„Ein Ziel unserer Wissensplattform ist der Dialog“ – Interview mit der Geowissenschaftlerin Ute Münch

Mit der Online-Plattform „Erde und Umwelt“  beschreiten die in der Helmholtz-Gemeinschaft  organisierten Forschungszentren einen neuen Weg in der Wissenschaftskommunikation. Welche Rolle Medien und Öffentlichkeit dabei spielen, erklärt die Projektverantwortliche Ute Münch vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ)  in Potsdam.
Wie kam es zu Ihrer neuen Wissensplattform?
Ein Anlass war das Erdbeben vor der japanischen Küste 2011, wo verschiedene Katastrophen ineinandergegriffen haben. Das Erdbeben löste einen Tsunami aus, der wiederum das Kernkraftwerk Fukushima schwer beschädigte. Da fiel uns auf, dass man die Expertise unterschiedlicher Fachrichtungen schnell verfügbar haben sollte. Die Idee zu der Wissensplattform kam dann im Forschungsbereich Erde und Umwelt  der Helmholtz-Gemeinschaft auf, in dem verschiedene Forschungszentren zu naturwissenschaftlichen Themen arbeiten.
Was ist das Ziel der neuen Plattform?
Der Helmholtz-Gemeinschaft geht es darum, objektive Hintergrundinformationen zu geben und Zusammenhänge zu erklären: Was sind zum Beispiel die Konsequenzen, wenn ein Tsunami die Küste trifft oder radioaktiv verseuchtes Meerwasser durch den Ozean treibt?
Bisher sind in der Regel Journalisten die Mittler zwischen Wissenschaftlern und Laien. Warum wenden Sie sich nun stärker direkt an die Öffentlichkeit?
Journalisten sind oftmals an einzelnen Ereignissen interessiert, bieten aber nicht mehr so viel Hintergrundwissen. Wir vermelden nicht nur, dass und wo es ein Erdbeben gegeben hat, sondern wir erklären beispielsweise die Plattentektonik und andere Rahmenbedingungen, unter denen Erdbeben entstehen. Für journalistische Artikel ist das nicht unbedingt relevant.
Die Webseite ihrer Wissensplattform hat eine großzügigere Optik als übliche Institutsseiten. Warum haben Sie sich für diesen Aufbau entschieden?
Wir finden, dass sich Wissenschaft mit Bildern schneller erklären lässt. Neben Fotokacheln bereiten wir Informationen deshalb auch in Grafiken und Karten auf. Auf unserer Webseite können Nutzer auch nach verschiedenen Themen suchen oder Inhalte nach geografischen Regionen filtern und sich so die Informationen zusammensammeln, die sie brauchen. Wichtig war uns vor allem, Grund- und Hintergrundwissen über natur- und umweltwissenschaftliche Themen zu ergänzen. Die meisten Texte auf unseren Seiten sind nur eine DIN A4 Seite lang, oft will man ja zunächst gar nicht mehr Informationen. Wenn man doch weiter einsteigen will, wird auf weitere Texte verlinkt oder auf weiterführende Literatur hingewiesen.
Artikel in Fachjournalen sind länger und detaillierter. War allen Ihren Wissenschaftlern wohl bei diesen populärwissenschaftlichen Texten oder gibt es Grenzen der Vereinfachung?
Natürlich gibt es Grenzen, allerdings zitieren wir ja die detaillierteren Fachartikel, deshalb kommt der wissenschaftliche Teil nicht zu kurz.
Außer Verständlichkeit und Anschaulichkeit gibt es noch zwei weitere wichtige Prinzipien, um die Öffentlichkeit zu erreichen: Emotionalisierung und Personalisierung. Kann die Wissenschaftskommunikation davon lernen?
Personalisiert sind unsere Artikel ja dadurch, dass die Autoren der Artikel genannt werden. Wenn jemand Kontakt zu den Wissenschaftlern aufnehmen will, kann er das über die Kontaktdaten auf der Webseite tun. Was die Emotionalisierung angeht: Uns geht es darum, Hintergrundwissen darzustellen, gegebenenfalls Handlungsoptionen aufzuzeigen oder Probleme überhaupt ins Bewusstsein zu bringen. Insofern wecken wir vielleicht Emotionen beim Leser, aber wir selbst möchten unsere Artikel überwiegend fachlich neutral halten. Bewertungen der Wissenschaftler gehen in die Artikel nur selten ein.
Ein Trend in der Wissenschaft ist allerdings, Bürger mitreden zu lassen, worüber geforscht wird. Macht das die Helmholtz-Gemeinschaft bereits?
Ein wichtiges Ziel der Wissensplattform ist der Dialog und damit zusammenhängend Feedback. Wenn Bürger oder Politiker Informationsdefizite aufdecken, also Fragen, die wir noch nicht beantworten können, dann ist das eine Anregung für unsere Wissenschaftler, sich damit zu beschäftigen.

Weiterführende Informationen

Wissensplattform Erde und Umwelt