Generationen streiten um passende Bildungsstrategien

Der Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft wird in den kommenden Jahrzehnten immer weiter steigen. Wird sich der demografische Wandel auch auf die politische Entscheidungsfindung auswirken? Dieser Frage ging ein Planspiel im Auftrag des Bundesforschungsministeriums nach.

Mehr als 200 Bürgerinnen und Bürger simulierten beim „Parlament der Generationen“ am 17. und 18. November in Bonn Entscheidungsprozesse in drei Demografie-relevanten Politikfeldern: Bildung, regionale Entwicklung sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Veranstaltet hatte das Planspiel die Akademie für politische Bildung Tutzing zusammen mit anderen Wissenschaftlern im Auftrag des Bundesforschungsministeriums. Die Simulation war Teil des Wissenschaftsjahres 2013 zum Thema „Die demografische Chance“.

Um die Veränderung der Altersstruktur nachzuvollziehen, wurden die Teilnehmer des Planspiels in zwei „Gesellschaften“ eingeteilt, die jeweils die Altersverteilung in den Jahren 2013 und 2050 repräsentierten. Jede Gesellschaft wurde wiederum in repräsentative Alterskohorten unterteilt, nämlich „Starter“ (15 bis 30 Jahre), „Macher“ (31-50), „Könner“ (51-66) und „Kenner“ (ab 67).

In der „Gesellschaft 2013“ gab es beispielsweise 21 Prozent Starter und 22 Prozent Kenner. Weniger ausgewogen war die erwartete Verteilung für 2050, dann wird es voraussichtlich nur noch 15 Prozent Jüngere und 39 Prozent Ältere geben. Für die mittlere Altersgruppe der Macher erwarten die Forscher einen Rückgang des Bevölkerungsanteils von 32 auf 23 Prozent, für die Könner nur eine leichte Abnahme von 25 auf 23 Prozent.

Für jedes der drei Politikthemen hatte ein Wissenschaftler-Team Beschlussvorlagen erarbeitet, über die die Teilnehmer zunächst in Gruppen innerhalb ihrer Alterskohorte debattieren sollten. Anschließend fanden sich die Teilnehmer gemäß der Altersverteilung des jeweiligen Jahres zu thematischen Ausschüssen zusammen, die die finale Abstimmungsvorlage für das Plenum erarbeiten sollten. Der Prozess lehnte sich dabei an parlamentarische Prozesse in einer repräsentativen Demokratie wie Deutschland an.

Im Ausschuss regionale Entwicklung konnten die Mitglieder beispielsweise über eine Art Bürgerhaushalt entscheiden und ein festgelegtes Budget auf die Bereiche Einzelhandelsförderung, öffentlicher Nahverkehr, Pflege, Gesundheitsvorsorge, Kinderbetreuung sowie Jugendarbeit aufteilen. Die Bereiche waren von den Wissenschaftlern so gewählt worden, dass es zu Konflikten zwischen den Generationen kommen konnte. So lag die Hypothese nahe, dass eine jüngere Bevölkerung finanzielle Ressourcen stärker in die Kinderbetreuung und Jugendarbeit lenkt und eine ältere Bevölkerung eher in Pflege und Gesundheitsvorsorge.

Gruppen verhalten sich konsistent

Tatsächlich verhielten sich die Gruppen jedoch eher konsensorientiert, sodass die Beschlüsse der beiden Gesellschaften für 2013 und 2050 nahezu gleich waren, berichtet Andrea Dittrich-Wesbuer vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung. Die Mittel sollten nach den Beschlüssen in Kinderbetreuung, Pflege und den Nahverkehr fließen.

„Die ältere Generation hat offensichtlich gedacht ‘Wir brauchen jemanden, der sich um uns kümmert‘ und die meisten Jüngeren wollten vielleicht nicht selbst die Pflege übernehmen“, vermutet Dittrich-Wesbuer. Unterschiede gab es allerdings in der Frage der Zuständigkeiten. Die jüngere Gesellschaft von 2013 wollte die Kommunen individuell entscheiden lassen, wofür sie ihr Budget ausgeben. Die ältere Gesellschaft 2050 wollte mehrheitlich kleinteiligere Regelungen und feste Mindeststandards für alle finanziellen Bereiche.

Stärkere inhaltliche Differenzen gab es beim Thema Bildung. Der Ausschuss hatte die Wahl, den schulischen und vorschulischen Bereich stärker zu fördern oder die berufliche Weiterbildung und Bildungsangebote für Ältere wie zum Beispiel Computerkurse. Auch hier einigten sich zwar beide Gesellschaften auf eine Variante, nämlich die (vor)schulische Bildung.

Die ältere Generation versuchte allerdings nachdrücklich, Elemente des lebenslangen Lernens in den Beschluss hineinzuverhandeln, berichtet Harald Wilkoszewski vom Center for Educational Research and Innovation der OECD. Offensichtlich sei das Bedürfnis groß gewesen, durch die Beherrschung neuer Technologien länger ein selbstbestimmtes Leben zu führen und auch die Notwendigkeit von Assistenz- und Pflegemaßnahmen hinauszuzögern, so Wilkoszewski.

Im 2050er-Ausschuss konnten sich die Starter außerdem nicht damit durchsetzen, den größten Teil des Budgets für die Lehrerfortbildung auszugeben. „Die junge Generation konnte also nicht mehr selbst entscheiden, was für sie gut ist“, urteilt der Wissenschaftler. Die junge Generation habe schlicht ein Ressourcenproblem gehabt.

Die nur fünf Starter hätten sich im 40 Mitglieder zählenden Ausschuss im Gegensatz zu einzelnen Älteren keine Pausen gönnen können und hätten permanent unter Arbeitsdruck gestanden. Bei einzelnen Entscheidungen wie beim Thema Rente habe sich zudem die rhetorische und argumentative Überlegenheit der Älteren gezeigt, sagt Professor Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing.

Im Ausschuss Familie und Beruf sprachen sich die meisten Teilnehmer, besonders die mittlere und ältere Generation, für eine flexiblere Lebensarbeitszeit aus. Die meisten Menschen seien bereit, später in Rente zu gehen, wenn sie dafür weniger Wochenarbeitsstunden leisten müssten – vor allem in Phasen wie der Familiengründung, berichtet Münch.

Weiterführende Informationen

Portal des Bundesforschungsministeriums (BMBF) zum Parlament der Generationen

Akademie für politische Bildung Tutzing

Forschungsagenda „Das Alter hat Zukunft“ des BMBF

Demografiestrategie der Bundesregierung