Agenda 2030: Von Kindern für Kinder

„Mit dem Staunen fängt es an”: Die Büchereizentrale Schleswig-Holstein hat Bibliotheken im ganzen Bundesland mit Materialien zur Agenda 2030 versorgt – nicht nur an Kinder und Jugendliche gerichtet, sondern von ihnen selbst entwickelt.

„Kann jedes Kind ein schönes Zuhause haben?“ – „Wann gibt es Menschen, die halb Mensch halb Maschine sind?“ – „Wäre es nicht schön, wenn alle Menschen Fahrradfahren lernen könnten?“: Solche Fragen standen am Anfang. Pädagoginnen und Pädagogen im gesamten deutschsprachigen Raum sammelten sie bei Kindern im Vor- und Grundschulalter. Auf Initiative der Bücherpiraten, eines Lübecker Vereins, und der Büchereizentrale Schleswig-Holstein waren sie eingeladen, sich mit den Kerngedanken der Agenda 2030 auseinanderzusetzen. „Es ging uns darum zu erfahren, was Kinder wissen und was sie verändern wollen“, sagt Susanne Brandt aus dem Lektorat der Büchereizentrale Schleswig-Holstein, die das Projekt initiiert hat.

Die Kinderfragen waren die Grundlage für das Projekt „Das weiße Blatt – Weltbilder und Bilderwelten zum Weiterdenken mit Kindern“, das zum Anfang dieses Jahres Bibliotheken in Schleswig-Holstein mit Materialien rund um die Themen und Ziele der Agenda 2030 versorgt hat. „Durch Geschichten lernen Kinder im Vor- und Grundschulalter am besten“, erläutert Susanne Brandt. Deswegen setzt „Das weiße Blatt“ auf bildgestütztes Erzählen mit Hilfe des japanischen Papiertheaters Kamishibai, das zum Mitmachen, Erzählen, Singen und Weitermalen anregt und so Nachhaltigkeit veranschaulicht.

In 30 Sprachen kostenlos per Download verfügbar

Das Besondere daran: Die Bildkartensätze wurden nicht von Erwachsenen für Kinder und Jugendliche, sondern gemeinsam mit ihnen erarbeitet. „Mit dem Staunen fängt es an – Fragen an die Welt in Wort und Bild“ lautete das Motto einer Illustrations- und Diskussionswerkstatt im vergangenen Sommer. Darin setzten sich Jugendliche mit den zuvor gesammelten Kinderfragen auseinander, begleitet von einem Team aus Pädagoginnen, Pädagogen, Künstlerinnen und Künstlern, und verarbeiteten sie mit Blick auf die Agenda 2030 zu Bildern und Texten. Das Ergebnis: ein illustriertes Bilderbuch, das inzwischen in fast 30 Sprachen im Internet zum kostenlosen Download bereit steht, und Kamishibai-Bildkartensätze als analoge Variante zum Online-Bilderbuch, die nun in Büchereien im ganzen Bundesland zur Verfügung stehen und Kinder und Jugendliche dazu anregen sollen, über ihre eigenen Vorstellungen von einer lebenswerten Umwelt nachzudenken.

„Kamishibai ist ein in Bibliotheken relativ weit verbreitetes Mittel für das dialogische Erzählen“, erläutert Susanne Brandt. Die aus Japan stammende Erzählform – zusammengesetzt aus den Wörtern kami („Papier“) und shibai („Schauspiel, Theater“) – hatte einst eine Art „Straßenkino-Funktion“, Süßigkeitenverkäufer auf Fahrrädern haben so in der japanischen Vorkriegszeit Unterhaltung auch in entlegene Dörfer gebracht. Die verschwundene Kunst ist seit den 1970ern langsam im pädagogischen und vermittelnden Bereich wiederentdeckt worden, Susanne Brandt selbst arbeitet seit 2008 mit dieser kreativ und flexibel einsetzbaren Methode.

Bereits Mitte 2017 hatte der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) den Ideenwettbewerb “Zukunft, fertig, los!“ ausgerufen und damit Projekte angesprochen, die zeigen, wie im Kleinen an den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen gearbeitet wird – wie „Das Weiße Blatt“. Fünf der bei diesem Wettbewerb ausgezeichneten Ideen unterstützt inzwischen der Fonds Nachhaltigkeitskultur finanziell. Auch das Kamishibai-Projekt erhielt diese Förderung und konnte sich dadurch wesentlich weiterentwickeln.

Austausch mit der Türkei und Serbien

Um die Arbeit mit den Bildkartensätzen zu erleichtern, hat die Büchereizentrale Schleswig-Holstein eine Begleitbroschüre erarbeitet, eine ergänzende Medienauswahl mit fast 50 Bilderbüchern zu den Fragen der Kinder zusammengestellt und wird Workshops anbieten. Außerdem ist ein Kurzfilm entstanden, um das, was die Kinder und Jugendlichen rund um die Kernbotschaften der Agenda 2030 erarbeitet haben, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

„Neben den Büchereien kann ich mir gut vorstellen, dass auch Kitas und Grundschulen mit den Bildkarten und Büchern arbeiten werden“, sagt Brandt. „Ich wünsche mir einen Schneeballeffekt.“ Erste Anzeichen sind zu entdecken: Im serbischen Pozega hat die dortige Bibliotheksleiterin das übersetzte Buch zum Anlass genommen, wiederum Kinder und Jugendliche aus Serbien dazu anzuregen, eigene Gedanken und Gestaltungsideen zu entwickeln. Und der Austausch mit der türkischen Kindermusikgruppe „Subadap cocuk“, die sich mit ihren Liedern für Themen wie Umwelt und Naturschutz, Frieden und Menschenrechte engagiert, hat Susanne Brandt auf die Idee gebracht, die Agenda 2030 vielleicht auch mit Musik zu verbinden. Denn Musik und Kamishibai passen wunderbar zusammen – davon ist sie überzeugt.