Nachhaltigkeitsinformationen: Wie wichtig sind sie für Investoren?

Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen haben oft Wettbewerbsvorteile, weil sie umsichtiger wirtschaften. Aber nutzen Investoren Nachhaltigkeitsinformationen? Ja, sagen Experten, beklagen aber die Überkomplexität der vielen Kennziffern.

Die Zeiten, in denen Nachhaltigkeitsberichte nichts als bunte Hochglanzprospekte waren sind längst vorbei. Die Berichte sind konkret und komplex – die Diskussion geht nun darum, wie sie besser und effizienter eingesetzt werden können, um die globale Wirtschaft grundsätzlich zu transformieren: Rentabel soll sein, was soziale Gerechtigkeit fördert und Umweltschutz voranbringt.

Für eine solche Entwicklung gibt es momentan eine starke Dynamik. International wegen des im vergangenen Jahr verabschiedeten Klimaschutzabkommens von Paris und der neuen, globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. In Europa, weil ab nächstem Jahr die sogenannte CSR-Richtlinie gilt, die Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtet, Kennzahlen zur Nachhaltigkeit zu veröffentlichen – betroffen sind rund 6.000 Unternehmen in Europa.

In Deutschland wird derzeit ein Gesetzesentwurf zur Umsetzung diskutiert. Der RNE widmete dem Thema, wie der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) weiterentwickelt werden kann, kürzlich eine Tagung, auf der über 150 Experten aus aller Welt zusammenkamen.

Dass Investoren am Kapitalmarkt zumindest teilweise auf Nachhaltigkeit achten, gilt als ausgemacht. Warum, beschreibt beispielsweise Matthias Stapelfeldt, Leiter Nachhaltigkeitsmanagement bei Union Investment und zuständig für Entwicklung und Implementierung der Nachhaltigkeitsstrategie. Die Grundlage ist einfach: „Der Kapitalmarkt antizipiert. Wir wollen wissen, wie das Management mögliche Risiken adressiert, bevor sie sich negativ in den Unternehmenszahlen niederschlagen“, sagt Stapelfeldt.

Exxon, verklagt wegen Klimarisiken

Diese Risiken haben immer mehr mit Nachhaltigkeit zu tun, Beispiel Energiewirtschaft: Wegen der Energiewende ist das einst als sicher geltende Geschäftsfeld der fossilen Kraftwerk zur Risikoanlage geworden. Exxon, größter börsennotierter Ölkonzern der Welt, wird von Anlegern gedrängt, die Risiken zu quantifizieren, die der Kampf gegen den Klimawandel für das Geschäftsmodell bedeutet.

Jede Branche hat dabei ihre eigenen Risiken, die sich von Land zu Land unterscheiden – je nach staatlicher Regulierung. Als zweites Beispiel nennt Stapelfeldt die Textilindustrie: Intransparente Lieferketten sind ein Geschäftsrisiko. „Es ist wichtig, dass ein Unternehmen einen Kodex hat und seine Lieferketten wirklich kontrolliert. Wir fragen auch genau nach, wie und von wem die Standards überwacht werden“, erklärt Stapelfeldt.

Ein Ergebnis der RNE-Tagung zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex: Für internationale Investoren und Großunternehmen sind auch internationale Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung am besten geeignet. Wer zum Beispiel in den Dow Jones Sustainability-Aktienindex will, muss nach den komplexen Standards der Global Reporting Initiative (GRI) arbeiten. „Da sind Details drin, die für den Kapitalmarkt sehr wichtig sind“, sagt Stapelfeldt.

Dem pflichtet auch Bernd Schleich bei, ehemals für die unternehmerische Nachhaltigkeit der GIZ zuständig, jetzt Schulungspartner für den DNK und freier Berater. Doch: die internationalen Standards sind für mittelständische Unternehmen viel zu komplex, sagt er – und so konzipiert, dass auch häufig nur große Unternehmen in der Lage sind, überhaupt mit ihnen zu arbeiten. „Wir müssen aber die Masse der Unternehmen erreichen, also auch die Mittleren und Kleinen. Das schaffen wir nur mit einem an ihre Bedürfnisse angepassten Berichtssystem.“

10 Jahre ohne Veränderungen

In den Augen von Schleich gilt das für alle Standards, egal ob GRI oder DNK: Sie sollten primär Veränderungen in den Unternehmen dokumentieren und auch bewirken. „Wenn sie in die Unternehmen reinschauen, sagen viele Kolleginnen und Kollegen: In den letzten 10 Jahren hat sich wenig verändert“, sagt er, „obwohl viele immer komplexere Nachhaltigkeitsberichte verfassen.“

In eine ähnliche Richtung geht auch Stapelfeldts Analyse: „Ein noch mehr an Daten bringt überhaupt nichts“, sagt er. Vielmehr müssten die Daten aussagekräftiger und vergleichbarer werden. „Es geht nicht darum, mit 20 oder 100 Indikatoren Nachhaltigkeit in einem Unternehmen zu messen. Sondern darum, was für Schlussfolgerungen das Management daraus zieht“, sagt er.

Einer, der genau diesen Ansatz verfolgt, ist der US-Amerikaner Bahar Gidwani. Er arbeitete sieben Jahre an der Wall Street und hat später die Firma CSRHub gegründet. Sie bewertet weltweit über 150.000 Firmen danach, wie gut sie in Sachen Nachhaltigkeit sind. Seine Software wertet dabei 457 Quellen aus, von Nachhaltigkeitsberichten nach verschiedensten Standards, bis zu Berichten von NGOs. Zielgruppe sind nicht Finanzmärkte, sondern Manager, die sehen wollen, wie ihre Firma im Vergleich zu anderen abschneidet.

Gidwani weiß, wie Investoren ticken. Er beobachtet, dass nicht nur institutionelle Investoren, sondern auch eine kleine, aber wachsende Anzahl von aktiven Börsenspekulanten Nachhaltigkeitsberichte als Informationsquelle nutzen. „Sie handeln dann mit bestimmten Werten, weil sie glauben, dass Kennzahlen aus den Nachhaltigkeitsberichten etwas über die Performance der Firma aussagen“, sagt er. Idealisten sind diese Anleger keine – sie hoffen schlicht auf einen Informationsvorsprung gegenüber anderen Spekulanten. Gidwani schätzt, dass ein Prozent der Anleger so Nachhaltigkeitsberichte nutzt – Untersuchungen dazu gibt es keine.

USA: Keine Pflicht zur Berichterstattung

Wesentlich zahlreicher werden die passiven Anleger, die ihr Geld etwa Investmentfonds anvertrauen, die auch auf Nachhaltigkeit achten. Deshalb verpflichten sich in den USA immer mehr Unternehmen, freiwillig nicht-finanzielle Kennzahlen zu veröffentlichen – eine Pflicht wie ab nächstem Jahr in der EU gibt es dort nicht.

„Natürlich ist es für einen Investor wichtig zu wissen, woher ein Textilhersteller seine Baumwolle bezieht, ob dort Trockenheiten oder Streiks drohen, weil die Arbeiter schlecht bezahlt werden“, nennt Gidwani ein Beispiel. Wichtiger Treiber in den USA ist beispielsweise der Sustainability Accounting Standards Board – das Gremium versucht, ähnlich wie der DNK, möglichst Berichtsstandards zu entwickeln, die speziell auf einzelne Branchen zugeschnitten sind.

Klar ist, dass noch an vielen Stellschrauben gedreht werden muss, um für die verschiedenen Branchen passende und vergleichbare Standards zu entwickeln. Eine Erkenntnis aus dem DNK-Forum: Berichterstattung braucht Zeit, Geldmittel und personelle Ressourcen. Sie muss sich finanziell rentieren und effizient sein. Und eines ist auch in Zukunft klar: Manchmal müssen Firmen Verantwortung übernehmen, ohne, dass daraus ein Geschäftsmodell wird.