Lieferketten globaler Konzerne auf dem Prüfstand

In den letzten Jahren versuchen immer mehr Konzerne, ihre Lieferketten in den Griff zu bekommen. Sie erklären, nachhaltiger und klimaschonender produzieren zu wollen. Es gibt Fortschritte, allerdings eher langsame, wie ein neuer Oxfam-Bericht zeigt. Immer mehr Konzerne erkennen zwar, dass ihre Lieferketten durch den Klimawandel gefährdet sind – reagieren aber träge.

Reagieren internationale Konzerne auf den Klimawandel und wenn ja warum? Aus Verantwortung oder weil sie mit Blick auf die komplexen Lieferketten eine Gefahr für ihre Geschäfte befürchten? Tara Norton kann die Frage nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten.

Sie ist Direktorin der Abteilung Nachhaltige Lieferketten der Organisation Business for Social Responsibility (BSR), einer internationalen Organisation, in der mehr als 250 Großkonzerne Mitglied sind. BSR will die Frage der Nachhaltigkeit von Lieferketten im Jahr des wichtigen UN-Klimagipfels von Paris im Dezember in den Mittelpunkt rücken und stellt demnächst eine Studie dazu vor.

„Die Konzerne, mit denen wir gesprochen haben, besonders aus dem Agrarsektor, akzeptieren längst, dass es einen Klimawandel gibt und dass man etwas dagegen unternehmen muss“, sagt sie.

Norton verweist auf einen Bericht der Walmart-Tochter ASDA, nach dem nur fünf Prozent von frisch angebotenen Nahrungsmitteln nicht vom Klimawandel betroffen sein werden. Paul Polman, Chef des Verbrauchsgüterkonzerns Unilever mit Marken wie Rama, Ben & Jerry’s, Knorr oder Axe, spricht sogar von jährlich 300 Millionen Dollar Verlust für sein Unternehmen, weil mit dem Klimawandel verbundene Naturkatastrophen oder Wasserprobleme Nahrungsmittelpreise steigen lassen.

Daten von über 3.400 Zulieferern

Als Indikator steigenden Problembewusstseins führt Norton etwa an, dass immer mehr Konzerne sich mit der Frage beschäftigen, wie sie ihre Lieferketten anpassen können. Wie es um diese Bemühungen steht, zeigt der jährlich erscheinende Supply Chain Report der britischen Organisation Carbon Disclosure Project (CDP), die Daten zu Treibhausgasemissionen von Unternehmen und Kommunen sammelt.

2014 haben immerhin 66 Konzerne Daten darüber geliefert, wie ihre fast 3.400 Zulieferer weltweit mit Wasser und Klimarisiken umgehen – so viele wie nie zuvor. Allerdings sehen die Autoren der Studie kaum Fortschritte der globalen Wirtschaft im Kampf gegen den Klimawandel: „Alle Indikatoren stagnieren oder haben sich nur marginal verbessert“, heißt es. Als Gründe führen sie unsichere Regulierungsvorgaben durch die Staaten oder volatile Energiepreise an.

Grund der zögerlichen Anpassung könnte sein, dass bisher die wenigsten Unternehmen massive Probleme in ihren Lieferketten sehen. Manche spekulierten vielleicht darauf, so Norton, als Anpassungsstrategie an den Klimawandel schlicht auf Zulieferer aus Gebieten wechseln zu können, die weniger betroffen sind.

Allerdings klingt das leichter als es ist: „Die Zulieferketten von Großkonzernen, bis zurück zu den Rohstoffen, sind extrem komplexe Geflechte“, sagt Norton. Lieferketten zu verlegen bedeutete Kosten und Risiken, zumal einige Produkte wie etwa Kaffee auch nicht einfach an beliebigen Orten angebaut werden können. Nortons Fazit: Unternehmen müssten erkennen, dass es langfristig günstiger sein kann, Zulieferern bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen, statt sie einfach zu wechseln.

Oxfam: Auch Staaten sind gefragt

Ähnlich formuliert das auch Penny Fowler, die sich als Chefin des Teams für Privatwirtschaft bei der Umweltschutzorganisation Oxfam mit Lieferketten bei Konzernen beschäftigt. Sie empfiehlt Unternehmen im Interesse guter Produkte, langfristige Beziehungen zu den Zulieferern aufzubauen und diese bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen.

Auch Oxfam liefert Hinweise darauf, dass multinationale Konzerne allmählich umdenken: Seit Februar 2013 veröffentlicht die Organisation regelmäßig das Nachhaltigkeits-Ranking „Behind the Brands“ der elf größten Verbrauchsgüter- und Lebensmittelkonzerne.

Untersucht werden auch der Umgang mit Arbeitern, der Land- und Wasserverbrauch oder Frauenrechte. Durch öffentlichen Druck adressieren einzelne Konzerne wie Coca Cola oder Pepsi Probleme wie etwa Landraub beim Zuckeranbau immer stärker – die Ergebnisse in den Rankings haben sich insgesamt deutlich verbessert.

Allerdings räumt Fowler auch ein, dass die Überwachung von Zulieferketten durch die Konzerne schwer bis unmöglich sei – Oxfam konzentriert sich deshalb auf eine Überprüfung der Qualität und Tiefe der von den Konzernen formulierten Strategien.

Trotz des positiven Trends müssten alle Unternehmen deutlich mehr tun, um ihre Lieferketten in den Griff zu bekommen, sagt Fowler. Gefragt sei aber auch die internationale Staatengemeinschaft, die auf der UN-Klimakonferenz in Paris eine globale Finanzierung zur Anpassung an den Klimawandel auf die Beine stellen müsse.

Weiterführende Informationen

Behind the Brands Kampagne von Oxfam

Supply Chain Report 2014-15, CDP [pdf, 3,9 MB]

Blog von Tara Norton

Leitfaden für mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette [pdf, 3,4 MB]

Beispiel einer Bilanzierung von Umweltrisiken