Besserungen für Textilarbeiterinnen auf niedrigem Niveau

Am 24. April 2013 stürzte in Bangladesch das Rana Plaza ein, ein mehrstöckiges Gebäude mit Textilfabriken. In den Trümmern starben mindestens 1.138 Menschen, die meisten Näherinnen. Ein Jahr später haben Regierung, Gewerkschaften und Unternehmen reagiert, doch ob sich Arbeitsbedingungen und Sicherheit damit langfristig verbessern, ist unklar. Gewerkschaften fürchten, dass es außerhalb Bangladeschs mit der Ausbeutung weitergeht.

Auf der Webseite der Clean Clothes Campaign (CCC), der Kampagne für Saubere Kleidung, lässt sich genau ablesen, welche Unternehmen zumindest eine kleine Spende an die Opfer des Fabrikeinsturzes in Bangladesch zahlen. 29 Modefirmen ließen im Rana Plaza Kleidung fertigen. Erst 15 davon haben in einen Entschädigungs-Fonds eingezahlt, darunter etwa die britische Primark, mit fast acht Millionen Euro „Spitzenreiter“, C&A oder KiK zahlten unter einer Million.

Benetton, Matalan, Adler Modemärkte oder Auchan haben laut der Kampagne für Saubere Kleidung noch nicht gezahlt. Der Fonds soll 40 Millionen Dollar für die Hinterbliebenen und zur Versorgung der Opfer bereitstellen – eine Summe, die 0,2 Prozent des Gewinns der Unternehmen entspricht. „Wenn die Unternehmensvertreter sich als Menschen fühlen, dann müssen sie endlich Entschädigungen zahlen,“ zitiert CCC die Näherin Shila Begum, die das Unglück überlebte.

Doch trotz der schleppenden Entschädigungszahlungen gibt es Fortschritte, sagt Magnus Schmid, der seit zweieinhalb Jahren für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) daran arbeitet, die Sozial- und Umweltstandards in der Textilindustrie in Bangladesch zu verbessern.

Die GIZ ist im Auftrag der Bundesregierung seit 2005 im Textilsektor des Landes tätig und hat in den letzten vier Jahren über 650 Fabriken bei der Verbesserung der Arbeits- und Umweltstandards beraten. In 45 Frauencaf©s werden Arbeiterinnen über ihre Rechte aufgeklärt. „Jetzt haben sich zum ersten Mal in der Geschichte Regierung, Gewerkschaften und Unternehmerverbände in Bangladesch zusammengesetzt und im Brand- und Gebäudeschutz eine Reihe von Aktivitäten angestoßen“, sagt Schmid.

Ein kleiner Schritt für Bangladesch

Ein Ergebnis ist die Accord-Vereinbarung, die von europäischen Marken und Händlern auf den Weg gebracht wurde und die mittlerweile mehr als 150 Unternehmen unterzeichnet haben. Sie sieht unter anderem vor, dass die von der internationalen Gewerkschafts-Organisation ILO definierten Arbeitsrechte eingehalten werden. Daneben haben 26 internationale Bekleidungsunternehmen die Alliance for Bangladesh Worker Safety gegründet, die seit Dezember 2013 ein Büro in Dakar unterhält und bis Juli 2014 alle Fabriken, die an die Mitgliedsunternehmen liefern, kontrollieren will.

Für Schmid ist das ein Schritt in die richtige Richtung. „Das Problem sind aber weniger Regeln und Gesetze, sondern die Frage, wie sie überwacht werden“, sagt er. So habe es bis vergangenes Jahr gerade mal 19 staatliche Kontrolleure für circa 5.500 Textilfabriken gegeben. Wie viele Fabriken es genau sind, weiß bis heute niemand, weil keine Behörde die Unternehmen zentral erfasst.

Doch immerhin gebe es jetzt, sagt Schmid, bereits 67 Inspekteure des Arbeitsministeriums, noch in diesem Jahr sollen es 200 werden und später fast 400. Wichtig sei auch, dass die Inspekteure nun ordentlich ausgebildet und ausgerüstet würden – etwa mit Motorrollern, um überhaupt zu den Fabriken zu gelangen. Zudem soll es eine Datenbank geben, in der die Prüfberichte veröffentlicht werden.

Die staatlichen Kontrolleure sind vor allem für die Fabriken da, die von der Alliance und der Accord-Vereinbarung nicht erfasst werden. „Das sind die Zulieferer, die Unteraufträge der großen Fabriken übernehmen. Da herrscht das größte Risiko, das Standards nicht eingehalten werden“, sagt Schmid.

Die Auflagen sind vielfältig: Fluchtwege müssen frei bleiben, aber häufig werden sie zum Lagern von Waren zweckentfremdet und zugestellt. Es geht um Feuermelder, Evakuierungsübungen, Brandschutzbeauftragte, aber auch um einen gesünderen Arbeitsplatz mit vernünftigen Sitzmöglichkeiten, frischem Trinkwasser, Belüftung, getrennte Toiletten für Männer und Frauen, ein Arztzimmer und medizinische Betreuung, Schutzbrillen sowie eine Arbeitnehmervertretung.

„Es gibt viele kleine Schritte in die richtige Richtung, aber noch viel zu tun“, sagt Schmid und fügt hinzu: Wenn Fabriken geschlossen werden müssen, dann müsse es Ersatz geben. „In den Fabriken zu arbeiten hat gerade den Frauen große Freiheiten gebracht, um ökonomisch unabhängiger zu werden“, sagt er.

Gewerkschaften werden unterdrückt

Das sieht auch Monika Kemperle so, die stellvertretende Generalsekretärin der „IndustriALL Global Union“, ein im Juni 2012 gegründeter, weltweiter Dachverband von Industriegewerkschaften, die auch die Accord-Vereinbarung mit initiiert hat. „In Bangladesch ändert sich der ganze Textilbereich. Die Unternehmen sind sensibler geworden und auch die Konsumenten schauen genau hin, wenn sie ‘Made in Bangladesh’ in einem T-Shirt lesen“, sagt Kemperle.

Aber wie sieht es in anderen Ländern aus? „Die Weltöffentlichkeit blickt nach Bangladesch, aber wir wissen, dass die gleichen Probleme auch in Pakistan, Indien, Vietnam, Lesotho, Äthiopien oder China herrschen“, sagt Kemperle. Dort stünden Gewerkschaften oft unter großem Druck, müssten gegen dubiose Anschuldigungen kämpfen oder man setzt im Streikfall gleich Soldaten ein.

Kurz berichteten Medien im vergangenen Jahr über streikende Näherinnen in Kambodscha. Dort forderten mehrere Gewerkschaften gleichzeitig einen existenzsichernden Mindestlohn von 70 Euro im Monat. Die Verhandlungen sollen zwar im Mai weitergehen, das Parlament hat aber als Reaktion auf die Proteste mittlerweile die Arbeitnehmerrechte eingeschränkt.

Dass in Bangladesch die Veränderungen erst am Anfang stehen, zeigen die Prüfungen der ersten Fabriken im Rahmen des Accord-Abkommens. Die Inspekteure fanden Risse in Säulen, minderwertige Baumaterialien, überladene Etagen oder ganze Stockwerke, die gar nicht erst genehmigt waren. Risse fallen auch Arbeiterinnen immer wieder auf. „Da gibt es ein großes Unwohlsein, weil man nicht weiß, ob man die Nächste ist, deren Fabrik einstürzt. Wir haben die Arbeiterinnen in den Frauencaf©s ermuntert, rechtzeitig mit dem Management der Fabriken zu reden“, sagt Schmid.

Weiterführende Informationen

Clean Clothes Campaign – Welche Unternehmen Entschädigungen zahlen

GIZ-Webseite für ökologische und soziale Kleidung

Accord-Vereinbarung