Transformathon-Gewinnerteam will Anreize für mehr Wohnraum im Bestand schaffen

Wie können wir Eigentümer*innen dazu motivieren, durch Umbau, Umzug oder Untermiete Wohnraum dort zu schaffen, wo er schon existiert – im Bestand? Mit ihrem Konzept konnte das Team Wohnen+ das Publikum überzeugen.

Wie werden wir in Zukunft wohnen? Wie werden Gebäude kreislauffähig? Wie nutzen wir Flächen und Ressourcen nachhaltiger? Und wie werden wir dabei den Lebensrealitäten der Menschen gerecht? Um diese Fragen ging es beim Transformathon 2023, den der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) mit seinem Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung ins Leben gerufen hat. Nach einem arbeitsintensiven Transformathon-Wochenende in Berlin qualifizierten sich vier Teams für das Finale Ende November in Düsseldorf. Jetzt steht das Gewinnerteam des Transformathon fest: Wohnen+ – wohnraum geben – wohnraum nutzen.

Das Team von Wohnen+ hat das Publikum mit ihrem „Rezept“ Wohnraum zu schaffen, ohne neue Flächen zu verbrauchen, überzeugt. Die drei Architekturstudierenden Aaron Burkhardt, Simon Glöckner und Julia Zugenmaier haben gemeinsam mit der Industriedesignstudentin Florentine Parzich und der Architektin Hillette Lindeque am Beispiel der Stadt Tübingen einen Vier-Punkte-Plan ausgearbeitet, um „Unsichtbaren Wohnraum“ zu aktivieren. Ihre Aufgabe bestand darin, Menschen dazu zu motivieren, Wohnraum dort zu schaffen, wo er schon existiert: im Bestand.

Die Herausforderung: Mehr Platz im Bestand schaffen

Hintergrund ist der dramatische Mangel an bezahlbarem Wohnraum, der mittlerweile nicht nur große Ballungszentren betrifft, sondern auch kleine und mittlere Städte wie die Universitätsstadt Tübingen, die zugleich Gastgeber dieser Transformathon-Challenge ist. Bund und Länder wollen 400.000 neue Wohnungen schaffen. „Das wird aber angesichts der hohen Baukosten wohl nicht gelingen und selbst wenn, dann würde das unsere Klimaschutzziele bei weitem überschreiten“, sagt Glöckner am Tag der Preisverleihung in Düsseldorf.

In der Erarbeitung des Lösungsansatzes hat das Team zunächst das zugrundeliegende Problem identifiziert. Glöckner beschreibt eine klassische Familie im Reihenhaus. Wenn die Kinder erwachsen sind und ausziehen, bleiben zu wenig Menschen auf zu vielen Quadratmetern übrig. „Das kann man auch als Ressource sehen“, sagt Glöckner. Doch oft sind die Hindernisse, um Teile des nun zu großen Wohnraumes zu vermieten, zu hoch. „Ein Umbau ist oft teuer und kompliziert oder man hat schon schlechte Erfahrungen bei der Vermietung gemacht.“

Die Lösung bestehe daher darin, für diese Menschen Anreize zu schaffen, um Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. Dafür schlägt das fünfköpfige Team vor, die bereits vorhandene Neubauförderung (2.000 Euro pro Quadratmeter) in eine allgemeine Wohnraumförderung zu überführen sowie eine Absicherung durch die Kommunen für die Vermieter*innen zu schaffen, sollte beim Vermieten etwas schieflaufen.

Der Lösungsansatz: Ein Vier-Punkte-Plan

Das Ganze soll mittels eines Vier-Punkte-Plans umgesetzt werden. Im ersten Schritt geht es um die Bereitstellung aller wichtigen Informationen auf einer eigenen Webseite. Dort können Interessierte im zweiten Schritt mithilfe eines Fragebogens einen groben Schätzwert für die Höhe der Wohnraumförderung erhalten. Parallel dazu sieht das Team von Wohnen+ großes Potenzial darin, das Thema bei Lokalmedien zu platzieren und die Zielgruppe bei Veranstaltungen direkt vor Ort anzusprechen. Für Tübingen schlagen die Fünf etwa das jährliche Entenrennen vor. Im dritten Schritt geht es zur konkreten Beratung über die Möglichkeiten. Kann man vielleicht den Dachstuhl ausbauen? Kann man einen separaten Eingang schaffen? Das Haus in zwei Einheiten teilen? Zuletzt kommen Planung und Umsetzung.

„Es ist verdammt ökonomisch, weil wir Angebot und Nachfrage zusammenbringen. Es ist ökologisch, weil wir die Bodenversiegelung minimieren. Und es ist sozial, weil wir Wohnraum schaffen“, bringt Zugenmaier das Konzept auf den Punkt. Begleitet durch ihre Coachin Karoline Habt, die dafür sorgte, dass sich das Team nicht im Dickicht des Ideendschungels verliert, erarbeiteten sie das Konzept innerhalb des 30-stündigen Hackathon im September in Berlin.

Im Herbst setzte sich Wohnen+ schon gegen drei weitere Teams durch, die an der Challenge „Unsichtbarer Wohnraum“ arbeiteten. Die Jury hob lobend hervor, dass das Team die digitale Plattform durch Kommunikation mit den Menschen vor Ort kombiniert hat. Eine sensible Ansprache sei besonders wichtig, so die Jury. Schließlich geht es in der Challenge um den intimsten Raum – unser Zuhause. Die Jury aus Fachexpert*innen wählte je ein Team pro Challenge aus, das seine Lösung in einem Pitch auf der Bühne des Deutschen Nachhaltigkeitspreises in Düsseldorf präsentieren durfte. Das Publikum bei der Preisverleihung verhalf dem Team von Wohnen+ zum Sieg.

Nun geht es daran, das Konzept weiter zu verfeinern und in die Tat umzusetzen. „Dazu brauchen wir die Kommunen, die unser Konzept anwenden“, sagt Axel Burkhardt, Beauftragter für Wohnraum der Universitätsstadt Tübingen. Die Gastgeberin der Challenge will nächstes Jahr mit dem Gewinnerteam ins Gespräch gehen und das Konzept weiterentwickeln. „Die Vorschläge halten wir für absolut sinnvoll. Für Privatpersonen können tatsächlich noch viel mehr Anreize geschaffen werden“, so Burkhardt.

Jan Korte, der den Transformathon auf Seiten des Rates für Nachhaltige Entwicklung koordiniert hat, freut sich über das hohe Engagement der vier Finalisten: „Mit dem Transformathon wollten wir neue Lösungen für die drängenden Fragen beim nachhaltigen Bauen und Wohnen finden. Seit dem Hackathon im September sind die ersten Ideen noch weiter gereift“. Wichtig sei jetzt, die Ansätze in der Praxis zu testen. Ein Team plant sogar bereits eine Unternehmensgründung. „Der RNE steht bereit, die Gewinner, aber auch die anderen Teams, weiter in der Umsetzung zu begleiten.“