Die Menschheit hat ein P-Problem

Ohne Phosphor können Menschen, Tiere und Pflanzen nicht leben. Doch das Gros der ohnehin knappen Ressourcen liegt in politisch instabilen Regionen. Da es keinen Ersatz für den lebensnotwendigen Rohstoff gibt, werden Recycling und Einsparen wichtiger. Forscher entwickeln neue Techniken.
Bisher findet Phosphor, chemisches Symbol „P“, vor allem Erwähnung im Zusammenhang mit den sogenannten Todeszonen in der Ostsee. Tatsächlich gelangt der Mineralstoff als ein Bestandteil neben Stickstoff im Dünger über die Flüsse ins Meer, bringt dort Algen zum Blühen. Diese verwesen, das entzieht dem Wasser Sauerstoff, das trägt zum Artensterben in Meeresgebieten bei. Doch machen Experten nun in anderer Art und Weise auf Phosphor aufmerksam.
„Der Stoff der intensiven Landwirtschaft wird zur Neige gehen“, warnt Wilfried Bommert. Er ist Vorstand vom Institut für Welternährung in Berlin – und meint: „Es ist unklar, wie dann eine schnell wachsende Welt mit heute schon mehr als sieben Milliarden Menschen ernährt werden soll.“
Bommert steht damit nicht allein. Erst vor wenigen Tagen fand in Berlin eine zweitägige europäische Konferenz zur Phosphorbewirtschaftung statt. Florian Pronold, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, sagte zur Eröffnung, sein Ressort werde „Regelungen zur Phosphorrückgewinnung zügig voranbringen.“ Die Europäische Kommission hat Phosphor bereits im Jahr 2014 in die Liste der „kritischen Rohstoffe“ aufgenommen – deren Nachschub auf mittlere Sicht gefährdet ist.
Es gibt keinen Ersatz für den kostbaren Mineralstoff, ohne den keine Zelle, kein einziger biologischer Organismus funktioniert. Er lässt sich auch nicht synthetisch herstellen. Und aus der heutigen industriellen Agrarwirtschaft sind Phosphate, also die Verbindung von Phosphor mit Sauerstoff und anderen Elementen, als Dünger kaum wegzudenken.
Zwar könnte der ein oder andere Landwirt vielleicht mit geringeren Mengen auskommen, aber ein Problem bleibt: Die Nährstoffe werden – anders als es etwa dem Ideal in der Ökolandwirtschaft entspricht – nicht im Kreislauf geführt. Die Wirtschaftszweige sind oft getrennt – hier die Fleischproduktion, die Jauche als Dünger liefert, dort die Pflanzenproduktion, die Dünger braucht.
Nachschub aus Krisenländern
Momentan kommt der Phosphornachschub vor allem aus Gesteinsvorkommen in Marokko und der Westsahara. Dort liegen 75 Prozent aller Reserven. Der Rest wird in China, den USA, Südafrika und Jordanien gewonnen. Qualitativ hervorragende Quellen wie die Guano-Inseln Nauru oder Banaba sind ausgebeutet. Die Phosphatversorgung liegt damit in den Händen weniger Regierungen teils politisch instabiler Regionen.
„Schon allein deshalb muss Deutschland den Umgang mit Phosphor überdenken“, erklärt Inga Krämer vom Leibniz WissenschaftsCampus Phosphorforschung Rostock.  Von einem Peak-Phosphor, wie ihn Wissenschaftler vor wenigen Jahren spätestens für Mitte dieses Jahrhunderts vorhergesagt haben, geht sie indes nicht mehr aus. Der Grund: Mittlerweile hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe vorgerechnet, dass die derzeit wirtschaftlich abbaubaren Phosphatvorkommen noch mindestens 320 Jahre reichen, um den weltweiten Bedarf in der Landwirtschaft zu decken.
Fest steht: Die Vorkommen sind begrenzt. Und schon heute schwanken die Preise. Im Jahr 2008 seien sie kurzzeitig sogar um bis zu 800 Prozent gestiegen, meint Krämer. Mit derartigen Preissprüngen, die an weltweiten Entwicklungen hingen, müsse generell gerechnet werden. Auch weil der Fleischkonsum weltweit steige, nehme der Bedarf an Dünger für die Äcker zu, auf denen das Futter für die Massentierhaltung wachse.
Die Preise schwankten sehr und gingen „seit Dezember 2013 in Europa wieder hoch“, bestätigt Claus Brusenbauch, Vertriebsleiter von ICL Fertilizers Deutschland GmbH in Ludwigshafen, Europas größter Phosphathersteller. Das habe aber vor allem damit zu tun, dass Phosphat auf dem Weltmarkt in US-Dollar gehandelt werde und dieser im Wert gegenüber dem Euro gestiegen sei. Knapp werde der Rohstoff darum so schnell nicht. Dennoch sei es „durchaus sinnvoll“ eine Technik zum Phosphorrecycling zu entwickeln.
Phosphorquelle: Mensch
Als eine der wichtigsten Quellen gilt der Mensch selbst. „Jeder scheidet pro Tag 1,8 Gramm Phosphor aus“, meint Stefan Gäth. Er ist Professor für Abfall- und Ressourcenmanagement an der Justus-Liebig-Universität Gießen und leitet die Deutsche Phosphor-Plattform. Allein aus den Abwässern der Kläranlagen lassen sich bundesweit 30 bis 40 Prozent der Phosphormenge zurückgewinnen, die Deutschland derzeit importiert. Nur ist das Recycling noch wenig wirtschaftlich. Gäth: „Bis sich das rentiert, muss das Primärphosphat vier- bis fünfmal teurer werden als es heute ist.“ Feldversuche gibt es aber längst.
Das Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag gehört zu den Pionieren, die Rohstoffe aus Urin erschließen – wenn auch in kleinem Maßstab. Mal sammelten die Mitarbeiter von Testfamilien in Nepal den Urin ein und gewannen daraus Phosphor in Form des sogenannten Struvit.
Dieses Jahr schließen die Forscher ein Projekt in Südafrika ab: Zusammen mit der Stadt Durban, der Universität KwaZuluNatal und anderen Wissenschaftlern haben sie einen Urinbehandlungsprozess entwickelt, um Nährstoffe zurückzugewinnen. Die örtlichen Behörden hatten zuvor bereits in der Region rund um die Stadt Durban 90.000 Toiletten mit einem separaten Urinsammeltank aufgestellt.
Es gehe nicht nur darum, Phosphor im Kreislauf zu halten, sondern mit allen Nährstoffen besser zu haushalten, sagt der bei Eawag Projektverantwortliche Kai Udert: „Das ist ein völlig neues Denken.“

Weiterführende Informationen

Wilfried Bommert, Institut für Welternährung

Liste der kritischen Rohstoffe, EU

Leibniz WissenschaftsCampus Phosphorforschung

Rechnung zu abbaubaren Phosphatvorkommen, BGR [pdf, 4,8 MB]

Deutsche Phosphor-Plattform

Das Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag