Leben 4.0 – Wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammenpassen

An der Digitalisierung kommt keiner mehr vorbei. Auch für eine nachhaltige Lebensweise ist die digitale Vernetzung eine große Chance. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung zeigte auf der Netzmesse re:publica, wie das funktionieren kann.

Was hat die Online-Welt eigentlich mit Nachhaltigkeit zu tun? Ziemlich viel und eine Art Vorbildcharakter für eine nachhaltigere Welt hat sie auch. Zum Beispiel, wenn es darum geht, möglichst viele Menschen zusammenzubringen, um Wissen auszutauschen und Diskurse weiterzuführen. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) hat dazu eine Empfehlung veröffentlicht, wie Nachhaltigkeit den Rahmen für die Digitalisierung setzen kann. In dem Papier gibt es konkrete Handlungsanweisungen und Argumentationshilfen, warum die Digitalisierung Nachhaltigkeitsaspekte nicht außer Acht lassen darf.

Das ist auch der Netzgemeinde bewusst – wie sehr, zeigte sich auf der diesjährigen re;publica, die vom 6. bis 8. Mai stattfand.  Zum 13. Mal kamen Internet- und Datenschutzaktivistinnen und -aktivisten, Netzpolitikerinnen und -politiker sowie IT-Nerds in Berlin zusammen. Sie diskutierten über Algorithmen, über Meinung und Marketing im Netz, aber auch über Umweltschutz, Soziales, Wirtschaft – und Nachhaltigkeit. Rund 25.000 Menschen kamen in diesem Jahr zur re;publica. Eröffnet wurde die Netzmesse von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und weitere Prominente wie Astronaut Alexander Gerst nahmen teil.

Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil

Für eine Netzmesse ist es wenig erstaunlich, dass Werbung für und Organisation der Veranstaltung vor allem digital laufen – per Email, per Webseite, über Blogs oder Twitter. Die Eventbranche steht aber generell vor großen Veränderungen. „Nachhaltigkeit ist die Chance und ein Wettbewerbsvorteil zugleich“, sagt Sandro Spieß von der Agentur Eventbrite.

Die Teilnehmenden von Veranstaltungen würden zunehmend erwarten, dass Konferenzen nicht nur einen ökonomischen Vorteil haben, sondern auch ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Zum Beispiel beim Thema Mobilität oder Verpflegung.

Wenn die Veranstalter dann auch noch soziale Projekte unterstützen, trifft ein solches Engagement auf viel Zuspruch bei den Teilnehmenden. Ein Beispiel: Nach Konzerten oder Festivals werden vergessene Zelte, Schlafsäcke, Jacken oder anderes an Obdachloseneinrichtungen weitergegeben und nicht entsorgt. Dass solche Aktionen sogar den Ticketverkauf steigern, zeigt das Glastonbury-Festival in Großbritannien. Die Veranstalter haben Nachhaltigkeit zum Kern der Veranstaltung gemacht – und so letztlich auch mehr Einnahmen generiert.

Mehr Bewusstsein für eine nachhaltige Lebensweise schaffen

Wir gehen online, wenn wir nach Informationen suchen. Wir durchforsten das Netz, wenn es ums Einkaufen geht, um die Buchung einer Reise, um die Suche nach dem passenden Partner oder der passenden Partnerin, um die richtige Route zu finden. Google ist nach wie vor die wichtigste Suchmaschine hierfür. Dass es dazu auch Alternativen gibt, hat Christian Kroll vorgemacht. Er ist Geschäftsführer von Ecosia. Das Start-up hat eine Suchmaschine entwickelt, die so funktioniert wie Google & Co. Doch was anders ist: Für jede Suchanfrage pflanzt das Unternehmen einen Baum. Meist in Entwicklungsländern.

„Wir versuchen die Gesellschaft dazu zu bewegen, dass eine Veränderung möglich ist“, sagt Kroll. „Wir sind jetzt schon in einer Phase angekommen, in der der Klimawandel sichtbar ist. Doch es passiert nichts, dass die Zerstörung der Erde aufhält.“ Mehr als 65 Millionen Bäume wurden bereits gepflanzt. Würden mehr Menschen Ecosia nutzen und auf rein kommerzielle Anbieter verzichten, könnte man den Klimawandel nahezu alleine bewältigen, meint der Start-up-Gründer zwar scherzhaft, aber mit einem ernsten Unterton.

Er setzt darauf mehr Bewusstsein für Umweltschutz, für eine nachhaltige Landwirtschaft und nachhaltigen Konsum zu schaffen. Nicht nur die Bäume sind Teil des Geschäftsmodells, sondern auch eine andere Wirtschaftslogik. Laut Kroll ist Ecosia vermutlich rund 100 Millionen Euro wert. Aber anstatt auf Profite zu setzen, orientieren sich die Gründer und die Geschäftsführung an nachhaltigen Kriterien und dem Gemeinwohl. „Wir setzen damit ein Zeichen gegen den Hyperkapitalismus“, sagt er.

Wie nachhaltig ist die digitale Welt?

Isolde Magin-Konietzka vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) organisiert für den Rat unterschiedlichste Veranstaltungen, vor allem aber auch die Jahreskonferenz. Die Digitalisierung böte viele Möglichkeiten, um solche Events nachhaltig zu gestalten, so Magin-Konietzka bei einer Fachkonferenz im Rahmen der re;publica zum Thema nachhaltiges Veranstaltungsmanagement.

Schon bei der Teilnahmeorganisation helfen Online-Tools. Die Anmeldung verläuft digital, ganz ohne Papier. Gleiches gilt für die Tagungsunterlagen, die im Netz bereitgestellt werden. Die Teilnehmenden sollen mit der Bahn anreisen, öffentliche Verkehrsmittel von ihrem Anfahrtsort zur Veranstaltung bis hin zum Hotel nutzen. Die Wege zum Tagungsort sollen kurz und ohne Stress zu erreichen sein, zudem barrierefrei. Hilfen für den richtigen Weg bieten Online-Tools.

„Wir gehen nach einer Liste vor und monitoren, was uns gelungen ist und was nicht“, sagt Magin-Konietzka. Doch auch sie stellt sich die Frage: Ist digital nachhaltig? Und wie nachhaltig ist digital? Zum Beispiel könne man im Bereich Technik noch einiges tun. Es geht ums Energiesparen beim Licht etwa oder um Bühnenequipment, das nachhaltigen Kriterien entspricht. Magin-Konietzka plädiert dafür, mehr mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus diesen Bereichen zu sprechen und die Veranstaltung stärker gemeinsam zu planen.

Nachhaltigkeit bereits in Planung integrieren

Für den fachlichen Leiter des Zentrums für Umweltkommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist Nachhaltigkeit ein dauerndes Streben nach Verbesserung. „Wir müssen die Umstellung hinkriegen“, sagt er. Man könne Geld sparen, wenn man Prozesse nachhaltig gestaltet. Der Nachhaltigkeitsgedanke müsse bereits bei der Planung integriert werden, sonst käme es lediglich ‚Greenwashing‘ gleich.

Dass dieses Umdenken im Mainstream nur langsam vorangeht, zeigt sich auch auf der re;publica. Zum Beispiel wurde bei der Erstellung des Flyers für die Fachkonferenzen auf der Netzmesse noch nicht in vollem Umfang auf Barrierefreiheit geachtet – für Menschen mit Sehbehinderung sind die Flyer allein aus gestalterischen Gründen nicht gut lesbar. Zudem können die Besucherinnen und Besucher an fast allen Ständen Kugelschreiber, Poster, Sticker und jede Menge Papiermaterial mitnehmen – und das obwohl sich die Inhalte überwiegend in der virtuellen Welt abspielen. Am Ende des Tages bleibt von Papier, Plastik und etlichen Giveaways in der analogen Welt so einiges zurück.