Transformathon liefert frische Ideen für die Bauwende

Rund 100 Teilnehmende wetteiferten beim „Transformathon“ Mitte September um die besten Lösungen für die komplexen Nachhaltigkeitsherausforderungen in den Bereichen Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Nun hat die Jury die vier Finalist*innen gekürt.

„Ganz oft ist es ja so, dass ihr da draußen tolle Ideen entwickelt, mit denen sich etwas bewegen lässt in Deutschland.“ Mit diesen Worten begrüßte Zarah Bruhn, Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung, Sozialunternehmerin und Beauftragte für Soziale Innovationen im Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Teilnehmenden des „Transformathon“ Mitte September in Berlin. Allerdings: Oft fehle die „Anschlussfähigkeit“, die vielen guten Ideen gemeinschaftlich weiterzuentwickeln, etwa im Austausch mit Ministerien oder Kommunen. Genau diese Anschlussfähigkeit wolle der Transformathon herstellen.

Konkret sah das so aus: Ein Dutzend Teams bildete sich aus den rund 100 Teilnehmenden, einerseits virtuell auf der Kollaborationsplattform Meetingland, andererseits vor Ort im Mitosis Lab in Berlin-Neukölln, um an den komplexen Herausforderungen zu arbeiten, die sich im Bereich Nachhaltiges Bauen und Wohnen stellen. Wie werden wir in Zukunft wohnen? Wie werden Gebäude kreislauffähig? Wie nutzen wir Flächen und Ressourcen nachhaltiger? Und wie werden wir dabei auch noch den vielfältigen Lebensrealitäten der Menschen gerecht? Um diese Fragen ging es beim Transformathon 2023. Der „Hackathon der Transformation“ wurde von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis in Zusammenarbeit mit dem Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik veranstaltet.

Konkrete Probleme, konkrete Lösungen

Die Teilnehmenden konnten sich eine von vier „Challenges“ aussuchen, für die jeweils eine Institution die Patenschaft übernommen hatte. Die Stadt Tübingen wünschte sich Vorschläge für die Mobilisierung des „unsichtbaren Wohnraums“ im Bestand, das Bundesbauministerium wollte für die Nationale Stadtentwicklungspolitik Ideen zur Auflösung von Flächenkonkurrenzen finden, „Lippe zirkulär“ und der Wissenschaftsladen Bonn hofften auf gute Ideen, um Angebote und Nachfrage im zirkulären Bauen zueinander zu bringen, und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hatte die Patenschaft für die 15-Minuten-Stadt übernommen. Letzteres war die sogenannte „Community Challenge“, die aus einer ganzen Reihe von eingereichten Vorschlägen ausgewählt worden war.

Nun hat die Jury vier Teams – eines pro Challenge – gekürt, die weiter im Rennen sind: Die Finalist*innen werden ab jetzt ihre Ideen weiterentwickeln, unterstützt durch das Team von Impact Hub Leipzig, das den Hackathon auch methodisch begleitete. Beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis im November in Düsseldorf entscheidet das Publikum, welche Idee mit einem Preisgeld ausgezeichnet wird. Bei der Umsetzung ihrer Lösungen werden aber alle vier Teams unterstützt. Und auch unabhängig davon hatten bereits am Ende des arbeitsreichen Wochenendes mehrere Teams bei der Präsentation der Ideen am späten Sonntagnachmittag angedeutet, dass sie ihre Pläne weiterverfolgen wollen.

Weite Spannbreite an Ideen

Je nach Herausforderung fielen die Lösungsvorschläge der Teilnehmenden des Hackathons ganz unterschiedlich aus. Beim zirkulären Bauen hatten alle Teams gleichermaßen herausgearbeitet, dass es darum geht, Angebot und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen. Um das zu erreichen, präsentierten einige Teilnehmende digitale Plattformen. Neben „CirConnect“ hat auch das ausgewählte Finalistenteam „Circumovi“ auf eine digitale Lösung gesetzt: Eine App soll KI-basiert mit Hilfe von Fotos, Videos und Baualtersklasse das Rückbaupotenzial von Bestandsgebäuden analysieren und dann Bauwillige und Rückbauende miteinander vernetzen. Teams wie „GapBridge“ suchten die Lösung hingegen eher vor Ort und schlugen vor, mit regionalen Re-Use-Manager*innen Marktplätze und Lager für zirkuläre Bauteile und Stoffe aufzubauen.

Um die Herausforderung der Flächenkonkurrenz zu lösen und Städte mit multifunktionalen Freiräumen zu gestalten, plädierte das „Pilotprojekt Partizipativer Parkplatz“ dafür, die Fläche neben dem Bundesbauministerium zu einem Reallabor umzugestalten und so eine bundesweite Vorreiterrolle einzunehmen. Das Team „Overgrowth“ plant ein Segel aus organischem Material über versiegelte Innenstadtflächen zu spannen und diese zu bepflanzen, um so öffentliche Hitzeschutzräume zu generieren und ungenutzte Flächen nutzbar zu machen. Die „Matchmaker“ wollen urbane Kompensationsmaßnahmen als Motor für die multifunktionale Nutzung öffentlicher Räume strategisch einsetzen. Damit konnte es die Jury überzeugen.

Bei der Herausforderung der 15-Minuten-Stadt kam das Team der „KochBar“ auf den Gedanken, dass in leerstehenden Gasthäusern Senior*innen in Selbstverwaltung für die Dorfgemeinschaft kochen könnten, um so ein neues soziales Miteinander zu ermöglichen. Die „Flashcrew“ setzte auf eine „My-15-Minutes“-App, die anzeigt, was in einem Radius von 15 Minuten an Nahversorgung, Gesundheitseinrichtungen, Mobilitätsinfrastruktur und Bildung erreichbar ist. Die Jury wählte das Team „Quarter“ aus, das in Bestandsimmobilien im Dialog mit der Nachbarschaft und auf Basis einer Bedarfsanalyse neue Nutzungsideen pilotieren möchte.

Um ohne Neubau mehr Wohnraum im Bestand zu schaffen, wollen Teams wie die „RaumFAIRteiler“, „Studio Sonne“ und die „Wohnmacherinnen“ bessere Beratungs- und Matchingangebote schaffen, damit Menschen Berührungsängste verlieren, ihr Eigenheim umzubauen, unterzuvermieten oder umzunutzen. Am meisten überzeugte die Jury dabei das Team „Wohnen+“, die spezifisch auf die Lebenslagen und Bedenken bei Eigentümer*innen eingehen.

Von guten Ergebnissen lernen

Die Ideen spiegelten auch die Vielfalt der Teilnehmenden wider – von Studierenden und Berufseinsteiger*innen bis hin zu erfahrenen Praktiker*innen. „Diese Diversität der Perspektiven ist so wichtig, um neue Lösungen zu bringen“, sagte Zarah Bruhn, die nur wenige Tage zuvor die Nationale Strategie für Soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen vorgestellt hatte. Hier gehe es um echte Innovation, um Ansätze, die es noch nicht in der Fläche gebe, um “Dinge, die wir nicht schon seit Jahren und Jahrzehnten gemacht haben“.

„In vielen Lebensbereichen ändert sich gerade richtig viel. Das Wort Transformation steht dafür. Etwas, an das wir uns gewöhnt haben, wird hinterfragt oder gar auf den Kopf gestellt“, hatte Klara Geywitz dem Hackathon mit auf den Weg gegeben. Die Bundesbauministerin hatte in diesem Jahr im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik die Schirmherrschaft für den Transformathon übernommen. Viel sei in Bewegung: „Mit Ideen, die Themen wie Nachhaltigkeit und Veränderung ganz anders angehen, können wir auch unsere Städte und Gemeinden dabei begleiten, Neues auszuprobieren und von guten Ergebnissen zu lernen.“

Und das war tatsächlich ganz konkret gemeint. Denn Jörg Wagner, Leiter Stadtentwicklungspolitik im Bundesbauministerium, stellte den Teilnehmenden in Aussicht, dass gute Ergebnisse die Chance hätten, in die anstehende Überarbeitung des Baugesetzbuchs aufgenommen zu werden.