Nachhaltigkeit? Geht auch in Corona-Zeiten

Das Engagement für Energiesparen, gegen Lebensmittelverschwendung und Müllflut ist zum Erliegen gekommen? Von wegen. Bürgerinnen und Bürger, soziale Einrichtungen, Unternehmen und andere haben bei den Deutschen Aktionstagen Nachhaltigkeit 2020 kreativ auf Covid-19 reagiert – und neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewonnen.

„Die Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit sind das Sinnbild für gelebte Nachhaltigkeit. Jede und jeder kann mitmachen und mit seinem oder ihrem Beitrag im Alltag zeigen, dass das Momentum für mehr Nachhaltigkeit jetzt ist. Das beweist auch der Rekord an Aktionen in diesem für uns alle so schwierigen Jahr. Den Weg aus der Krise finden wir nur gemeinsam, er muss am Leitbild der Nachhaltigkeit orientiert sein um uns in eine lebenswerte Zukunft zu führen – und die DAN machen vor, wie das konkret geht.“

Werner Schnappauf, Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung

Das Engagement für Nachhaltigkeit ist nicht aufzuhalten, auch nicht in der Corona-Krise. In den vergangenen Monaten mussten sich viele zunächst in der neuen Situation zurechtfinden. Dennoch lassen sich Bürgerinnen und Bürger, Kirchen, soziale Einrichtungen, Unternehmen, Vereine und Verwaltungen kreative Projekte etwa gegen Lebensmittelverschwendung, zur Müllvermeidung oder zum Energiesparen einfallen. Das haben die Deutschen Aktionstagen Nachhaltigkeit (DAN) 2020 mit mehr als 2.150 Aktionen gezeigt. Sie fanden im Rahmen der Europäischen Nachhaltigkeitswoche statt. In den EU-Staaten gab es insgesamt mehr als 4.050 Projekte und Initiativen. Doch so viele Initiativen wie in Deutschland gab es sonst nirgends.

Kreativ und digital

Die Aktionstage gibt es schon seit acht Jahren. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung hatte sie anlässlich des UN-Gipfels für nachhaltige Entwicklung 2012 in Rio de Janeiro ins Leben gerufen, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass nicht nur Staats- und Regierungschefs nachhaltig handeln und entscheiden können, sondern jede und jeder Einzelne. „Das Wichtigste ist einfach anzufangen“ erklären Jenny Wilke und Tina Röbel von den Changestarters in Hamburg, die sich als Netzwerk für Nachhaltigkeitsinitiativen in Hamburg verstehen und jeden Monat zu einem „Nachhaltigkeitsevent“ einladen.

Dieses Jahr war alles ein wenig anders. Das fing beim Datum an. Denn eigentlich finden die DAN immer im Frühjahr statt, diesmal wurden sie – wie die Europäische Nachhaltigkeitswoche insgesamt – wegen Covid-19 in den Spätsommer verlegt: in die Woche vom 20. – 26. September, mit Puffer für Aktionen bis zum 8. Oktober. Damit fielen sie nicht nur auf das 5-jährige Jubiläum der SDGs und den nächsten Globalen Klimastreik, sondern lagen erstmals auch im Zeitraum der globalen Aktionswoche „Global Week to #Act4SDGs“. Vor allem aber sind die Aktionstage digitaler geworden, so haben die Teilnehmenden kreativ auf die Corona-Krise reagiert. Und erstmals haben bekannte Bloggerinnen und Blogger mitgemacht.

Mia Marjanovic zum Beispiel, die unter dem Namen „heylilahey“ seit Jahren über Nachhaltigkeit, faire Mode und Naturkosmetik schreibt. Sie hat sich selbst einer Zero Waste Challenge gestellt. Eine Woche lang hat sie versucht, keinen Müll zu produzieren, hat unverpackte Lebensmittel gekauft, versucht Produkte wieder zu verwenden oder selbst zu machen. Ihre Erfahrungen hat sie mit ihren Fans in einem YouTube-Video geteilt.

Upcycling: T-Shirts bedruckt

Oder Anna Schunck und Marcus Werner vom Viertel/Vor Magazin, das sich mit Klimaschutz, bewusstem Konsum und Nachhaltigkeit beschäftigt. Sie haben eine Upcycling-Aktion veranstaltet: Alte Textilien wurden mit neuen Prints versehen. Schunck meint: „Wir hatten einen wunderschönen Tag mit unseren Followern und alle freuten sich sehr über ihre neuen Shirts, Pullover oder Taschen mit unseren nachhaltigen Statements drauf. Hoffentlich machen in Zukunft noch mehr Menschen bei den #tatenfuermorgen mit, damit wir noch mehr Aufmerksamkeit darauf lenken, was wirklich wichtig ist.“

Auch die bundesweit vier Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) haben wieder mit eigenen Formaten zum Erfolg beigetragen und darüber hinaus die Aktionstage beworben, die bewiesen hätten „wie viel Nachhaltigkeit allerorten bereits gelebt und diskutiert wird“, sagt Josef Ahlke, Vorstandsvorsitzender des Vereins Zukunftsfähiges Thüringen und Projektleiter von RENN.mitte in Thüringen. Er meint: „Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik kann und sollte Mut fassen, all dies als Teil des Gemeinschaftswerkes für eine nachhaltige Transformation weiter zu stärken.“

Rekordverdächtige Partnerkampagne

Zumal: Der Zusammenhalt derjenigen, die sich für Nachhaltigkeit stark machen, war in diesem Jahr besonders groß. Die Hamburger Klimawoche, die Europäische Mobilitätswoche, die Interkulturelle Woche, das ökoRAUSCH Festival und viele weitere Partner haben sich mit den DAN unter #gemeinsamfuermorgen zusammengeschlossen, um sich für eine nachhaltige Zukunft zu engagieren. Dabei ist ein Rekord von 10.726 Aktionen unter dem Dach der Partnerkampagne #gemeinsamfuermorgen entstanden. Auch die Faire Woche des Forums Fairer Handel war dabei. Julia Lesmeister, die diese leitet, sagt: „Nur gemeinsam können wir die dringend notwendige sozial-ökologische Transformation vorantreiben.“

Das alles heißt: Nachhaltigkeit gerät in Corona-Zeiten nicht ins Hintertreffen, im Gegenteil. Viele Menschen wollen den notwendigen öko-sozialen Umbau voranbringen, auch nach dem Motto: „Jetzt erst recht“