„Hauptversammlungen werden die Vorstandsvergütung nicht dämpfen“ - Interview mit Manfred Gentz, Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex

Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex wurde 2001 vom Bundesjustizministerium eingesetzt. Sie erarbeitete den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), der vor allem Empfehlungen und Anregungen für börsennotierte Unternehmen hinsichtlich einer transparenten Unternehmensführung enthält. Für den Kodex haben alle 30 DAX-Konzerne und fast alle 50 MDAX-Unternehmen Entsprechenserklärungen abgegeben. Am 30. September 2013 hat Dr. Dr. h.c. Manfred Gentz, ehemaliger Finanzvorstand der DaimlerChrysler AG, den Vorsitz der Kommission übernommen. Im Interview erklärt er, warum sich die Kommission gegen eine gesetzliche Regelungen zur Frauenquote und zu Obergrenzen für Managergehälter ausspricht.

Laut Koalitionsvertrag wollen Union und SPD bei den Wahlen zu neuen Aufsichtsräten ab 2016 eine Frauenquote von 30 Prozent vorschreiben. Das soll aber nur für börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen gelten – also rund 200 Unternehmen. Sind das nicht viel zu wenige?

Vom Standpunkt der Kommission Corporate Governance Kodex brauchen wir die gesetzliche Quote überhaupt nicht. Das Momentum der Wirtschaft ist groß genug. Wir haben bei den Dax-Unternehmen heute rund 22 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten. Vor drei Jahren lag dieser Wert noch bei knapp 14 Prozent. In der Koalitionsvereinbarung ist eine gesetzliche Quote von30 Prozent ab 2016 vorgesehen. Bei der nächsten großen Welle an Aufsichtsratswahlen, die ab 2016 stattfinden und sich 2018 hinziehen wird, werden wir diesen Prozentsatz im Schnitt auch ohne eine gesetzliche Frauenquote erreichen. Der Prozess ist unumkehrbar und von den Unternehmen auch so gewollt. Es gibt heute in allen großen Unternehmen starke Frauenförderprogramme, und die stehen nicht mehr – wie früher – nur auf dem Papier. Da steckt die Überzeugung dahinter, dass man die Frauen braucht.

Etwa 2000 weitere Unternehmen, die entweder nur börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind, sollen ab 2015 selbst Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat, im Vorstand und den obersten Management-Ebenen beschließen. Wie hoch sollten diese freiwilligen Quoten sein, damit sie überhaupt der Rede wert sind?

Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Die Strukturen der Unternehmen sind sehr unterschiedlich, wenn sie sehr stark technologisch oder produktionstechnisch orientiert sind, dann besteht die Belegschaft mehrheitlich aus Männern. Wir haben also zu wenig Frauen, die Ingenieur- oder Naturwissenschaften studieren und im Management aktiv werden können. Deshalb ist es ein grober Fehler, nicht auf die spezifische Situation der Unternehmen Rücksicht zu nehmen. Die Unternehmen sollten sich ihre Ziele selbst vorgeben, diese Ziele veröffentlichen und sich daran messen lassen. Seit 2011 berichten wie vom Corporate Governance Kodex empfohlen die börsennotierten Gesellschaften in den Geschäftsberichten über ihre Diversity-Ziele für den Aufsichtsrat.

Über die Vergütung des Vorstands soll nach dem Willen der künftigen Regierung die Hauptversammlung und nicht mehr nur der Aufsichtsrat entscheiden. Dagegen hat sich Ihre Kommission lange gewehrt. Wieso eigentlich?

Dagegen haben wir uns nicht gewehrt, es gibt bereits die Möglichkeit, dass die Hauptversammlung über das System der Vorstandsvergütung abstimmt. Diese Möglichkeit ist auch von den Dax-Unternehmen in den letzten Jahren genutzt worden. Das Ergebnis dieser Abstimmungen war fast durchweg, dass die Systeme zur Vorstandsvergütung, die auch die Vergütungshöhe in gewissem Umfang mit enthalten, von den Hauptversammlungen mit den bekannten hohen Hauptversammlungsmehrheiten gebilligt wurden. Aus unserer Sicht ist die Erwartung falsch, wonach es durch den bindenden Hauptversammlungsbeschluss zu einer Dämpfung der Vorstandsvergütung kommen soll, weil die Mehrheit der deutschen Aktien heute in ausländischem Besitz ist – insbesondere in angelsächsischem. Insbesondere in Amerika spielt die Höhe der Vorstandsvergütung eine wesentlich geringere Rolle als bei uns.

Sie sind Vorsitzender einer deutschen Regierungskommission. Im Mai hatte Ihr Vorgänger Klaus-Peter Müller vorgeschlagen, Aufsichtsräte sollten Obergrenzen für Vorstandsgehälter beschließen. Geben Sie diesen Vorstoß nun auf, wo er es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hat?

Nein, warum sollten wir so etwas aufgeben? Die Kommission hat beschlossen, dass sich der Aufsichtsrat mit dem System der Vorstandsvergütung genau beschäftigen soll, das heißt dass er die individuellen Vorstandsvergütungen in ihrem Gesamtbetrag und auch ihren variablen Vergütungsteilen nach oben begrenzen soll. Das ist als Empfehlung im Corporate Governance Kodex verankert. Dadurch dass die Regierung glücklicherweise nicht selbst Obergrenzen festgelegt hat, wird diese Empfehlung nicht aufgehoben, sondern sogar gefördert. Die Regierung hat möglicherweise gesehen, dass wir dieses Thema schon hinreichend geregelt haben und dass eine gesetzliche Regelung völlig überflüssig wäre.

Das Interview führte Manuel Berkel

Weiterführende Informationen

Deutscher Corporate Governance Kodex

Pressemitteilung zur Übernahme des Vorsitzes durch Dr. Dr. h.c. Manfred Gentz [PDF, 73 kB]