Klagerecht für Umweltverbände gestärkt

War die Umwelt durch den Menschen gefährdet, konnten Naturschutz-organisationen bisher nur gegen neue Bauprojekte wie Kraftwerke oder Straßen klagen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die rechtlichen Möglichkeiten von den Umweltministerien anerkannter Verbände durch ein aktuelles Urteil deutlich erweitert.

Im aktuellen Fall ging es um die Einhaltung der EU-Richtlinie zur Luftqualität (zunächst: 1999/30/EG, aktuell: 2008/50/EG) in Darmstadt. In ähnlichen Fällen hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bereits mehrere Musterklagen von Anwohnern unterstützt, um zum Beispiel die Einrichtung von Umweltzonen zu erreichen.

„Die Verfahren dauern aber Jahre und oft ziehen die Anwohner in dieser Zeit weg. Dann muss die Klage wieder von vorne anfangen“, sagt DUH-Sprecher Gerd Rosenkranz. Die Kläger müssten außerdem nachweisen, dass die Belastungen mit zum Beispiel Stickoxiden nicht nur an der betroffenen Straße, sondern auch an ihrem Wohnhaus gesundheitsschädlich hoch seien.

Die DUH wollte deshalb ein eigenes Klagerecht für anerkannte Naturschutz-vereinigungen erstreiten und reichte im Februar 2012 vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Klage gegen die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Ballungsraum Rhein-Main des Landes Hessen ein. In dem Luftreinhalteplan legt das Land Maßnahmen fest, um die Einhaltung der Grenzwerte für Luftschadstoffe zu erreichen.

Nach Ansicht der DHU waren diese Maßnahmen jedoch nicht ausreichend. Eine Klage, die im Gesetz so bislang nicht verankert war. Das deutsche Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz sieht für Naturschutzvereine nur Klagen gegen Anlagen vor, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, erläutert der Berliner Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH vertreten hatte. „Das betrifft aber nur etwa 20 Prozent des Umweltrechts“, schätzt der Jurist.

Der Fall kam schließlich vor das Bundesverwaltungsgericht. Dieses entschied, dass anerkannte Umweltverbände vor Gericht prüfen lassen können, ob der Luftreinhalteplan EU-Vorgaben entspricht (BVerwG 7 C 21.12 vom 5. September 2013). Das Gericht beruft sich auf die Aarhus-Konvention über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2011. Der EuGH hatte damals einem slowakischen Umweltverband das Recht zugestanden, gegen den Abschuss von Braunbären zu klagen.

Durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts könnten Umweltverbände nun auch klagen, wenn beispielsweise in eine Wiese arsenhaltiges Abwasser eingeleitet wird, sagt Klinger. Auch Verfahren aus dem Bereich Klimaschutzrecht seien nun möglich. Als Beispiel nennt Klinger ein Verfahren aus Frankreich, in dem dem deutschen Automobilhersteller Mercedes untersagt wurde, Fahrzeuge mit einem klimaschädlichen Kühlmittel zu verkaufen.

DUH: Klagewelle bleibt aus

Die DUH dämpfte aber Befürchtungen vor einer Vielzahl von Verfahren durch den Verband. „Es ist nicht so, dass wir auf das Urteil gewartet haben, um eine Lawine neuer Klagen loszutreten“, sagt Rosenkranz. Auch der Naturschutzbund Nabu erwartet keine großen Änderungen in der Praxis. Das bestehende Verbandsklagerecht biete bereits außerordentliche Möglichkeiten, sagte eine Sprecherin.

Einzelne Medien hatten das Klagerecht der Verbände in den vergangenen Monaten sogar als zu weitgehend kritisiert und den Umweltorganisationen ein Erpressungspotenzial gegenüber Bauträgern unterstellt. Beim Bau von Windparks, einer Auto-Teststrecke und eines Flughafens hatten die Bauherren Kompensationszahlungen an Stiftungen geleistet, aus denen Umweltschutzmaßnahmen wie Moorrenaturierungen finanziert wurden, verwaltet von den Naturschutzverbänden. Bei einer Tagung des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen (Ufu) in Berlin diskutierten die Verbände deshalb Anfang September über den Umgang mit Ausgleichszahlungen nach dem Bundesnaturschutzgesetz und Vergleiche bei Rechtsstreitigkeiten.

Die Organisation Transparency Deutschland forderte von den Umweltverbänden, ihre Argumente für einen Vergleich zu dokumentieren und offenzulegen, einen unabhängigen Mediator einzuschalten und die lokale Bevölkerung schon vor und während der Mediation zu beteiligen. „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Öffentlichkeit Nichtregierungsorganisationen hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit in den letzten Jahren schlechter einschätzt“, sagte die Vorsitzende von Transparency Deutschland, Edda Müller.

Der Naturschutzbund Deutschland will den verschärften Transparenzanforderungen durch eine Erweiterung seiner „Ordnung zur verantwortungsbewussten Führung, Steuerung und Regelung der Arbeit des NABU“ entsprechen. Darin solle beispielsweise geregelt werden, schon während eines Vergleichsverfahrens die Gründe für das Vorgehen der Bevölkerung transparent zu machen, damit erst gar kein falscher Eindruck entstehen könne, sagte eine Nabu-Sprecherin.

Weiterführende Informationen

Pressemitteilung Bundesverwaltungsgericht

Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe

Vom Bund anerkannte Naturschutzverbände

Aarhus-Übereinkommen zu Umweltangelegenheiten