Wird der Konsum auch in Pandemiezeiten nachhaltiger?

Weniger fliegen, seltenere Einkaufsbummel in der Stadt, mehr online bestellen, weniger auswärts essen: Mit der Corona-Krise haben Menschen ihr Konsumverhalten geändert. Was heißt das für das nationale Programm für nachhaltigen Konsum, an deren Neuauflage die Bundesregierung aktuell arbeitet?

Die Nacht in der angesagten Bar entfällt. Der Städtetrip auch. Um durch den Büroalltag zu kommen, müssen nur noch Haare, Hemd und Bluse vor dem Monitor gerichtet werden. Wozu dann einen neuen hippen Fummel kaufen, zumal der Einkaufsbummel in diesem Jahr 2020 mit Maske beschwerlicher geworden ist? Die Deutschen kaufen anders ein. Nur: Was ändert sich genau, wird der Konsum nachhaltiger?

Deutschland hat weltweit als erstes Land schon 2016 ein nationales Programm für nachhaltigen Konsum aufgelegt. Derzeit arbeitet die Bundesregierung an der Weiterentwicklung. Noch bis vor kurzem war der Konsum der privaten Haushalte immerhin für mehr als ein Viertel aller Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich.

Mit der Corona-Krise änderten die Menschen zwar ihr Verhalten, flögen „weniger bis gar nicht“, sagte Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, vor wenigen Tagen auf der Konferenz: „Unverzichtbar: Nachhaltiger Konsum“.

Mancher Einkauf verlagere sich aber einfach ins Internet: „40 Prozent der Deutschen haben mehr Waren online bestellt.“ Die Online-Käuferinnen und Käufer bräuchten, erklärte sie, mehr Informationen. Wie sieht die Lieferkette aus, wie sind die Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern?

Jede und jeder kann was tun

Aus dem nachhaltigen Konsum solle „ein richtiger Trend gemacht werden – so wie bei den Erneuerbaren Energien“, forderte der Chef des Umweltbundesamtes, Dirk Messner. Bürgerinnen und Bürger neigten dazu, die Verantwortung „bei den politischen Entscheidungsträgern und der Industrie abzuladen“. Das sei grundsätzlich auch richtig. „Aber“, sagte er, „wir haben auch als Bürger eine Verantwortung.“ Jede und jeder könne einen Unterschied machen, etwa weniger Fleisch essen, weniger Lebensmittel in den Müll werfen, weniger fliegen, kleinere Autos fahren. Wer will, kann mit dem CO2-Rechner des Umweltbundesamtes seinen persönlichen CO2-Ausstoß bilanzieren – und zentrale Stellschrauben ausmachen.

Das Bewusstsein für diese Konsum-Fragen wächst. Das zeigt auch der Online-Ratgeber „Der Nachhaltige Warenkorb“ , den RENN.süd als Gemeinschaftsprojekt aller Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) herausgibt. „Die Zugriffszahlen haben sich im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich erhöht“, sagt Gunnar Hansen, der die Seite mitbetreut. Besonders interessiert habe viele in den vergangenen Monaten, ob sie mit gutem Gewissen online bestellen können – und wie jede und jeder die Paketlogistik verbessern kann. Auf der Seite findet sich dazu etwa der Tipp: „Stellen Sie sicher, dass Sie zu Hause sind, wenn das Paket angeliefert wird. Oder fragen Sie Nachbarn, ob sie die Sendung annehmen können. Zusätzliche Kilometer verursachen CO2-Emissionen und belasten die Paketfahrerinnen und -fahrer.“

Regionaler Einkauf wird leichter

Anderes „unschönes Thema“, sagt Hansen, sei die Zunahme des Verpackungsmülls. 2018 waren es laut Umweltbundesamt 227,5 Kilo pro Kopf, so viel wie zuvor nicht. Und mit der Corona-Krise sind die gelben Tonnen und Säcke wohl noch voller geworden. In Internetkaufhäusern wird an Plastikhüllen und Noppenfolien kaum gespart. Haben die Restaurants geschlossen, nimmt sich mancher öfter Sushi oder andere Speisen in der Plastikbox mit nach Hause. Das mitgebrachte eigene Gefäß auffüllen zu lassen, ist momentan oft genauso wenig erlaubt wie die Befüllung des eigenen Kaffee-to-go-Bechers. Manchmal gehe es nur darum, über solche Entwicklungen aufzuklären, sagt Hansen.

Der Nachhaltige Warenkorb wolle aber vor allem künftig zeigen, so Hansen, wo vor Ort nachhaltig und regional eingekauft werden kann. So wird die Internetseite in Kürze mit der „Karte von morgen“ vernetzt und regionale Einkaufsführer vorstellen. Dann lassen sich dort bundesweit nicht nur Repair-Cafés und andere Konsumalternativen finden, sondern auch Hofläden, Geschäfte für Ökomode und weitere sozial-faire Anbieter. Wer regional einkauft, schont die Umwelt, weil kürzere Transportwege meist emissionsärmer sind, und stärkt die lokale Wirtschaft.

Ist das nicht nur etwas für Leute, die genug Geld haben? Christian Kastrop, Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium, sagte auf der „Unverzichtbar: Nachhaltiger Konsum“-Konferenz, sozialen Ungleichheiten müsse man „sofort entgegenwirken“ – um die gesamte Gesellschaft mitzunehmen. Anders gesagt: Ohne den Staat wird es nicht gehen, sollen Produkte langfristig öko-sozialer werden. Im April 2021 soll die Weiterentwicklung des nationalen Programms für nachhaltigen Konsum vom Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung verabschiedet werden.