Segel setzen, Kreise ziehen

Seit Beginn der Corona-Pandemie sucht RENN.nord nach Chancen in der Krise, um damit neue Impulse für die Gesellschaft zu setzen. Ein Blick auf die Kampagne „Segel Setzen 20/21“.

„Die Idee kam im März 2020 auf, zu Beginn des ersten Lockdowns”, erzählt Cordula Wellmann, Konsortialführerin von RENN.nord. „Damals hat sich natürlich keiner von uns vorstellen können, wie lange die Pandemie uns begleitet – und wie sehr das Projekt in dieser Zeit wächst und sich verändert.” Wellmann spricht von der Kampagne „Segel Setzen 20/21“. Die Diplom-Agraringenieurin leitet das RENN.nord-Netzwerk, die Regionale Netzstelle Nachhaltigkeitsstrategien für die nördlichen Küstenländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die in den vergangenen von Corona geprägten Monaten mit unterschiedlichen Aktionen Impulse für die Gesellschaft gesetzt hat.

Kurs auf die Umgestaltung der Gesellschaft

Eine wichtige Aufgabe der insgesamt vier RENN, mit Netzstellen in Nord-, Mittel-, Süd- und Westdeutschland, ist es, Akteur*innen in den jeweiligen Bundesländern zu vernetzen, um neue Impulse für mehr Nachhaltigkeit zu setzen. Denn Krisen bewirken Veränderungen – freiwillige wie unfreiwillige, positive wie negative. Diesen Prozess zu reflektieren, ist das zentrale Anliegen für die Initiative in RENN.nord, die, so das selbstgesteckte Ziel, „Kurs auf die Umgestaltung der Gesellschaft” nimmt. „Als die Pandemie begann, als wir alle plötzlich vor ganze neue Tatsachen gestellt wurden, als niemand auf Erfahrungswerte zurückgreifen konnte, haben wir beschlossen: Wir wollen die Menschen direkt fragen, wie sie mit der Krise umgehen und was wir alle daraus lernen können”, sagt Wellmann.

Je länger die Pandemie dauerte, desto weiter entwickelten sich die so entstandenen Projekte. In Schleswig-Holstein hat RENN.nord zum Beispiel Bildungsakteurinnen und -akteure porträtiert, um auf innovative Projekte zur Bildung für nachhaltige Entwicklung aufmerksam zu machen. Außerdem erhielten ausgewählte Vorhaben ein Preisgeld. In Hamburg erwuchs aus „Segel Setzen 20/21“ eine virtuelle Kunstausstellung: „WENDEMANÖVER“ im WÄLDERHAUS zeigt Werke nationaler und internationaler Künstlerinnen und Künstler, die sich mit Krisen unserer Zeit wie dem Klimawandel oder Rassismus beschäftigen und damit gleichzeitig Bezug auf die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen nehmen. Das gleichnamige Magazin erzählt von den Krisen, derer sich die Künstlerinnen und Künstler annehmen und von dem Wirken ihrer Kunst.

#niewiederkippenschnippen

Wellmann ist selbst positiv überrascht davon, welche Kreise „Segel Setzen 20/21“ inzwischen zieht. Etwa das “Zigarettenkippen-Kleid”, ein Upcycling-Kunstwerk der Künstlerin Alexa Rasch aus 3.000 gesammelten Zigarettenfiltern: Dieses Kunstprojekt gab den Anstoß zu weiteren Aktionen, mit denen in Hamburg nun unter dem Hashtag #niewiederkippenschnippen für eine saubere Stadt geworben wird. Seit dem 14. Juli 2021 läuft in Hamburg die Kampagne #niewiederkippenschnippen gegen Zigarettenreste auf den Straßen der Stadt. Auch ein erstes Clean-up-Event hat bereits stattgefunden. Durch die künstlerische Aufbereitung sei es gelungen, eine altbekannte Botschaft so aufzubereiten, dass die Menschen wieder hinschauen und sich direkt angesprochen fühlen, sagt Wellmann.

„Wir stehen nicht nur vor einer Dekade des Handelns, sondern auch vor einem Jahrhundert der Krisen”, ergänzt sie. „Die Frage ist: Wie gehen wir damit um?” „Segel Setzen 20/21“ ist dabei selbst zu einem Beispiel für eine solche unerwartete Entwicklung geworden: Zu Anfang haben die Initiatorinnen und Initiatoren gedacht, dass nach wenigen Wochen oder Monaten – nach dem Ende der Pandemie eben – auch das Projekt abgeschlossen sein und man sich dann an die Auswertung machen würde. Inzwischen ist klar, dass dieser alte „Normalzustand” wohl niemals wiederhergestellt wird. Umso wichtiger werde es, so Cordula Wellmann, sich mit den Folgen dieser Veränderung kreativ auseinanderzusetzen.