Solarindustrie tut sich wieder schwerer mit Innovationen

Gerade erst hat der Bundestag eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beschlossen. Die Energiewende soll nicht nur den Ausstoß an Treibhausgasen senken, sondern auch zukunftssichere Arbeitsplätze in grünen Wachstumsbranchen schaffen und sichern. Doch besonders die Solarstrom-Branche verliert in Deutschland Arbeitsplätze und Innovationskraft. Experten halten eine Umorientierung für nötig.

Mit etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr bezuschussen deutsche Verbraucher den Strom aus Solar-, Wind-, Biogas-, und Wasserkraftanlagen. Deutschland habe seine ambitionierte Politik für erneuerbare Energien wirtschaftlich mit einer sogenannten First-Mover-Strategie gerechtfertigt, sagt Klaus Rennings vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim: „Die Idee war folgende: wenn wir als erste die Märkte für Wind- und Solarenergie aufbauen, werden wir sie ein paar Jahre später dominieren.“ Es mehren sich allerdings die Hinweise darauf, dass der Wettbewerb auch bei Technologien für die Energiewende härter wird.

„Europa ist nicht in allen Bereichen führend, andere Länder und Regionen haben teilweise rasch aufgeholt“, schrieb das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Februar. Neu zugelassene Autos verbrauchten in Japan durchschnittlich 0,7 Liter weniger Kraftstoff auf 100 km als in Europa, innerhalb der Europäischen Union (EU) schrieben die skandinavischen Länder deutlich höhere Standards in der Wärmedämmung vor als Deutschland, Japan melde mehr Patente für grüne Technologien an als die gesamte Europäische Union, die USA etwa halb so viele wie die 27 Staaten der EU.

Sogar bei den hierzulande so stark geförderten Ökostrom-Technologien büßten deutsche Unternehmen zuletzt an Innovationskraft ein, wenn man dies an der Zahl der Patente misst. Meldeten deutsche Firmen 2011 noch 730 Patente für Solarenergie & Co. an, waren es ein Jahr später 703 und im vergangenen Jahr nur noch 672 Patente, belegen neue Zahlen des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA).

Nur Windindustrie legt zu

Stetig zulegen konnte an Patenten allein die deutsche Windindustrie, weiter bergab ging es im vergangenen Jahr dagegen bei Biomasse, Wasserkraft, Erdwärme und besonders der Solartechnologie: Bei der Gewinnung von Strom (Photovoltaik) und Wärme (Solarthermie) meldeten deutsche Firmen 2013 nur noch 254 Patente an, fast ein Viertel weniger als im Rekordjahr 2011, als es noch 329 Schutzanträge waren.

Den Einbruch bei der Solarenergie erklärt das DPMA mit dem starken Preisverfall von Photovoltaikmodulen und den Einschnitten bei der EEG-Förderung. Weil chinesische Anbieter massenhaft Module in den Markt drückten und die Preise deshalb abrutschten, hat Deutschland die Vergütung von Solarstrom seit Mitte 2010 um bis zu zwei Drittel gesenkt.

In der Folge meldeten mehrere deutsche Modulhersteller Insolvenz an, verkauften Unternehmensteile oder wurden von asiatischen Konkurrenten übernommen. Bei den verbliebenen Firmen seien die Margen gesunken, deshalb hätten sie auch weniger in Forschung und Entwicklung investiert, berichtet Bernd Rech, Leiter des Helmholtz-Zentrums Berlin. Auf dem Arbeitsmarkt sind die Folgen immer noch spürbar. Im vergangenen Jahr gingen in der deutschen Solarindustrie 45.000 Arbeitsplätze verloren, meldete das Bundeswirtschaftsministerium Ende Mai.

Experten sehen für Deutschlands Grünstrom-Industrie allerdings weiter Wachstumschancen, wenn sie sich umorientiert. „In der Modulherstellung steht Deutschland derzeit auf verlorenem Posten, das ist Lowtech“, sagt Rennings. Viel mehr Ingenieurskunst sei für komplexe Systemlösungen nötig.

Hersteller von intelligenten Wechselrichtern sorgen beispielsweise dafür, dass Haushalte mit Solarmodulen und Speichern einen möglichst großen Teil ihres Strombedarfs selbst decken und gleichzeitig das Stromnetz entlasten. Bei Solarzellen sei Deutschland immer noch führend in Hocheffizienztechnologien, berichtet Rech. Zudem sei die Windindustrie ein Hightech-Markt, in dem Deutschland durch seinen starken Maschinen- und Anlagenbau weiter Wettbewerbsvorteile habe, erklärt Rennings.

Für große Windenergieanlagen an Land und erst recht auf See brauche es gute Ingenieure, indische und chinesische Hersteller könnten bislang nur kleinere Anlagen fertigen. Dazu passen die Beschäftigtenzahlen. Die Windindustrie beschäftigte im vergangenen Jahr laut Bundeswirtschaftsministerium 16.000 Menschen mehr als 2012, obwohl der Weltmarkt um ein Fünftel schrumpfte.

Neue deutsche PV-Modelle

In der Solarindustrie ist vielleicht noch etwas Geduld nötig, bis sich wieder Erfolge einstellen. Seit 2010 hat die Bundesregierung Förderprogramme mit einem Volumen von 150 Millionen Euro aufgelegt, um die Entwicklung besserer Photovoltaik-Technologien zu fördern. Das erste Projekt aus diesem Paket hat die Industrie erst Anfang dieses Jahres abgeschlossen.

Die neuen Module erzeugen etwa ein Fünftel mehr Strom als gängige Modelle und sollen 30 Jahre lang halten. In ein paar Jahren könnte vielleicht sogar die Modulfertigung wieder nach Europa zurückkehren, mutmaßt Rennings. Wenn die Herstellungskosten stark genug sinken, würde sich irgendwann der Transport aus Asien nicht mehr lohnen.

Auf die bereits erreichten Erfolge der Solarenergie verweist Alexander Müller, Mitglied des Rats für Nachhaltige Entwicklung (RNE): „Maßgeblich durch die deutsche Förderpolitik ist der Preis für Solarstrom seit der Jahrtausendwende von 60 Eurocent pro Kilowattstunde auf circa 10 Eurocent bei modernen Anlagen gefallen.“ Deutschland müsse diesen Erfolg global unbedingt besser kommunizieren.

Weiterführende Informationen

Jahresbericht 2013 des Deutschen Patent- und Markenamtes [PDF, 8,8 MB]

Mitteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom 5.2.2014

BMWi-Gutachten Beschäftigung durch erneuerbare Energien in Deutschland [PDF, 333 kB]

Innovationsallianz Photovoltaik