Olaf Scholz: „Ohne Zielperspektive wird das nichts werden“

Bundesfinanzminister Olaf Scholz kündigt auf der RNE-Jahreskonferenz den Beirat der Bundesregierung für Sustainable Finance an, der bereits zwei Tage später zum ersten Mal tagt.

„Auf allen Feldern müssen wir dazu beitragen, eine These zu widerlegen: dass es unseren Wohlstand verschlechtern wird, wenn wir nachhaltig wirtschaften. Das stimmt nicht. Wir werden ihn verbessern.“ So energisch schloss Bundesfinanzminister Olaf Scholz seine mit Spannung erwartete Rede auf der 19. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Wenn ein wirtschaftlich erfolgreiches Hochtechnologieland wie Deutschland es schaffe, mit wenig bis gar keinen Emissionen ein wirtschaftlich erfolgreiches Hochtechnologieland zu bleiben, sei das der beste Beweis für die Möglichkeit eines nachhaltigen Wandels. In Zusammenhang mit den Herausforderungen des Klimawandels und der Energiewende arbeitete Scholz auch die Bedeutung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft – oder Sustainable Finance – heraus, eines der Schwerpunktthemen der Konferenz.

Insofern war es nur passend, dass zum ersten Mal bei einer RNE-Jahreskonferenz ein amtierender Bundesfinanzminister sprach. Auch Scholz’ Ankündigung, dass die Bundesregierung nur zwei Tage später, am 6. Juni, einen Beirat für Sustainable Finance einsetzen würde, passte zu diesem Fokus. Bereits seit Jahren treibt der RNE – unter anderem mit dem Hub for Sustainable Finance – das Thema voran. Am 4. Juli lädt der Rat erneut zu einem Roundtable zum Thema „Kompetenzaufbau Sustainable Finance im Banking, Investment- und Versicherungsgeschäft“, eine weitere Veranstaltung am 10. September widmet sich dem Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft.

Auf der Jahreskonferenz hatte Ratsvorsitzende Marlehn Thieme die Bundesregierung aufgefordert, alles zu tun, um ihre selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dies gelte selbstverständlich auch im Bereich Finanzwirtschaft, sagte sie. In seiner Rede betonte Bundesfinanzminister Scholz, dass die Industrie den Strukturwandel schaffen werde, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen würden. Schnelles und konsequentes Handeln sei daher von großer Bedeutung.

Standards und Enddaten festlegen

Scholz betonte allerdings, dass marktwirtschaftliche Instrumente allein nicht ausreichen würden: „Das halte ich für eine Illusion“, sagte der Minister und erhielt dafür Applaus vom Publikum. Man sehe das zum Beispiel an den Mitteln aus dem Klimafonds, die nur in geringem Maße abgerufen würden. Deswegen müsse die Regierung Standards, Zwischenziele und ein Enddatum festlegen, zu dem diese erreicht sein sollten: „Ohne Zielperspektive wird das nichts werden.“ Ähnlich wie die Bundeskanzlerin will der Bundesfinanzminister die EU-Ratspräsidentschaft 2020 dazu nutzen, mit seinen Amtskolleginnen und -kollegen Vorhaben zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele zu besprechen und gemeinsame Maßnahmen zu verabreden.

In der Podiumsdiskussion, die an Scholz’ Rede anschloss, wies Alexander Bassen, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung, darauf hin, dass Deutschland derzeit noch weit davon entfernt sei, beim Thema Sustainable Finance eine Führungsrolle einzunehmen. „Internationale Diskussionen finden aktuell noch weitgehend ohne deutschen Beitrag statt“, sagte er. Bassen ist auch Teil des neu konstituierten Beirats für Sustainable Finance, der die Bundesregierung bei der Ausarbeitung und Umsetzung ihrer Sustainable-Finance-Strategie beraten, bestehende Expertise bündeln und den Dialog zwischen den relevanten Akteuren fördern soll. Die Entwicklung einer Sustainable-Finance-Strategie für Deutschland geht auf die Initiative des Bundesfinanz- und des Bundesumweltministeriums zurück und soll in enger Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium erfolgen. Karsten Löffler von der Frankfurt School of Finance & Management und Geschäftsführer des Green and Sustainable Finance Clusters Germany wurde bei der ersten Sitzung zum Beiratsvorsitzenden bestimmt. Informationen zu den weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie dem Arbeitsprogramm will die Bundesregierung in Kürze veröffentlichen.

„Die Unternehmen hören uns zu“

Auf dem von Alexander Bassen und RNE-Generalsekretär Günther Bachmann moderierten Podium auf der Jahreskonferenz diskutierten Anja Mikus, Vorsitzende des Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, und Alexander Schindler, Vorstandsmitglied bei Union Investment, die Chancen nachhaltiger Finanzanlagen. Mikus, die für den ersten Staatsfonds verantwortlich ist, der von Anfang an Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt, wies darauf hin, dass diese die Rendite nicht schmälern, sondern steigern: „Zudem tragen sie dazu bei, Risiken und Schwankungen zu reduzieren.“ Schindler betonte die Verantwortung und die Einflussmöglichkeiten der Finanzwirtschaft: „Wir gehen soweit, dass wir ein Unternehmen wie Daimler dazu bringen, seine ganze Lieferkette auf Nachhaltigkeit zu überprüfen“, sagte er. „Die Unternehmen hören uns zu.“

Video- und Audiomitschnitte der 19. RNE-Jahreskonferenz inklusive der Rede von Bundesfinanzminister Olaf Scholz und dem Panel zu Sustainable Finance finden Sie hier.

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