüringen, das Virtual Reality-Fortbildungen für afrikanische Länder anbietet – das ist ein großer Sprung, wie kam es dazu?

Christine Leffler: Alles hat damit angefangen, dass unser CEO, Dieter Ortmann, 2010 nach Südafrika gereist ist und sich einerseits total in das Land verliebt hat – aber auch sehr viel Potenzial für Solar erkannt hat. Er hat daraufhin 2011 eine Firma in Südafrika gegründet und schnell gemerkt, dass die beste Technik immer nur gut ist, wenn sie von gut ausgebildeten Leuten installiert wird. Daraufhin hat er mit der DGS (Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie, Anm. d. Red.) in Südafrika eine Solarakademie gegründet. Über 3.500 Leute konnten bisher so ausgebildet werden. Viele davon haben sich in Südafrika selbstständig gemacht.

Wie kamen Sie dann auf die Idee zur Virtual Reality?

Mein Chef ist ein Visionär und hat schon vor Corona erkannt, dass der Bedarf nach Solartechnik weiter wachsen wird. Für die nötigen Fortbildungen müssen die Leute aber oft weit fliegen. Das ist nicht besonders nachhaltig. Deshalb wollte er das, was man sonst nur in der Praxis lernen kann, auch in Virtual Reality oder Augmented Reality abbilden. Und zwar so, dass auch Leute, die kein schnelles Internet oder nur alte Geräte haben, teilnehmen können.

Das klingt nach einer schwierigen Aufgabe.

Ja. Wir haben lange gesucht und mussten viel testen, weil es damals im Jahr 2020 kaum taugliche Software gab. Aber wir hatten Glück und haben Herrn Torsten Fell vom Institute for Immersive Learning gefunden, der mit uns gemeinsam den MAXX SOLAR Campus gestaltet hat.

Wie unterscheidet sich der MAXX SOLAR Campus von der Online-Akademie?

Die Online-Akademie bietet Theorie-Schulungen über Zoom, das funktioniert für die meisten Themen am besten. Was uns aber gefehlt hat, ist, dass die Leute Solar auch mal anfassen können. Dass sie mal ein Gespräch mit einem Hausbesitzer führen, an einem konkreten Projekt zusammenarbeiten und wirklich was über Kollaboration lernen. Deshalb ist der MAXX SOLAR Campus entstanden. Da haben wir alles, vom Solarpanel über Wechselrichter und den Batteriespeicher in 3D drin.

Wie sieht der Campus genau aus?

Man bewegt sich auf dem Campus als Avatar in einer 3D-Welt, ist also eine Art Spielfigur. Den Avatar kann man gestalten, wie man möchte. Da stehen zwei Häuser, eine grüne Wiese und ein Schulungs-Pavillon, wo man sich erstmal trifft und kleine Ice Breaker-Übungen macht, um sich näher kennenzulernen.

Wie in anderen Seminaren auch.

Genau, aber in 3D. Die Teilnehmenden gehen dann in ein komplett ausgestattetes Haus – da sind Lampen, ein PC, eine Küche – und dann müssen sie herausfinden, welchen Stromverbrauch der virtuelle Kunde eigentlich hat. Wir schauen, ob sie das richtig machen und laufen gemeinsam alles ab. Das Haus hat zum Beispiel einen Pool. Haben sie das berücksichtigt? Wie oft nutzen die Leute den Pool? Brauchen sie den überhaupt in der Energieabdeckung oder wollen sie nur den Kühlschrank über ihre Solaranlage abdecken? Das alles sind Fragen, die man in der Praxis stellen muss, um die passende Anlage zu planen. Da muss man mitdenken, deshalb sind diese Praxis-Schulungen am Campus effektiver, als zum Beispiel noch einen Multiple-Choice-Test zu machen.

Welche Kurse kann man bei Ihnen sonst noch belegen?

Unsere Online-Akademie besteht aktuell aus vier Kursen. Die bauen aufeinander auf. Es gibt einen Basiskurs für alle, die noch keine Ahnung von Solar haben. Der Kurs beinhaltet 16 Stunden herkömmliches E-Learning. Danach ist man bereit, die Kurse zur Anlagenplanung zu machen. Also, wie dimensioniert man eine Anlage, wie viele Paneele müssen für welchen Stromverbrauch aufs Dach und so weiter. Da gibt es zwei Kurse: Einen, wie man eine Anlage aufs Dach baut und ins Stromnetz eingespeist und einen, in dem man einen Batteriespeicher nutzt. Der zweite ist für jene Länder wichtiger, in denen es oft Stromausfälle gibt. Das ist das Intermediate Level. Und im Advanced Kurs geht es darum, richtig große Anlagen über zwei Megawatt zu planen. Davor sollte man aber ein paar Jahre im Feld gearbeitet haben, denn dafür muss man schon ziemlich viel wissen.

Welche Vorteile hat der virtuelle Campus für die Teilnehmenden?

Zum einen sparen sich die Leute viel Geld und Zeit, weil sie nicht anreisen müssen. Man kann zügig die Theorie lernen, aber auch Praxisnahes wie Kundengespräche, Softskills und das Verständnis dafür, wie eine Anlage funktioniert. So können sie schneller für Firmen im Einsatz sein oder vor Ort die finalen Tests schneller absolvieren. Oft kommen zu uns Leute, die schon etwas älter sind, Elektrotechniker, deren Firmen in Solar einsteigen wollen. Und die meisten Arbeitgeber finden es auch besser, wenn die Mitarbeiter vor Ort bleiben und nicht fünf Tage zur Ausbildung reisen müssen.

Gab es außer den technologischen Hürden weitere Herausforderungen in den Ländern?

Ja, natürlich. Das ist wie in Deutschland: wenn man mit neuen Technologien kommt, ist die Skepsis bei Institutionen erst mal groß. Die Teilnehmenden sind aber sehr offen und freuen sich, dass sie nicht immerzu auf den Bildschirm starren müssen, sondern auch mal was machen können. In Südafrika gibt es vor Ort schon sehr gute Ausbildungen. Da ist die Skepsis höher, denke ich. Während in Ländern wie Botswana, Ruanda, Gambia oder auch Namibia das Online-Training sehr von den Regierungen begrüßt wird. Da sitzt der Schock von Corona noch tief. Das hat deren Wirtschaft stark getroffen. Da wollen nun viele digital besser werden.

Gibt es noch andere Zielgruppen für die Online-Ausbildung?

Wir machen auch projektbasierte Kurse, mit denen wir Leute erreichen, die sonst keine Chance hätten, sich diese Weiterbildung zu leisten. Da waren wir schon in Gambia und demnächst sind wir in Botswana. Das sind Leute, die eine elektrotechnische Ausbildung machen und unseren Solar-Kurs dranhängen. Dann können sie theoretisch selbständige Solartechniker werden oder eine Firma suchen, die sie anstellt.

Was wünschen Sie sich für das nächste Jahr auf dem Campus?

Wünschen würde ich mir, dass der Campus noch mehr als Community genutzt wird, also, dass sich die Leute hier treffen, Bücher, Links und Gedanken miteinander teilen. Und auch wenn unsere Akademie herstellerunabhängig ist, möchten wir Hersteller einladen, ihre Produkte in 3D vorzustellen. Was ich mir noch generell wünschen würde, auch für Deutschland: Die Solarbranche ist ja eine Handwerksbranche, die Dachdecker und Elektrotechnikerinnen betrifft. Gerade über Virtual Reality und Lernen in 3D-Umgebungen können junge Menschen für das Handwerk und die Technik begeistert werden. Deshalb sollten Bildungsträger auch solche immersiven Technologien nutzen und in ihre Ausbildungen integrieren, denn Solar ist die Zukunft.

MAXX SOLAR & ENERGIE ist eines der marktführenden Solartechnik-Unternehmen mit Sitz in Thüringen. MAXX SOLAR plant und baut Photovoltaik-Anlagen vom Eigenheim bis in den hohen Megawattbereich, aber auch Ladeinfrastruktur für E-Autos und Batteriespeicher. Seit 2011 hat die Firma außerdem einen Standort in Südafrika. Die Online-Akademie für die Fort- und Ausbildung von Techniker*innen wurde 2020 gegründet, der MAXX SOLAR Campus im Jahr 2022. Er ergänzt die Online-Akademie in der praktischen Ausbildung. Christine Leffler ist Managerin der MAXX SOLAR Online-Akademie.

 

Der Wettbewerb Projekt Nachhaltigkeit

Seit fünf Jahren zeichnet Projekt Nachhaltigkeit herausragende Initiativen und Projekte des Wandels in Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Kommunen aus, die sich für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen. Vergeben wird der Nachhaltigkeitspreis von den vier RENN (Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien) in Kooperation mit Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) unter dem Dach des Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit.