Klasse Gemüse: GemüseAckerdemie erneut prämiert

Mangos wachsen im Wald? Viele Kinder und Jugendliche wissen nicht, woher Obst und Gemüse kommen. Das will die GemüseAckerdemie ändern, die als Transformationprojekt Nachhaltigkeit 2019 ausgezeichnet wurde. Sie bringt den Acker zur Schule, die Kinder sind begeistert.

Gurke, Tomate und Kartoffel kennen viele Kinder und Jugendliche nur aus dem Supermarkt. Das will Christoph Schmitz ändern, sein Ziel heißt: „Eine Generation, die weiß, was sie isst“. Dafür hat er in Potsdam den Verein Ackerdemia gegründet und die Gemüse-Ackerdemie ins Leben gerufen. Die wurde jetzt als eines von vier Projekten bei rund 500 Bewerbern als „Transformationsprojekt Nachhaltigkeit 2019“ ausgezeichnet. Mit ihr können Kinder und Jugendliche selber ackern, erleben wie Gemüse wächst und Natur funktioniert.

Wer in der Stadt aufwächst, hat selten die Chance zu sehen, wie genau für Essen geackert wird. Und die Zahl der in Deutschland auf dem Land lebenden Menschen von heute 18,7 Millionen Menschen wird, so schätzen die Vereinten Nationen, im Jahr 2050 auf 12,4 Millionen zurückgehen.

Ein Huhn – ein Ei?

Der Jugendreport Natur hat schon 2016 gezeigt, dass viele Kinder und Jugendliche wenig Ahnung haben von Natur und Landwirtschaft. Nur jede*r dritte befragte Schüler oder Schülerin wusste, dass die Sonne im Osten aufgeht. Wie viele Eier ein Huhn am Tag legen kann, konnten nur 19 Prozent der Jugendlichen richtig sagen – ein Ei. Und manche vermuteten, dass Mangos in hiesigen Wäldern wachsen.

Schmitz, selbst auf dem Bauernhof aufgewachsen, Agrarwissenschaftler und Volkswirt, der viel zur Landwirtschaft geforscht hat, will diese Wissenslücken schließen – mit seiner Gemüse-Ackerdemie. Mit ihr sorgt er dafür, dass Kinder besser wissen, wo die Möhre und die Kartoffel herkommen, die sie essen. Die Sozialkompetenz fördere es zudem, meint Schmitz.

Jedes Jahr veröffentlicht Ackerdemia einen „Wirkungsbericht“. Demnach ernten die Kinder auch Teamgeist. Eine Lehrerin wird darin zum Beispiel so zitiert: „Verhaltensauffällige Kinder im Unterricht werden zu unauffälligen und sehr fleißigen Kids!“ Auf dem Acker macht das Motto „Viele Hände, schnelles Ende“ einen neuen Sinn. Ein anderes Kind erzählt: „Wir haben mit der Jätekralle das Unkraut weggemacht. Das war ganz schön anstrengend.“ Wer weiß, wie viel Arbeit das Gemüse macht und dass eine Möhre 26 Wochen wachsen muss, bevor sie geerntet wird, schätzt das Essen mehr, schmeißt es seltener weg. Ein Schulkind sagte denn auch: „Knubbelgemüse – da haben wir gelernt, dass es ganz gleich schmeckt, bloß, dass es halt weggeschmissen wird, weil die Leute das nicht kaufen.“ Derzeit landen im Jahr allein in Deutschland fast 11 Millionen Tonnen Essen im Müll.

Immer mehr Schulen, Kitas machen mit

Schmitz bringt den Acker zu den Schülerinnen und Schülern. Das Projekt ist auch schon von Bundeskanzlerin Angela Merkel für das ehrenamtliche, soziale Engagement geehrt worden. Auch die Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien fanden es 2018 schon preiswürdig. Sie haben es nun noch einmal gekürt – für die Beharrlichkeit, vor allem aber für die Breitenwirkung.

Josef Ahlke von RENN.mitte erklärt für die Jury: „Nach wie vor sind wir überzeugt vom Mehrwert des Projektes und auch das große Wachstum des Programms hat uns bewogen die GemüseAckerdemie Potsdam erneut als Projekt Nachhaltigkeit auszuzeichnen. Wir freuen uns sehr, dass aktuell auch die Ausdehnung nach Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erfolgt.“

Allein 2019 haben über 20.000 Kinder an mehr als 500 Standorten bundesweit mit der Gemüse-Ackerdemie gesät und gepflanzt, gewässert und gehackt, geerntet und geputzt. Alles nach ökologischen Kriterien. Bis zu 25 verschiedene Gemüsesorten können die Kinder dann dort innerhalb eines Jahres anbauen. Sie können beobachten, wie sie wachsen und sie merken, wie viel Arbeit es bedeutet.

Jeder findet einen Garten

Schmitz und seine Kolleginnen und Kollegen richten sich gezielt an Kitas und Schulen. Sie hätten zumeist eine Fläche, die sich für einen kleinen Garten eigne. Wahlweise ließen sich aber auch Beete im Klassenraum anlegen. Wer finanzschwach ist, kann mit Geld- und Sachspenden unterstützt werden, auch das Bundeslandwirtschaftsministerium beteiligt sich.

Zu Beginn hilft das Ackerdemia-Team noch, ehrenamtliche Acker-Helfer sind auch dabei. Später machen die Schülerinnen und Schüler die Ackerarbeit mit ihren Lehrerinnen und Lehrern allein. Die Gemüse-Ackerdemie begleitet das ganze Jahr aber mit Unterrichtsmaterialien und Übungen. Am Ende steht dann: Klasse Gemüse.