Vor dem Klimagipfel in Paris: Forscher nehmen Meere in den Fokus

Das Zusammenspiel von Klima und den Weltmeeren müsse endlich mehr Aufmerksamkeit erfahren, fordern Forscher. Denn die Meeresgewässer hätten eine wesentliche Bedeutung im Klimasystem. Das müssten auch die Verhandler auf dem Weltklimagipfel anerkennen, der in wenigen Tagen in Paris beginnt.

Wissenschaftler warnen vor den Auswirkungen des Klimawandels auf die Weltmeere. Sie wollen erreichen, dass der Rolle der Ozeane in den Verhandlungen der UN-Klimakonferenz in Paris mehr Gewicht zugemessen wird. Der Klimagipfel sei von „entscheidender Bedeutung“ für die Ozeane, sagt die Forscherin Susan Lozier von der Duke University im US-Staat North Carolina.
Mit anderen Experten aus den USA und Europa hat Lozier ein Papier erarbeitet, in dem die Wissenschaftler von den verhandelnden Parteien des Klimaabkommens fordern, die entscheidende Bedeutung der Weltmeere im Klimasystem anzuerkennen.
Die Klimakonferenz der Vereinten Nationen findet vom 30. November bis 11. Dezember 2015 in Paris statt. Dort soll ein umfassendes Abkommen darüber geschlossen werden, wie die globale Klimapolitik in den kommenden Jahrzehnten aussehen wird. Die Meeres-Wissenschaftler pochen in ihren Forderungen auch auf vermehrte Forschung. Schließlich seien noch längst nicht alle Zusammenhänge zwischen Klima und Ozeanen geklärt.
Einfluss könnte der Klimawandel etwa auch auf das Wetterphänomen El Niño haben. Es wird erwartet, dass dieses Phänomen in 2015 besonders stark auftritt: Das derzeit ganz natürlich vorkommende El-Niño-Ereignis und der menschengemachte Klimawandel könnten einander auf eine Weise verändern und beeinflussen wie nie zuvor erlebt, warnte kürzlich Michel Jarraud, der Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in Genf.
El Niño, auf Spanisch „das Christkind“, ist das Ergebnis einer Wechselwirkung von Atmosphäre und Ozean im Pazifik in Äquatornähe. Es zeichnet sich durch außergewöhnlich hohe Wassertemperaturen aus. So harmlos „El Niño“ klingen mag, bringt dieses Christkind doch das Klima weltweit durcheinander: Es ist laut WMO unter anderem verantwortlich für Dürren in Südostasien, hat Einfluss auf die Anzahl tropischer Wirbelstürme auf den pazifischen Inseln und kann für starken Regenfall sorgen, bei dem sich die Wassermassen in Fluten durch Peru und Ecuador wälzen.

Stärkster El Niño seit 15 Jahren

Der jetzige El Niño sei der „stärkste seit mehr als 15 Jahren“, sagte Jarraud Mitte November. Nach Angaben der WMO wird sich der derzeitige El Niño gegen Ende dieses Jahres noch verstärken: Die Temperaturen des Oberflächenwassers in Teilen des tropischen Pazifiks dürften demnach während der El Niño-Periode zwei Grad höher liegen als normalerweise.
Der Klimaforscher Hugues Goosse von der belgischen Université catholique de Louvain, Mitautor von Susan Lozier, sieht die Ozeane ebenfalls als stark vom Klimawandel betroffen. Ozeane lagerten sowohl Wärme als auch CO2 ein und seien daher ein Schlüsselelement des Klimasystems. „Sie sind Teil der Lösung“, sagt Goosse. Doch sie reagieren eben auch auf die Veränderungen in diesem Klimasystem – so werde erwartet, dass die Weltmeere künftig nicht mehr so viel CO2 aufnehmen können.
Der Schweizer Klimaforscher Thomas F. Stocker bezeichnet diese Fähigkeiten der Weltmeere im Science-Magazin als „silent services“, stille Dienstleistungen. Als essentiell sieht er drei dieser Dienste: So nähmen die Ozeane erstens mehr als 90 Prozent der überschüssigen Energie aus dem Klimasystem auf. Die Aufnahme der Wärme durch die Ozeane verlangsame die Erwärmung der Atmosphäre. Doch die Wärmeaufnahme werde sich in der Zukunft abschwächen – ernstzunehmende Konsequenzen seien die Folge, so Stocker.
Zweitens nähmen die Weltmeere überschüssiges Wasser auf, das durch rapide abschmelzende Gletscher und Eisschichten Grönlands und der Antarktis auftritt. Der Preis dafür, so Stocker: Ein Anstieg des Meeresspiegels, der Küstengemeinden und tiefliegende Inseln bedrohe. Fast 50 Prozent dieses Anstiegs sei auf dieses überschüssige Wasser zurückzuführen.

Meere speichern CO2

Als dritte wesentliche Leistung nennt Stocker schließlich die Speicherung der menschengemachten CO2-Emissionen. Er zitiert eine Schätzung, nach der fast 30 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes aus dem Jahr 2013 in die Meere aufgenommen wurden. Der Preis dafür sei die Versauerung des Wassers, so Stocker. Mögliche Auswirkungen einer Ozeanversauerung auf Meereslebewesen könnten unter anderem Veränderungen der Fortpflanzungserfolge sein.
Angesichts der Leistungen der Weltmeere wirft Stocker die Frage auf, warum dem Zustand der Ozeane im Gegensatz zu den Veränderungen des Klimawandels an Land so wenig Aufmerksamkeit beigemessen werde. Immerhin blickt eine Tagung auf dem Klimagipfel in Paris auf die Rolle der Ozeane: So richten Organisationen wie The Global Ocean Forum und das Umweltprogramm der UN den „Oceans Day“ aus.
„Das Klima der Erde und des Ozeans sind in einer Art und Weise grundlegend miteinander verbunden, die wir noch nicht komplett verstehen“, erklären die Meeresexperten, zu denen Lozier und Goosse gehören. Für sie bleiben noch zu viele Fragen offen, sagt auch Lozier: „Wir wissen nicht genug.“