Arbeitsgemeinschaft der nachhaltigen Rundfunkanstalten

Die ARD legt erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht vor. Er könnte Signalwirkung haben in einer Zeit, in der ökologische und soziale Aspekte in der Medienbranche langsam wichtiger werden.

Der SWR-Tatort Maleficius aus dem Jahr 2019 war ein besonderer. Nicht wegen des Drehbuchs, sondern weil er ressourcenschonend produziert worden ist: Drehbücher gab es digital, die Sets zogen nicht – wie oft üblich – viel umher, Trinkwasser wurde in Mehrwegflaschen serviert, die Anreise der Crew erfolgte mit der Bahn. Am Ende stand ein Minus von 43 Prozent CO2-Emissionen im Vergleich zu sonstigen Produktionen. Das Beispiel findet sich prominent im ersten Nachhaltigkeitsbericht, den die ARD kürzlich vorlegte, also die neun Landesrundfunkanstalten gemeinsam mit der Deutschen Welle. Es ist ein standardisierter Bericht nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) mit vorgegebenen Kriterien, die mittlerweile 633 Unternehmen hierzulande anwenden. Das ZDF hat in den Jahren 2016 und 2020 bereits jeweils eine DNK-Erklärung vorgelegt, die sich auf die Vorjahre bezogen. Alle DNK-Erklärungen sind hier öffentlich und kostenfrei einsehbar.

Der nun veröffentlichte Bericht der ARD könnte aber eine besondere Dynamik entfalten, weil er in eine Zeit fällt, in der sich die Medienbranche in Sachen Nachhaltigkeit allmählich bewegt. „Auch wenn es bereits erste Initiativen für Green Production gibt, bisher sind Filmproduktionen nicht als Vorreiter in der Nachhaltigkeitsdiskussion aufgetreten“, sagt Florian Harrlandt, wissenschaftlicher Referent in der Geschäftsstelle des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Für die ARD soll der Tatort nur ein Auftakt sein: Sie ist Mitglied im Arbeitskreis “Green Shooting”, den die baden-württembergische Filmförderanstalt 2017 gegründet hat. Darin haben sich die ARD, die Mediengruppe RTL, SKY, das ZDF und ProSiebenSat.1 selbst verpflichtet, bis 2021 mindestens 100 Filme und Fernsehproduktionen nachhaltig zu machen. 30 kommen von der ARD – weitere Tatorte sind dabei, aber auch Serien wie „Sturm der Liebe“.

Im Februar unterzeichneten Vertreterinnen und Vertretern der deutschen Film- und Fernsehbranche im Bundeskanzleramt außerdem eine Erklärung zur Nachhaltigkeit in der Film- und Serienproduktion. Sie sieht vor, ein bundesweites, freiwilliges Zertifikat für nachhaltige Produktionen einzuführen, das derzeit die Filmförderungsanstalt erarbeitet. Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein hat bereits seit 2012 einen „Grünen Drehpass“, mit dem mehr als 170 ökologische Produktionen auf freiwilliger Basis ausgezeichnet worden sind. Im April 2020 ist daraus der „Grüne Filmpass“ geworden. Wer aus dem Norden gefördert werden will, muss die Kriterien beachten – inklusive eines Checks für mehr Diversität im Film.

Filmförderungsgesetz: Referentenentwurf liegt vor

Im Januar 2021 startet das parlamentarische Verfahren zur Überarbeitung des bundesweiten Filmförderungsgesetzes (FFG). „Obwohl pandemiebedingt keine umfangreichen Änderungen am Gesetz vorgenommen werden konnten, enthält der aktuelle Referentenentwurf für das FFG im Rahmen der Produktionsförderung bereits als neue Fördervoraussetzung die Verpflichtung der Herstellerinnen und Hersteller, wirksame Maßnahmen für eine ökologisch nachhaltige Produktion zu treffen sowie eine Klimabilanz zu erstellen“, schreibt das Büro von Monika Grütters auf Anfrage, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Für den DNK ist die Erklärung der ARD vor diesem Hintergrund ein wichtiger Schritt. Auch im Hinblick auf andere Unternehmen, die in öffentlicher Hand sind: Laut des Beteiligungsberichtes des Bundes von diesem Jahr wenden nur 10 Unternehmen, an denen der Bund „nennenswert unmittelbar“ beteiligt ist, den DNK an. Damit sei man „unzufrieden“, schreibt Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Insgesamt hält der Bund unmittelbare Beteiligungen an 104 Unternehmen. „Große Medienanstalten wie die ARD haben viel Marktmacht und damit auch eine große Einflussmöglichkeit auf ihre Lieferketten“, sagt Harrlandt mit Blick auf die Filmbranche. Wenn bei der ARD und dem ZDF konsequent nachhaltig produziert würde, könnte das die gesamte Branche verändern.

Keine gemeinsame ARD-Klimabilanz

Konkret listet der Nachhaltigkeitsbericht der ARD einige Erfolge auf: In den letzten vier Jahren konnte der Verbrauch von Papier um 31 Prozent, von Heizenergie um 18 Prozent, von Kraftstoff um 16 Prozent und von Wasser um 10 Prozent gesenkt werden, heißt es. „Einen selbstkritischen und zugleich offenen Blick für Defizit und Verbesserung” fordert ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab in einem Beitrag für den Evangelischen Pressedienst. Grüne Film- und Fernsehproduktionen, weniger Ressourcenverbrauch, weniger Emissionen, Ausbau von Chancengerechtigkeit und Diversität müssten die Schwerpunkte der nächsten Jahre sein.

Im Bereich Mobilität hat der Bericht noch Lücken: So finden sich zwar Zahlen dazu, dass von 2018 und 2019 zehn Prozent mehr Bahnkilometer gefahren worden sind. Allerdings flogen die ARD-Mitarbeitenden auch rund 6,9 Millionen Kilometer im Inland, für 2018 liegen nur Zahlen von April bis Dezember vor, da waren es 5,4 Millionen Kilometer. Eine gemeinsame Bilanz klimarelevanter Emissionen gibt es nicht, da „Voraussetzungen und Strukturen der einzelnen Rundfunkanstalten äußerst unterschiedlich sind“, heißt es in dem Bericht.

In der Diversität der einzelnen Rundfunkanstalten liege jedoch auch eine Chance, sagt Harrlandt. „Jetzt geht es darum, zu schauen, wo es gute Beispiele gibt, die sich auf andere Anstalten innerhalb der ARD übertragen lassen“, sagt er. Auch ein Risikomodell sei wichtig: Also was es die Gesellschaft als Ganzes kostet, wenn Produktionen unterstützt werden, die viel CO2 emittieren oder nicht nachhaltig agieren. Das wäre ein Beitrag dazu, ein Problem zu lösen, das der Bericht selbst anspricht: Die ARD unterliegt dem Gebot der Sparsamkeit, soll aber auch gesamtgesellschaftliche Verantwortung übernehmen. „Zielkonflikte entstehen beispielsweise dann, wenn sich nachhaltige Produktionsmethoden als kostenintensiver herausstellen als die konventionellen“, so der Bericht. Die Forderung: In Bezug auf dieses Spannungsfeld, also nachhaltiges Agieren versus Kostenbewusstsein, müsse der Gesetzgeber dringend Klärung schaffen.