Bildung der Kleinsten schafft Klimastabilität

Wie kaufe ich fair und ökologisch ein, wie lässt sich ein Obstbaum pflanzen, welche Baumaterialien sind ökologisch – je mehr Kinder und Jugendliche darüber lernen, desto besser. Denn Forscher haben die Bildung als einen von mehreren „sozialen Kipppunkten“ identifiziert, die eine positive Trendwende beim Klimawandel herbeiführen könnten. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung fördert entsprechende Projekte.

Ist von Kipppunkten im Klimasystem der Erde die Rede, geht es bislang vor allem um Gefahren, die, einmal in Gang gesetzt, sich nicht mehr aufhalten lassen, wie etwa tauender Permafrostboden. Doch Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung haben jetzt eine andere Art von Kipppunkten identifiziert, „soziale Kipppunkte“, die eine positive Trendwende bringen können. Dazu gehören zum Beispiel Banken und Investoren, die ihr Kapital aus fossilen Energien abziehen, aber auch das Bildungssystem. Denn das könne, so die Forscher, ein besseres Wissen und Engagement gegen den Klimawandel bringen.
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung fördert in diesem Sinne verschiedene Projekte. Diese bekommen neues Gewicht.

Mehr als Mülltrennung in der Kita

Der Hintergrund: 97 Prozent der Kita- und Hortleitungen in Deutschland haben grundsätzlich Interesse an Nachhaltigkeit, ähnlich die Erzieherinnen und Erzieher. Das ist Ergebnis einer repräsentativen Befragung. Das Umfragezentrum Bonn, Gesellschaft für empirische Sozialforschung und Evaluation hat im Auftrag des „Haus der kleinen Forscher“ die Leitungen von 400 Kitas und Horten vor kurzem bundesweit interviewt. Viele achten demnach schon auf regionales und saisonales Essen, reflektieren den Umgang mit Wasser und anderen Ressourcen. Sie finden die Kinder in Kita und Hort auch nicht zu jung dafür. Nur: Bisher sind wenige mit dem Konzept einer Bildung für nachhaltige Entwicklung vertraut, kurz: BNE. Es brauche aber einen ganzheitlichen Ansatz, „wenn gute BNE gelingen soll, die über Mülltrennung hinausgeht.“ sagt Ute Krümmel vom Haus der kleinen Forscher.

Forscher der Universität Bremen formulierten es vor gut zwei Jahren in einer Studie, in der sie für den Rat für Nachhaltige Entwicklung die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) im deutschen Bildungssystem untersucht haben, so: „Einerseits bleibt großes Potenzial noch ungenutzt und es bleibt noch viel zu tun, bis die SDG ein selbstverständliches Thema im deutschen Bildungssystem sind. Andererseits gibt es jedoch eine Vielzahl von Mut machenden Projekten, welche die SDG auf anregende Weise behandeln und so unsere Gesellschaft in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung anschieben.“

Ernährungswissen, Mitmachgarten

Mut machende Projekte? Der Fonds Nachhaltigkeitskultur unterstützt zahlreiche solcher Initiativen – drei Beispiele.
Die Sarah Wiener Stiftung hat eine Fortbildung „Nachhaltig handeln in Supermarkt und Küche“ für Fach- und Lehrkräfte an Kitas und Grundschulen konzipiert. Sie erfreue sich „großer Beliebtheit“, sagt Florian Mannchen, Leiter Bildungsprogramm der Stiftung. Es geht um Lebensmittel und einen bewussten Ernährungsstil. Dazu gehören Bastelanleitungen für Saisonkalender, Checklisten zum Ausdrucken und viele praktische Einkaufstipps.

Der Berliner Verein Kids & Co betreibt Lernwerkstätten und Mitmachbaustellen. Mitten im Stadtteil Hellersdorf hat er unter anderem den Bürgergarten „Helle Oase“ entwickelt. Früher lagerte dort der Schutt von Bauarbeiten für ein Einkaufszentrum. Heute gibt es dort ein Repaircafé, auch ein „grünes Klassenzimmer“. Kleine und große Anwohner und Anwohnerinnen haben für Letzteres zum Beispiel eine Strohballenwand errichtet – als anschauliche Basis für klimaschutzbezogenes Bauen und Leben. Sie pflanzen auch Obstbäume. „Bei den Kindern und Jugendlichen kommt das gut an“, sagt Projektleiterin Katrin Gransow.

Bau-Abenteuer in der Schule

Der Grundschulverband hat eine Materialkiste „Abenteuer Bauen“ entwickelt – zum Verleihen. „Sie lässt sich sehr einfach von der ersten bis zur sechsten Klasse in den Unterricht integrieren, egal ob in Sachunterricht, Mathematik, Kunst oder in den Naturwissenschaften“, sagt Mitentwicklerin Ulrike Oltmanns. Die Kiste beinhaltet zum Beispiel Bambusstäbe, mit denen sich Konstruktionsaufgaben lösen lassen. „Die Nachfrage ist groß“, sagt Oltmanns, „der Reiz für Schülerinnen und Schüler liegt darin, experimentieren und ausprobieren zu können, zugleich aber auch einen theoretischen Hintergrund zu Architektur und nachhaltigen Baumaterialien weltweit vermittelt zu bekommen.“

Lernmodul, Mitmachgarten, Materialkiste – es sind nur einige Projekte, die das Wissen über den notwendigen sozial-ökologischen Wandel schulen. „Sie zeigen“, sagt Riccarda Retsch, Referentin für Bildung und Forschung in der Geschäftsstelle des Rates für Nachhaltige Entwicklung, „Pädagoginnen und Pädagogen, Erzieherinnen und Erzieher könnten im positiven Sinne gesellschaftliche Kippvorgänge anstoßen, das Interesse und die Instrumente sind da.“

Selten zuvor wurden so intensiv wie derzeit Antworten gesucht, wie die Bildung der Zukunft für eine lebenswerte Zukunft gestärkt werden kann. Die UNESCO, die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hat ihr Weltaktionsprogramm zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung bis zum Jahr 2030 verlängert. Noch bevor im Juni in Berlin die offizielle Auftakt-Konferenz für diese neue Phase stattfindet, hat sie nun Lehrende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Jugendliche und andere Interessierte weltweit aufgerufen, Ideen einzubringen.