Standpunkt: Aufbruch und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Der Nachhaltigkeitsrat bezieht Position zu den aktuellen und gesellschaftlichen Debatten.

In einer Zeit, in der die multiplen Krisen immer unübersichtlicher werden, wächst die Kritik am Regierungshandeln. Das Vertrauen in unsere politischen Institutionen, schlussendlich in unseren Staat selbst, sinkt. Ein solcher Vertrauensverlust ist nicht nur der Nährboden für antidemokratische Parolen und rechtsextreme Ansichten, sondern stellt in Summe auch ein großes Risiko für unsere liberale Demokratie dar. Unsere freiheitlich-demokratische Verfassung ist Grundlage und Voraussetzung für eine selbstbestimmte, erfolgreiche nachhaltige Entwicklung. Daher ist es wichtig, unsere liberale Demokratie nach innen und außen zu verteidigen und zu stärken.

Insofern sind die vielen Demonstrationen der letzten Wochen aus unserer Sicht ermutigend. Sie zeigen, dass den Menschen unsere Demokratie nicht egal ist. Umso wichtiger erscheint uns, dass wir den anstehenden Wandel als eine Gemeinschaftsaufgabe sehen, Chancen und Lasten fair verteilen, Ängste nehmen und niemanden zurücklassen.

Gleichzeitig dürfen die langfristigen Ziele – für Klimaschutz, für Biodiversität, für nachhaltige Lösungen, für ein gutes Leben aller innerhalb der planetaren Grenzen – nicht aus den Augen verloren werden – sie sind ganz im Gegenteil drängender denn je.

Der RNE ist davon überzeugt, dass der Kampf gegen den rasant fortschreitenden Klimawandel sowie den Biodiversitätsverlust und der Einsatz für einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen keinen Aufschub duldet. Dafür brauchen wir eine starke, solidarische Europäische Union. Dafür brauchen wir aber auch eine weitsichtige, verlässliche Politik in Deutschland, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Eine solche Politik beginnt mit einer selbstkritischen und offenen Kommunikation, die nicht über die Köpfe der Menschen in unserem Land hinweggeht. Auch gegenseitige Schuldzuweisungen sind der herausfordernden Lage nicht angemessen. Wir brauchen im Gegenteil, eine Politik, die Mut macht und realistische Lösungen aufzeigt. Eine Politik, die Menschen mitnimmt und zeigt, wir bewältigen auch schwierige Herausforderungen gemeinsam! Wir brauchen eine Politik, die die sozialen Folgen der notwendigen Veränderungen von Beginn an berücksichtigt und fair ausbalanciert.

Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) fordert deshalb die politisch Verantwortlichen im Bund, in den Ländern und Kommunen auf, ihre politische Verantwortung wahrzunehmen und sozial gerechte, langfristig angelegte Lösungsvorschläge zum Klima- und Biodiversitätsschutz, zum effizienten und zirkulären Umgang mit Ressourcen, zu einer wettbewerbsfähigen nachhaltigen Wirtschaft sowie auch zur Migrations-, Integrations- und Sicherheitspolitik zu machen.

Nach Überzeugung des Rates brauchen wir als Exportnation, die tief in internationale Lieferketten eingebettet ist, langfristig angelegte internationale und europäische Lösungen. Wir werden weder Klimawandel noch Biodiversitätsverlust mit nationalen Maßnahmen aufhalten. Auch unsere Sicherheit und dringend notwendige friedenspolitische Anstrengungen lassen sich nicht national isoliert erreichen. Der RNE widerspricht entschieden einem Zurückfahren des deutschen Engagements zur internationalen Zusammenarbeit.

In den letzten Jahren wurde gerade beim Klimaschutz Vieles auf den Weg gebracht – von Verfahrensbeschleunigungen, über die Stärkung marktorientierter Steuerungsinstrumente wie der CO2-Bepreisung, bis hin zur begonnenen Umsetzung einer Wasserstoffstrategie.

Diese Klimaschutzmaßnahmen dürfen aber nicht dazu führen, dass vor allem vulnerable Bevölkerungsgruppen, ob bei der Miete, bei den Lebensmittelpreisen oder an der Tankstelle, überfordert werden. Um soziale Härten zu vermeiden, fordert der RNE die Bundesregierung auf, das im Koalitionsvertrag beschlossene Klimageld spätestens im Jahr 2025 einzuführen.

Gerade weil der notwendige Wandel Weichenstellungen für neue langlebige Infrastrukturen erforderlich macht, ist für die notwendigen kurzfristigen Entscheidungen ein möglichst breiter demokratischer Grundkonsens anzustreben, um eine Finanzierung sicherzustellen.

Für die sozial-ökologische Transformation sind enorme Investitionen in langlebige Infrastrukturen erforderlich. Dafür müssen jetzt geeignete und kurzfristig wirksame Finanzierungsoptionen von privater und staatlicher Seite geschaffen werden. Nur so lassen sich die Transformation für den Schutz von Klimaschutz und Biodiversität, mit deutscher Innovationsführerschaft, neuer Wertschöpfung und einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort verbinden.

Doch unser Aufruf richtet sich nicht nur an die Regierung. Die Pariser Klimaziele, die globalen Biodiversitätsziele und die globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) wurden von allen demokratischen Parteien im Konsens verabschiedet.

Der RNE erwartet, dass die Regierung und die demokratische Opposition zu den vereinbarten Zielen stehen und sich durch konstruktive Vorschläge an der Erreichung gemeinsamer Ziele aktiv beteiligt.

Nicht zuletzt richten wir uns auch direkt an die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Ja, die sozial-ökologische Transformation ist auch mit erheblichen persönlichen Veränderungen und Anstrengungen verbunden. Individuelle Sorgen und Ängste müssen ernst genommen und verstanden werden. Jedoch ist es vollständig inakzeptabel, Menschen, die durch demokratische Wahlen in Kommunen, den Ländern und auf Bundesebene Verantwortung übernommen haben, verbal oder persönlich unter Verletzung von Grenzen des Anstandes und Respektes anzugreifen.

Ganz gleich welche Parteien im demokratischen Wettbewerb zukünftige Wahlen gewinnen, werden wir zukunftsfähige Lösungen nur durch die Anstrengung Aller erreichen.

All das brauchen wir für den notwendigen Aufbruch für eine gelingende Transformation und den gesellschaftlichen Zusammenhalt!

Empfehlungen & Stellungnahmen

Aufbruch und gesellschaftlicher Zusammenhalt, jetzt – eine Gemeinschaftsaufgabe!

Standpunkt des Rates für Nachhaltige Entwicklung; Berlin, 07.02.2024