Deutschland hat ein Gülleproblem

Im Grundwasser landet zu viel Nitrat. Der Grund ist die Gülle aus der Tierhaltung, die Bauern auf den Feldern ausbringen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen schlägt Alarm – und empfiehlt unter anderem, die Mehrwertsteuer auf Fleisch zu erhöhen. Die Regierung arbeitet an einer Düngeverordnung.

Wasser muss aufwendig verdünnt werden, Brunnen müssen verlegt oder aufgegeben werden: Für die Betreiber der Wasserwerke in Deutschland ist es kostspielig, dass Nitrat das Grundwasser verunreinigt: Laut Berechnungen von Umweltverbänden müssen Wasserversorger jedes Jahr bis zu 25 Milliarden Euro extra Reinigungskosten aufbringen. 

Das Nitrat im Wasser kommt vor allem von den Feldern. Gülle aus der Tierhaltung und Gärreste aus Biogasanlagen treiben die Werte nach oben. Die Europäische Kommission hat längst moniert, dass Deutschland zu wenig tut, Grenzwerte überschritten werden und die Bundesrepublik mit Malta die höchsten Nitratkonzentrationen im Grundwasser aufweist. Gegen die Bundesrepublik läuft bereits ein Vertragsverletzungsverfahren.

Am Mittwoch schlug nun der Sachverständigenrat für Umweltfragen Alarm. Das Beratergremium der Bundesregierung gibt in seinem neuen Gutachten – Titel: „Stickstoff: Lösungsstrategien für ein drängendes Umweltproblem“ – acht Empfehlungen, die es in sich haben.

Umsteuern beim Fleisch

Ein Rat etwa lautet: „Beispielsweise sollte der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Fleisch, Eier- und Milchprodukte abgeschafft werden.“ Und weiter: Der Staat könne „als Betreiber vieler Kantinen seine Vorbildfunktion stärker wahrnehmen und eine attraktive Auswahl von vegetarischen Gerichten und “halben” Fleischportionen anbieten.“ Wer die Nitratbelastung mindern wolle, müsse auch die Lebensgewohnheiten ändern. Das gehe einher mit höheren Umweltanforderungen an die Landwirtschaft.

Dünger, auch Jauche, Mist und Gülle enthalten Stickstoff. Das chemische Element N ist kein tödliches Gift, sondern ein wichtiger Pflanzennährstoff. Doch es kann zu viel des Guten sein. Wird gedüngt, was die Ställe hergeben, kommt mehr Stickstoff aufs Feld als Wurzeln aufnehmen können – er landet dann als Lachgas in der Luft oder als Nitrat im Boden und Grundwasser.

An überdüngten Stellen wuchern Brennnesseln oder Brombeeren, andere Pflanzen gehen ein. In Gewässern nehmen Algen zu, die andere Pflanzen ersticken. Nitrat gilt obendrein als gesundheitsschädlich, weil es im Körper des Menschen in Krebs erzeugendes Nitrit umgewandelt werden kann. Dies gefährdet vor allem Säuglinge und Kleinkinder.

Auch der Straßenverkehr trägt zur Belastung bei. In Verbrennungsmotoren vor allem mit Diesel entstehen Stickoxide. Doch die Landwirtschaft gilt als der Hauptverursacher der Belastung. „Das größte technische Minderungspotenzial besteht derzeit im Landwirtschaftssektor“, heißt es auch in einer Studie, die das Umweltbundesamt vor wenigen Tagen veröffentlicht hat.

60.000 Gülle-Laster aus den Niederlanden

„Es gibt zu viel Vieh und zu wenig Flächen“, sagt Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und auch Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung. „Wir bräuchten allein im Weser-Ems-Gebiet 200.000 Hektar mehr Land, um die Gülle halbwegs umweltgerecht zu verteilen.” Zudem exportierten industrielle Tierhalter in den Niederlanden jedes Jahr mehr als 60.000 Lkw-Ladungen Gülle nach Deutschland. Denn dort gibt es strengere Vorgaben als hierzulande.

Allerdings soll sich jetzt etwas ändern. Kurz vor Weihnachten hat Bundesagrarminister Christian Schmidt eine Reform der sogenannten Düngeverordnung vorgelegt. Bauern sollen künftig zum Beispiel von Anfang Oktober bis Ende Januar das Kot-Harn-Gemisch gar nicht mehr auf den Äckern verstreuen dürfen. Sie müssen zudem Lagerkapazitäten für sechs Monate vorhalten, große Betrieb ab 2020 für neun Monate.

Während Vertreter des Bauernverbandes die Neuregelung für überflüssig halten, findet Umweltschützer Weiger sie viel „zu schwach“. Größtes Manko: „Eine Hoftorbilanz, eine Art Input-Output-Stickstoff-Buchhaltung, soll erst 2018 für nur einige wenige große Betriebe eingeführt werden.“ Wie viel Futter kauft der Landwirt für die Tiere, wie viel Dünger für die Felder. Und was verlässt den Hof? Nur mit dieser Art Stickstoffmanagement ließen sich die Höfe kontrollieren.

Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministeriumverteidigt indes die Reform, sie sei „eine deutliche Verbesserung“. Er erwartet, dass die derzeitige Stickstoffgabe von 97 Kilo pro Hektar im Jahr um 15 bis 30 Kilo sinken werde. Es werde nun eine Arbeitsgruppe klären, wie die Hoftorbilanz genau gemacht werden solle. Das brauche „etwas Zeit“.

Bis zum 30. Januar 2015 können die Verbände und die Länder nun Stellung zum Entwurf nehmen. Daran schließen sich die politischen Beratungen im Deutschen Bundestag und Bundesrat an.

Weiterführende Informationen

Kosten der Nitratbelastung, Nabu-Homepage

Hohe Nitrat-Belastung in Deutschland, EU-Kommission

Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, EU-Kommission

Stickstoff-Studie des Umweltbundesamtes [pdf, 9,6 MB]

Reform der Düngeverordnung, Bundesagrarministerium

Stellungnahme Bauernverband zur neuen Düngeverordnung