Kunst und Kultur sind in erster Linie Genuss, sollen aber auch oft zum Denken anregen – über den Zustand einer Gesellschaft, über den Zustand dieser Welt und, wie wir beides verbessern können. In Zeiten des Klimawandels ist Nachhaltigkeit im Kulturbereich aber nicht nur inhaltlich ein Thema für Theaterstücke und Ausstellungen. Denn natürlich muss die Kulturbranche auch selbst prüfen, was hinter den Bühnen passiert. Wie viele Flüge waren etwa nötig, für eine Kunstausstellung oder ein Konzert? Wie werden Museen klimatisiert? Und wie viel Strom verbraucht eigentlich eine Theateraufführung?
Zumindest über die letzte Frage werden das Gloria Theater in Bad Säckingen und die EWS Elektrizitätswerke Schönau schon gesprochen haben, denn die beiden sind die neuen und ersten Tandem-Partner der bundesweiten Initiative Culture4Climate (C4C) vom Netzwerk Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur (2N2K). Sie arbeiten im Rahmen der sogenannten SDG-Tandems, die sich an den Sustainable Development Goals der Bundesregierung orientieren, nun ein Jahr lang gemeinsam an ihren Nachhaltigkeitszielen.
Mehr Kultur im Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit
Culture4Climate (C4C) ist auch einer der neuesten Kooperationspartner des Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit. Koordiniert vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), bietet das Gemeinschaftswerk eine Plattform für Organisationen, die ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten sichtbar machen und sich vernetzen wollen. Über diese Onlineplattform finden sich bisher vor allem Organisationen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Zivilgesellschaft zusammen. Doch auch der Kultursektor kann und soll in diesem Netzwerk Impulse und Lösungen für die Nachhaltigkeitstransformation geben und entwickeln – und dafür ist C4C ein vielversprechender Partner.
Die bundesweite Initiative Culture4Climate setzt sich gemeinsam mit dem Kultursektor für die Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele ein. „Im Klimawandel kommt dem Kulturbereich eine doppelte Aufgabe zu“, sagt Ralf Weiß, Gesamtkoordinator von C4C. So sollen in allen Kultursparten klimaschädliche Emissionen reduziert werden und gleichzeitig soll sich die kulturelle Praxis für einen nachhaltigen Kulturwandel einsetzen. „Die Kultur hat hier viele Ansatzmöglichkeiten, wenngleich es wichtig ist zu sagen, dass sie nicht zu den Hauptemittenten gehört. Die sind woanders zu finden – im Bereich Industrie, Energie oder Bauen“, sagt Weiß und spricht somit ein Thema an, dem sich auch das Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit im Jahr 2023 mit einem Schwerpunkt widmet: Nachhaltiges Bauen und Wohnen.
Ideen teilen und Pläne schmieden
Die Tandems im Kulturbereich sollen einen Perspektivwechsel bringen und lösungsorientierte Zusammenarbeit ermöglichen. „Kultureinrichtungen haben oft wenig Personal, gerade für Bereiche, die nicht mit dem aktuellen Betrieb zusammenhängen. Da ist so eine Partnerschaft ein großer Vorteil“, sagt Ralf Weiß. Über das Projektjahr treten die Tandem-Partner regelmäßig in Kontakt. Den Start bildet ein Kick-off-Workshop, bei dem Ideen gesammelt und Pläne definiert werden. Ende April haben das Gloria Theater und EWS Schönau diesen Termin absolviert.
„An diesem Tag hat sich nicht nur gezeigt, wie viel Engagement beide Seiten mitbringen, sondern auch, dass wir gemeinsam noch mehr wertvolle Ideen entwickeln und konkrete Projekte umsetzen können“, sagt Christian Krause, Nachhaltigkeitsmanager von EWS. Grundlage für ein wirksames Handeln sei aber vor allem eine genaue Analyse des Ist-Zustandes. Das betont auch Ralf Weiß: „Es ist wichtig, Maßnahmen zu definieren, die sich auch innerhalb eines Jahres umsetzen lassen. Die ganz große Investition mit längerfristig zu beantragenden Fördergeldern wird es also eher nicht sein. Aber zum Beispiel könnte man sich als Kultur-Veranstalter durchaus das Thema Energie und Beleuchtung vornehmen.“
Gemeinsam mutig anpacken
Für den Partner im Theater hat EWS nur Lob übrig: „Wir wollen auch sichtbar machen, wie engagiert das Gloria-Team die letzten Jahre bereits für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit gearbeitet hat, ohne das bislang besonders herauszustellen“, sagt Krause. Die Tandem-Partner kannten sich bereits vor der Zusammenarbeit, aber nun soll die Beziehung vertieft werden. „Uns verbindet die Überzeugung, mutig Dinge anpacken zu müssen und vielleicht auch einmal etwas zu wagen, damit außergewöhnliche Projekte gelingen können. Genau dies braucht es auch im Engagement gegen die Klimakrise“, sagt Philipp Appenzeller, Regionalmanager von EWS.
Die ersten Ideen klingen schon vielversprechend. So werde man gemeinsam prüfen, inwieweit vor Ort Photovoltaik-Lösungen umsetzbar sind, um das Theater über den Ökostrom-Bezug und Energiesparmaßnahmen hinaus auch direkt mit Sonnenenergie versorgen zu können, erklärt Krause. Ein weiterer Aspekt sei das Thema Mobilität: für ein Theater im ländlichen Raum mit etwa 35.000 Besucher*innen im Jahr eine große Herausforderung. „Hier wird es um ÖPNV, Radverkehr aber auch Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge gehen“, sagt Christian Krause von EWS.
Auch Theater-Publikum soll profitieren
Aber es gibt auch noch andere Ideen, wie Jochen Frank Schmidt, Intendant des Gloria-Theaters berichtet. So sollen mit dem Klima-Kultur-Ticket Theater-Besucher*innen und Kund*innen von EWS aktiv beim gemeinsamen Klimaschutz eingebunden werden. „Wenn Menschen ihren Besuch im Gloria nachhaltiger gestalten, helfen sie dem gemeinsamen Ziel und erzielen eine zusätzliche Wirkung. Davon sollen die Besucher*innen auch direkt profitieren.“ An diesem Konzept wird nun weitergearbeitet, das Ergebnis soll zum Ende des Projektjahrs der Öffentlichkeit präsentiert werden.
In der Initiative Culture4Climate wird das 2N2K-Netzwerk diesen Prozess weiter begleiten und strukturieren. Zum Beispiel durch vierteljährliche Tandemberatungen, die Raum schaffen sollen, damit alle Beteiligten an ihren Themen dranbleiben können. Es soll auch Hospitationen geben. So wird jeweils eine Person eine Woche lang von einem Partner zum anderen wechseln, um Erfahrungen und Wissen auszutauschen.
Mit einer Klima-Partnerschaft sei es aber noch nicht getan, sagt Ralf Weiß von C4C. Acht bis zehn Tandem-Partnerschaften sollen es pro Jahr werden. „Wir sind ein innovatives Programm. Neben den Tandems etablieren wir gerade ein Förder-Coaching für Kultureinrichtungen, denn zum einen gibt es nicht viele Töpfe und zum anderen braucht, wer in dem Thema nicht drin ist, gerade da Unterstützung.“
Für Ralf Weiß ist der Auftrag klar. Klimaschutz sei oft sehr negativ besetzt, sagt er, es gehe in der Öffentlichkeit oft nur um Verbote und Reduktion. „Doch unser Ansatz ist, dass Kultur ein Weg sein kann, positiv an das Thema heranzugehen“, sagt Weiß. Für eine Nachhaltigkeit, die hier – im Gegensatz zur Wissenschaft, die aus dem Kopf kommt – vielleicht ein bisschen mehr aus dem Bauch, wenn nicht sogar aus dem Herzen kommt.