Wissenschaft als Triebfeder der Nachhaltigkeit

Was trägt die Wissenschaft zur Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bei – und welche Rolle spielt die Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030? Auf der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) diskutierten Vertreter aus Wissenschaft und Politik über Ideen und konkrete Wege.

In knapp zwölf Jahren sollen die UN-Nachhaltigkeitsziele, die Agenda 2030, weltweit weitgehend umgesetzt sein. Auch Deutschland will einen entscheidenden Beitrag leisten und setzt dabei auch auf die Wissenschaft. Als gemeinsame Anlaufstelle, um dieses Anliegen zu verwirklichen, hat die Bundesregierung die Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 ins Leben gerufen.

„Die Agenda 2030 kann nur mit Hilfe der Wissenschaft umgesetzt werden“, sagte Patrizia Nanz, Ko-Vorsitzende der Wissenschaftsplattform und wissenschaftliche Direktorin am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung e.V. (IASS) in Potsdam bei der RNE-Jahreskonferenz am 4. Juni. Forschung und Lehre seien wichtig für die Akzeptanz von Nachhaltigkeitskriterien und die Weiterentwicklung neuer Ansätze. Nanz äußerte sich beim Themenforum „Neue Kommunikation: Die Wissenschaftsplattform im Gespräch“.

Die Geschäftsstelle der Wissenschaftsplattform ist am IASS angesiedelt. Aufgabe der Plattform sei es, Querverbindungen zwischen den 17 Zielen der UN-Nachhaltigkeitsagenda zu ziehen, Fragen zu stellen, die weit über die Agenda 2030 hinausgehen und Orientierungswissen zu geben. Im sogenannten Lenkungskreis der Wissenschaftsplattform sind 26 Mitglieder vertreten. Dazu zählen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen und Vertreter aus Nichtregierungsorganisationen und der Wirtschaft. Die Plattform wird seitens der Bundesregierung von einem für alle Ressorts offenen Kreis begleitet, in dem zurzeit BMBF, BMUB, BMZ, BMEL sowie Bundeskanzleramt mitwirken. Derzeit gibt es vier Arbeitsschwerpunkte: Nachhaltiger Konsum, Zukunft der Arbeit, Global Commons und Mobilität.

Wissenschaftsplattform soll Fragen zur Zukunft stellen

Nanz zufolge hat die Wissenschaft die Aufgabe aufzuklären. Wie wollen wir in 20 oder 30 Jahren leben und was muss sich ändern, damit uns eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit gelingt? Über diese Themen soll mit Hilfe der Plattform debattiert und nach Options- und Handlungsmöglichkeiten gesucht werden. Ein Beispiel sei die Suche nach einem Standort für Atommüll in Deutschland. Es gehe in diesem Fall nicht nur um wirtschaftliche und ökologische Fragen, sondern auch um soziale und kulturelle Aspekte. Dasselbe gelte für den Kohleausstieg. „Wie schaffen wir es, all diese Themen zusammenzubinden? Dieser Frage müssen wir uns stellen.“

Wilfried Kraus vertrat das Bundesbildungsministerium im Themenforum. Er sieht die Bürgerinnen und Bürger als zentrale Schlüsselfiguren bei der erfolgreichen Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien. Damit dieser Prozess angestoßen werde, müsse die Wissenschaft für Glaubwürdigkeit sorgen. Ihre Aufgabe sei es, an den Hochschulen oder in Forschungseinrichtungen relevante Themen anzusprechen, so Kraus.

Wissenschaft als Konfliktlöser

Gerade bei Themen wie der Endlagersuche oder dem Kohleausstieg müsse man in der Bevölkerung für Transparenz sorgen, um Akzeptanz für die Entscheidung zu erreichen. Kraus plädiert für einen integrierten Ansatz zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen, das bedeutet auch eine stärkere Vernetzung von Politik und Wissenschaft. Über das Instrument der Wissenschaftsplattform könnten Konflikte, die die UN-Ziele mit sich brächten, gelöst werden, so Kraus. „Die Politik macht den Plan A, die Wissenschaft ist für Plan B und C da.“ Gemeint sind beispielsweise das Zusammenspiel von wirtschaftlicher Entwicklung und Nachhaltigkeit im Kampf gegen Armut und Klimaschutzziele.

Ulla Burchardt, Strategieberaterin und Mitglied im RNE, misst der Wissenschaftsplattform vor allem in einem Punkt eine große Bedeutung zu: Wo sind die Bremser? Wo gibt es Blockaden? Über die Plattform könnte sehr offen über Ziel- und Interessenskonflikte gesprochen werden, sagte Burchardt bei der RNE-Jahreskonferenz. „Nachhaltigkeit ist ein Prozess der kleinen Schritte“, ergänzte sie.

Aber man bräuchte auch eine kohärente Forschungspolitik. So hätten Wissenschaftler frühzeitig auf den Klimawandel und die Notwendigkeit einer Energiewende aufmerksam gemacht. Aber passiert sei nur wenig. Burchardt sprach sich zudem für mehr „Selbstreflexion in der Wissenschaft“ aus. Man müsse weg von alten Denkmustern, die noch immer vor allem den technologischen Fortschritt im Blick hätten.

Nachhaltigkeit ist globales Thema

Klaus Milke, Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch und Mitglied im Lenkungskreis der Wissenschaftsplattform, pflichtet Burchardt bei. „Die Agenda 2030 hat eine Grundmessage: Raus aus den Silos“, sagte Milke im Themenforum. Er fordert einen Diskurs zum Thema Nachhaltigkeit in allen Wissenschaftsdisziplinen. Und das nicht nur in Deutschland, sondern international. „Wir müssen über den Tellerrand denken und auch mit Vertretern von Entwicklungs- und Schwellenländern sprechen“, sagte Milke.

Die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Burchardt sieht letztlich die Bundesregierung in der Pflicht, beim Thema Nachhaltigkeit eine Führungsrolle zu übernehmen. „Wir müssen eine Politik machen, die auch enkeltauglich ist“, sagte das RNE-Mitglied. Ihr Appell: Die Bundesregierung muss Werbung machen für Nachhaltigkeit. Denn ohne die Bürgerinnen und Bürger würden aus Thesen keine Taten.