Die Projekte Nachhaltigkeit 2018: Gesellschaft aus der Region heraus verändern

Mehr Anerkennung, neue Bündnisse, besserer Austausch – bei der Veranstaltung „Projekt Nachhaltigkeit 2018: Auszeichnen, Vernetzen, Weiterdenken“ entwickeln die Teilnehmenden Tipps und Strategien, um ihre Projekte voranzubringen.

Schon bevor es richtig los geht am 12. September mit der Veranstaltung „Projekt Nachhaltigkeit 2018: Auszeichnen, Vernetzen, Weiterdenken“ in der Berliner Repräsentanz der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, pappen zahlreiche Zettel auf den beiden Pinnwänden für „Ihr Angebot“ und „Ihr Gesuch“. Jan von der Brelie von der Initiative Psychologie im Umweltschutz etwa bietet Beratung zur „Steigerung der Wirksamkeit von Nachhaltigkeits-Kampagnen“, Maria Wischeropp von der Bürgerstiftung Erfurt sucht „Best practice Beispiele“.

Die Zettel sind eine Art Aushängeschild für die Fragen, die die 90 Teilnehmenden an diesem Tag klären wollen: Wie können diejenigen, die sich für Nachhaltigkeit engagieren, welche Themen am besten stemmen? Und: Welche neuen Bündnisse sind denkbar? Geladen hat RENN.mitte. Sie ist eine der insgesamt vier Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien, die vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) eingerichtet wurden. Am Ende stehen Geschichten über zahlreiche Projekte und viele Anregungen.

Digitalisierung geht alle an

Tilman Santarius ist Professor für sozial-ökologische Transformation und nachhaltige Digitalisierung am Einstein Centre Digital Futures und der Technischen Universität Berlin. Er zum Beispiel riet, den Dialog zu suchen mit Netzaktivisten wie dem Chaos Computer Club. Denn die Digitalisierung stelle das Leben wie kaum etwas anderes auf den Kopf. Ob sie die Welt von morgen ökologischer und sozialer mache, hänge davon ab, wie die Gesellschaft sie gestalte.

So belaufe sich der Stromverbrauch aller Informations- und Kommunikationstechnologien bereits heute auf rund zehn Prozent der weltweiten Stromnachfrage und könne bis 2030 auf bis zu 50 Prozent ansteigen. Und wer einen 90-minütigen Hollywood-Streifen streame, spare im Vergleich zum Ausleihen einer DVD bis zu einem Drittel Treibhausgasemissionen ein. Doch werde der Vorteil aufgefressen, weil allerorten Filme gestreamt würden, an der Bushaltestelle, in der Bahn, und so der Konsum insgesamt steige.

Santarius, Mitautor des Buches „Smarte grüne Welt – Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit“, plädiert für eine „transformative Digitalpolitik“. Für ihn gehört, erklärte er, dazu erstens die Regulierung wie etwa eine Öko-Designrichtlinie für Informations- und Kommunikationstechnik; zweitens: eine kritische digitale Bildung, um das Medienangebot besser zu verstehen. Und drittens die „breite Bewegung“, also Bürger, die sich einmischen und zeigen, wie sich Zukunft gestalten lässt.

Die vier Feinde der Nachhaltigkeit

Neue Themen zu entdecken, neue Bündnisse zu schmieden ist aber nur das eine, das andere: durchhalten. Wie schafft man das? Oft bleibe Anerkennung aus für das eigene Engagement, meinte Pia Paust-Lassen von Berlin 21 e.V.. Lob sei aber wichtig – und darum auch der Wettbewerb Projekt Nachhaltigkeit, den der RNE vor Jahren initiiert hat und der seit diesem Jahr von RENN.mitte und den anderen drei Regionalstellen in Nord, Süd und West durchgeführt wird. So würden Projekte auch „sichtbarer“ und mehr Aufmerksamkeit in Landes- und Bezirksregierungen geschaffen.

Die Projekte machten vor, wie die Gesellschaft transformiert werden könne, erklärte Olaf Tschimpke, stellvertretender Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung, darum gebühre „ihnen Dank“. Zusammen mit dem grünen Berliner Justizsenator Dirk Behrendt, zuständig auch für das wichtige Thema Verbraucherschutz, zeichnete er in der GIZ-Repräsentanz die Preisträger aus der Region RENN.mitte aus, also Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Darunter etwa die Potsdamer Gemüseackerdemie, die Schulen und Kitas dabei unterstützt, Gemüseäcker anzulegen, so dass Kinder einen realen Bezug zu Lebensmitteln bekommen können. Oder der Bürgertreff in der „Kleinen Markthalle“ in Stendal, den die Freiwilligen-Agentur Altmark e.V. gegründet hat – als „Impulsstätte für Engagement“.

Die Nachhaltigkeit habe „vier Feinde“, sagte Behrendt, „Bequemlichkeit, fehlender Mut, Profitdenken, Gewohnheit.“ Die ausgezeichneten Teams zeigten, es gebe „auch die Freunde“. Aber wie lassen sich die Feinde überwinden? Was also gibt den Ausschlag fürs Gelingen, wo liegen die Hürden? Einige der vielen Tipps der Teilnehmenden aus den drei Workshops nach der Preisverleihung:

Etwa von Tilman Kunowski, er hat zusammen mit seiner Frau Brit Eismann im brandenburgischen Dorf Himmelpfort ein ehemaliges Mühlengelände in der Ortsmitte in eine Begegnungsstätte mit Herberge, Bibliothek, Seminarräumen, Kulturveranstaltungen umgewidmet und dafür den Verein „Craftwerk“ gegründet. Kunowski erklärte: „Persönlicher Einsatz ist am wichtigsten für den Erfolg.“ Ihn hat es Geduld und teure Gutachten gekostet, bis das Bauamt schließlich seinen Segen für den Beherbergungsbetrieb gab. Der Ärger mit bürokratischen Behörden – für Kunowksi ist es das „größte Hindernis“.

Raus aus der grünen Blase

Und Davide Brocchi meinte, Nachhaltigkeit brauche ungewöhnliche Allianzen, nicht nur die üblichen Verdächtigen, die Umweltakteure, sondern auch Leute aus Lokalökonomie, soziale Bewegung. Er hat den Tag des guten Lebens in Köln initiiert, ein autofreier Sonntag in einem Stadtteil der rheinischen Metropole, an dem die Nachbarn die Straße mit ihren Ideen füllen. Brocchi nennt das „Quartiersentwicklung von unten“. Man müsse verhindern, in die Öko- oder eine andere bestimmte Schublade gesteckt zu werden, sonst machten „nicht so viele Bürger mit.“

Raus aus der grünen Blase? Dazu gab es noch weitere Anregungen. Eine Teilnehmerin meinte: „Es ist besser eine Hüpfburg aufzustellen als einen veganen Imbissstand aufzubauen, wenn man viele Bürger bekommen will“. Eine andere plädierte dafür, nicht nur das Öko-Argument zu betonen, sondern auch andere Vorteile umweltfreundlichen Verhaltens wie „Du kannst Geld sparen, wenn Du nicht das Auto nimmst“ oder „Du kannst hundert Jahre leben, wenn Du gesundes Essen isst.“

Die Veranstaltung „Auszeichnen, Vernetzen und Weiterdenken“ hat gefruchtet, am Ende hängt an der Pinnwand sogar der Zettel „Biete Garten“.

Erfahrungen austauschen, von Angeboten profitieren, sich gegenseitig unterstützen, Vorbild sein, wie die Gesellschaft sich nachhaltig wandeln kann – das sind die Ziele des Wettbewerbs Projekt Nachhaltigkeit.

RENN.mitte und auch die drei anderen Regionalstellen Nachhaltigkeit RENN.nord, RENN.west und RENN.süd zeichnen ihre Preisträger 2018 auf Veranstaltungen aus. Insgesamt werden so 40 Projekte prämiert.