Was der Finanzsektor leisten kann

“Green Finance” und “Sustainable Finance”: Der Beitrag der Kapital- und Finanzmärkte zur nachhaltigen Transformation wird derzeit intensiv diskutiert, unter anderem auf EU-Ebene, auf der PAGE Ministerial Conference in Berlin und innerhalb des Rates für Nachhaltige Entwicklung.

Die Bundesumweltministerin kam direkt auf eines der zentralen Themen der Konferenz zu sprechen: “Green Finance”. Eine Schlüsselaufgabe, sagte Barbara Hendricks bei der Eröffnung der hochkarätig besetzten PAGE Ministerial Conference Ende März in Berlin, bestehe darin, “die großen Finanzströme hin zu nachhaltigen Investments zu lenken, besonders im Bereich der Infrastruktur”.

Während der G20-Präsidentschaft Deutschlands solle der Privatsektor weiter in seiner Fähigkeit gestärkt werden, in nachhaltige, grüne Projekte zu investieren. Außerdem sprach sich die Ministerin für gemeinsame Standards aus, etwa im Bereich Green Bonds. Ob solche Standards sinnvoll sind und wie sie aussehen könnten, diskutierte am Folgetag auch die Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), Marlehn Thieme, auf dem Panel “Transparenz und Transformation”.

Im Rahmen von PAGE – “Partnership for Action on Green Economy” – trafen sich rund 300 Führungspersönlichkeiten aus Regierungen, der Zivilgesellschaft, dem privaten Sektor, von Entwicklungspartnern, aus Medien und breiter Öffentlichkeit in Berlin. Im dortigen Scandic Hotel fand bereits die zweite Veranstaltung dieser Art nach der Auftaktveranstaltung 2014 in Dubai statt.

Alle Teilnehmenden der Veranstaltung – ausgerichtet von Bundesumweltministerium, Internationaler Arbeitsorganisation (ILO), UN-Umweltprogramm (UNEP), UN-Entwicklungsprogramm (UNDP), UN-Forschungs- und Ausbildungsinstitut (UNITAR) und der UN-Organisation für industrielle Entwicklung UNIDO – einte das Ziel herauszufinden, wie Wirtschaft und Finanzmärkte die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) der Vereinten Nationen und des Klima-Übereinkommens von Paris unterstützen können.

Wir haben keine Pläne”

Eröffnet wurde die Konferenz unter anderem durch einen Vortrag von Jeffrey Sachs. Den Kampf für nachhaltige Entwicklung bezeichnete der US-Ökonom als eine “sehr ungewöhnliche Schlacht”: “Wir gewinnen nicht. Wir haben nicht verloren”, sagte der Wissenschaftler, der Direktor des UN Sustainable Development Solutions Network und des Earth Institute an der Columbia University ist. Seine Kritik konzentrierte sich dabei vor allem auf die Umsetzung der Energiewende. Sie sei ohne detaillierte Planungsstrategie nicht umsetzbar. Aber obwohl bereits heute sehr viel über die technischen Möglichkeiten bekannt sei, fehlten solche Pläne, kritisierte Sachs, mit Ausnahme einiger weniger Länder. Der Markt allerdings werde das Problem nicht allein lösen.

Denn die Logiken einer nachhaltigen Entwicklung und der Finanzmärkte widersprechen sich. Darauf zielte auch die Forderung des AXA-Vorstands Thimann: Es gelte, die Kurzfristorientierung der Finanzmärkte zu überwinden, sagte der Vorsitzende der vor kurzem von der EU-Kommission berufenen „High-Level Expert Group on Sustainable Finance”, der in der Unternehmensleitung des Versicherers zuständig für Regulierung und Nachhaltigkeit ist.

Green Finance – im weiteren Sinne die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung, im engeren Sinn die Gegenfinanzierung der Schäden durch den Klimawandel – ist auch einer der Schwerpunkte des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), wie aus seinem im Februar beschlossenen Arbeitsprogramm bis 2019 hervorgeht. Auf der PAGE-Konferenz sprach sich die RNE-Vorsitzende Marlehn Thieme für “smarte Ko-Regulierungsprozesse unter Einbeziehung privater und politischer Akteure” aus und unterstrich, welchen Beitrag positive Anreizsysteme und Transparenz leisten könnten.

Forum für persönlichen Austausch

Diese Gedanken fließen auch in ein so genanntes “Living Document” ein, an dem der Rat derzeit arbeite, berichtete die RNE-Vorsitzende. Dieses Diskussionspapier dient als Gesprächsgrundlage: „Auf dieser Basis beginnt der Rat eine ganze Reihe von Gesprächen, um den Gedanken eines ‘German Hub for Sustainable Finance’ zu konkretisieren”, sagt Ratsmitglied Alexander Bassen, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg, der den Entwurf gemeinsam mit RNE-Ratsmitglied Achim Steiner, Direktor der Oxford Martin School und kürzlich ernannter Leiter des UN-Entwicklungsprogrammes (UNDP), und dem RNE-Generalsekretär Günther Bachmann verfasst hat.

Von jenem “German Hub for Sustainable Finance” verspricht sich Bassen viel: “Die Frage ist, ob und wie sich in Deutschland und Europa die Kräfte entwickeln und bündeln lassen – zu einer Art Forum, das die Akteure vernetzt, den Erfahrungsaustausch ermöglicht, selbstorganisierte Standards anregt und Plattform für Partnerschaften ist.”

Green Finance sei zumindest im deutschsprachigen Raum immer noch ein Nischenmarkt, sagt der Wissenschaftler. Allerdings sieht er aktuell ein Zeitfenster, um das Thema nach vorne zu bringen – etwa im Vorfeld des anstehenden G20-Treffens. Für Bassen stellt vor allem der Austausch zwischen den Akteuren einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar: “Es bräuchte einen viel intensiveren Austausch zwischen der politischen Ebene, den Ministerien und den Marktteilnehmern, also zum Beispiel Fondsmanagern”, sagt er. “Es geht uns also darum, dass die Akteure ins Gespräch kommen und Verständnis füreinander entwickeln. Nur so lässt sich etwas verändern.”