SDG-Gipfel: Jetzt geht es ums Geld

Aufholen sei nötig, hieß es auf dem Nachhaltigkeitsgipfel in New York. Wie kann das gelingen? Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) rät, dringend die internationale Finanzarchitektur umzubauen.

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte auf dem Gipfel: „Lassen Sie uns an die Arbeit gehen“, Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze sagte: „Es wird höchste Zeit für eine
Aufholjagd.“ UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einem „Rettungsplan für die Menschheit und den Planeten“, den es brauche.

Als die Weltgemeinschaft am 18. und 19. September 2023 zum UN-Nachhaltigkeitsgipfel in New York zusammenkam, wollte sie eigentlich schon viel weiter sein. Reiner Hoffmann, Vorsitzender des RNE sagt dazu: „Im Grunde war die Weltgemeinschaft seit 2015 durchaus auf Kurs Richtung Agenda 2030, aber die multiplen Krisen in den vergangenen Jahren – die Pandemie, der Angriffskrieg auf die Ukraine, der fortschreitende Klimawandel oder die Biodiversitätskrise – haben dafür gesorgt, dass die SDGs in den Hintergrund gerückt sind. Das muss sich ändern, und wir müssen in vielen Bereichen umdenken und ins Handeln kommen. Das war auch beim SDG-Gipfel in New York allen Teilnehmenden klar.“

Vor acht Jahren hatten die 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sich vorgenommen bis 2030 dafür zu sorgen, dass es jeder und jedem auf der Welt besser geht. Zum Beispiel sollen alle Menschen genug zu essen, eine zuverlässige medizinische Versorgung und fundierte Bildung bekommen können, Frauen sollen überall Männern gleichberechtigt sein. Zudem möchte die Weltgemeinschaft den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzen, wie 2015 in Paris vereinbart.

Doch mit den insgesamt 17 selbst gesteckten Zielen und den darin enthaltenen 167 Unterzielen für eine nachhaltige, sprich: soziale, ökologische und wirtschaftliche Entwicklung, geht es nur schleppend voran. Die Staatengemeinschaft ist nur bei zwölf Prozent der Entwicklungsziele auf dem richtigen Weg, bei mehr als 30 Prozent der Ziele gibt es keine Veränderung oder Rückschritte. Pandemie, Kriegsgewalt, Fluten und Dürren haben Spuren hinterlassen.

Weltbank reformieren

Es läuft nicht nach Plan. Ändert sich nichts, so rechnen die Vereinten Nationen vor, würden im Jahr 2030 noch immer 575 Millionen Menschen in extremer Armut leben und mehr als 600 Millionen Menschen hungern. Das alles sei Anlass, so der Bundeskanzler in New York, „sich jetzt erst recht zu kümmern“. Bis zum Jahr 2030 bleibt nicht mehr viel Zeit.

Gefragt sind neuer Schwung, eine neue Dynamik und vor allem eins: Geld. „Zur Umsetzung der Agenda 2030 fehlen enorme finanzielle Mittel“, schreibt der Rat für Nachhaltige Entwicklung in seiner Stellungnahme Finanzierung der Transformation und nachhaltigen Entwicklung – und macht Vorschläge, was jetzt zu ändern ist.

Es geht dabei angesichts der um 15 Prozent gesunkenen Entwicklungszusammenarbeit im Bundeshausalt um staatliche Entwicklungsgelder, und viel mehr noch um eine strukturelle Reform der internationalen Finanzarchitektur, darunter die Reform der Weltbank.

Die Weltbank wurde einst im Dezember 1945 mit Hauptsitz in Washington gegründet. Damals ging es vor allem um den in der Nachkriegszeit erwarteten Bedarf an Kapital für den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Entwicklung. Später konzentrierte sich ihre Arbeit auf die Entwicklungsländer und die Bekämpfung der dortigen Armut durch die Förderung wirtschaftlicher Entwicklung. Nun soll sie sich neu orientieren. Sie solle, so empfiehlt der Rat, „Geschäftsmodelle etablieren, die sich der Reduzierung von Armut verschreiben, aber auch Auswirkungen globaler Krisen stärker in den Blick nehmen“. Da geht es nicht nur um vergünstigte Kredite, sondern auch um neue Anreize für die Privatwirtschaft zu investieren, also neue Finanzierungsinstrumente. Dazu RNE-Mitglied Kai Niebert: „Nur wenn es uns gelingt, die Weltbank zu einer Transformationsbank zu machen und neben Armut- und Hungerbekämpfung auch nachhaltiges Wirtschaften in und mit unseren Partnerländern zu ermöglichen, können wir den SDGs bis 2030 zumindest nahekommen.”

Geld fairer verteilen

Zudem sollen Länder des Globalen Südens, vereinfacht gesagt, leichter an Geld des Internationalen Währungsfonds (IWF) kommen, um es für den Klimaschutz und andere globale Güter einzusetzen. Der IWF kann helfen, wenn sich Staaten zum Beispiel in einer Krise befinden und sich auf dem internationalen Kapitalmarkt nur zu sehr hohen Kosten verschulden könnten. Er kann sogenannte Sonderziehungsrechte ausgeben, das ist eine Art Reservewährung, mit der der IWF kurzfristigen Schieflagen entgegenwirken kann. Bisher profitieren davon aber ärmere Länder deutlich weniger. „Der Wert der Sonderziehungsrechte, die allein Deutschland 2021 zur Verfügung gestellt wurden, ist höher als der Wert der Sonderziehungsrechte für die 46 ärmsten Entwicklungsländer zusammen“, bemerkt der RNE. Reichere Länder sollten darum ihre Mittel zugunsten der ärmeren umwidmen und die Prinzipien für die Zuteilung von Sonderziehungsrechten grundsätzlich reformiert werden.

Der Nachhaltigkeitsrat führt zugleich an, dass in Entwicklungs- und Schwellenländern rund eine Billion US-Dollar pro Jahr benötigt würden für eine nachhaltige Entwicklung, inklusive der Einhaltung des Klimaabkommens von Paris. So seien Schuldenerlasse, erklärt der RNE-Vorsitzende Hoffmann, „unabdingbar, um auch in stark verschuldeten Staaten die Weichen Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu stellen.”

Deutschland wird rund 300 Millionen Euro hybrides Kapital der Weltbank zur Verfügung stellen, so dass die Länder des Globalen Südens leichter Kredite für Nachhaltigkeitsprojekte bekommen können. Das sagte Olaf Scholz in New York zu. Mitte Oktober findet in Marrakesch die Jahrestagung der Weltbank und die IWF-Herbsttagung statt. Der SDG-Gipfel hat durch die zahlreichen Beiträge von Staats- und Regierungschef*innen gezeigt, in welchen Sektoren und Themenfeldern der SDGs nun in der Umsetzung erheblich nachgesteuert werden muss, so zum Beispiel im Bereich Armutsminderung und Hungerbekämpfung.

Im kommenden Jahr wird es beim UN-Zukunftsgipfel, dem „Summit of the Future“ darum gehen, die Vereinten Nationen robuster für die Vielfachkrisen unserer Zeit zu machen. Deutschland und Namibia koordinieren diesen Prozess gemeinsam. Die UN sollen mit dem Our common Agenda-Prozess „fit for purpose“ – also ausgerüstet für die Umsetzung der Agenda 2030 und das Klimaabkommen von Paris sowie zukünftige Krisen globalen Ausmaßes – gemacht werden. Im Vorfeld des Zukunftsgipfels werden durch die Zivilgesellschaft konkrete Lösungspfade und politische Forderungen zur Umsetzung entwickelt und im Mai 2024 in Nairobi der Weltöffentlichkeit und den UN-Mitgliedsstaaten vorgestellt werden. Entscheidend wird dann sein, was die Staatengemeinschaft daraus macht. Die Rückkehr Brasiliens auf die Weltbühne der Nachhaltigkeit und dessen G20-Vorsitz 2024 lässt Zuversicht für eine beschleunigte und kooperative Umsetzung aufkommen.