Der Weg zur klimaverträglichen Mobilität

Auf der 19. RNE-Jahreskonferenz schlagen Experten vor, Parken teurer zu machen und mit neuen Mobilitätsdienstleistungen zu experimentieren. Entscheidend: Auf dem Land braucht es besondere Ideen.

Was würden Sie tun, wenn Sie Bundesverkehrsminister wären? Parken teurer machen – das ist das erste, was der Mobilitätsforscher Professor Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung antwortet. Das zweite: „Ich würde eine Kooperation mit dem DFB, dem Deutschen Fußballbund, eingehen, um zu fordern, dass Autos von Straßen verschwinden, damit die Straßenfußballer dort in Ruhe kicken können.“ Denn dann würden „Städte wieder lebenswerter und Deutschland Weltmeistertauglicher.“ Auf der 19. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) debattierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter dem Titel „Klimaneutrale Mobilität – was kommt, was stört, was geht?“ welche neue Richtung die Verkehrspolitik braucht.

Deutschland soll im Verkehrsbereich bis 2030 den CO2-Ausstoß um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 senken. Das sieht der Klimaschutzplan der Bundesregierung vor. Und anders als in anderen Sektoren sind die Emission im Verkehr seit 1990 nicht gesunken, sondern leicht gestiegen. Zwar sinken die CO2-Emissionen pro Fahrzeug laut Umweltbundesamt (UBA), doch diese technischen Fortschritte verpuffen, weil die Zahl der Pkw und LKW zunimmt.

Erstes Ziel: Wege vermeiden

Der Umstieg vom eigenen Auto muss einfacher werden, da sind sich alle einig. Carsharing, Busse, Bahn und Rad müssen attraktiver werden. Dazu gehören Sammeltaxen wie der Berliner Berlkönig, die sich per App rufen lassen. Oder E-Cargobikes, mit denen sich Waren statt mit dem Lkw in enge Straßen liefern lassen. Und auch Tickets, die sich für einen ganzen Weg kaufen lassen, egal womit man fährt und wie oft man umsteigt. Die Debatte beginnt bei der Frage: Wie sieht der Weg dahin aus?

Zunächst gehe es darum, Wege zu vermeiden, sagte Brigitte Scherb, Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes. Dafür müssten im ländlichen Raum „Angebote zurückkommen“, etwa die Schule oder der Hausarzt. Und auf dem Lande funktioniere nicht alles, was in der Stadt angedacht sei. So gebe es zwar die „große Bereitschaft“ den Öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, aber „erst einmal müssen Sie an den Zug ran“ – also mit dem Auto bis zum Bahnhof. Und dann seien Regional- und Fernzüge häufig nicht aufeinander abgestimmt. „Ich gucke viel zu oft dem gerade abgefahrenen ICE hinterher“, ergänzt Scherb.

Statt in eine weitere Spur für die Autobahn, müsse Deutschland in Gleise investieren und die Infrastruktur ausbauen, fordert Martin Schmitz, der Geschäftsführer Technik beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Die Zahl der Fahrgäste in Bussen und Bahnen stiege seit Jahren, „aber wir stoßen an Grenzen“, so Schmitz, zumal auch Personal fehle, der Job attraktiver werden müsse. Im Schnitt fährt jede Bürgerin und jeder Bürger 138-mal pro Jahr mit Bus oder Bahn. Interessant: 43 Prozent der ÖPNV-Kunden sind dabei in den 20 größten deutschen Städten unterwegs.

Erste Modellprojekte auf dem Land

Der Stadt-Land-Unterschied – er ist ein großes Thema. Auch der US-Dienstleister Uber, der seine Fahrangebote per Smartphone in Berlin, München, Frankfurt und anderen Städten anbietet und der größte Fahrdienst der Welt ist, kommt im ländlichen Raum an Grenzen. Grund sei das Personenbeförderungsgesetz, sagt Christoph Weigler, der als General Manager das Geschäft von Uber Deutschland leitet. Denn diese verbietet, dass Fahrer so genannter Mietwagen Aufträge direkt vom Fahrgast entgegennehmen. So dürfe ein Mietwagenchauffeur zum Beispiel Senioren zu einer Arztpraxis 40 Kilometer entfernt bringen. Aber er darf dort nicht einfach einen anderen Passagier wieder mitnehmen. Das dürfen nur Taxifahrer, deren Gewerbe speziellen Regeln unterliegt.

Immerhin gibt es erste Modellprojekte. So wird im Wartburgkreis derzeit eine Mitfahrzentrale getestet. Das Land Thüringen hat das dort ansässige Busunternehmen Wartburgmobil finanziell unterstützt bei der Anschaffung von E-Autos. Diese können nun vermietet werden. Und wer sich auf einer digitalen Vermittlungs- und Bezahlplattform registriert, kann in einem bestimmten Gebiet und zu bestimmten Zeiten andere Personen gegen ein Entgelt mitnehmen. Zum Glück habe sich eine Genehmigungsbehörde gefunden, die das mitmacht, sagt Forscher Knie. Er begleitet das Ganze wissenschaftlich und meint: „Solche Projekte müssen erleichtert, Genehmigungsbehörden mutiger werden.“ Derzeit gebe es großes Interesse in acht Landkreisen, unter anderem am Ammersee, in der Lausitz und auf Rügen.

Da bewegt sich was, doch nur mit einem besseren Angebot sei es nicht getan, heißt es in der Runde. Zum Beispiel seien – das zeigten Studien – kaum zehn Prozent der Autofahrer bereit umzusteigen, auch wenn es den ÖPNV zum Nulltarif gäbe. Zugleich müsse das Auto unattraktiver werden. Das bedeute nicht nur das Abstellen zu verteuern, sondern auch das Fahren. Derzeit zahlen Dieselfahrer pro Liter Kraftstoff zum Beispiel 18,4 Cent weniger als bei Benzin. Den Staat kostet diese Subventionierung laut Umweltbundesamt mittlerweile 7,8 Milliarden Euro pro Jahr, das Dienstwagenprivileg darüber hinaus rund drei Milliarden Euro pro Jahr. Der Weg zur klimaverträglichen Mobilität ist also noch weit.