Taten zur Transformation

Die globale Nachhaltigkeitsagenda der UN verlangt auch von Deutschland einen grundlegenden Wandel. Daran arbeiten einige Institutionen konkret. Auf der Jahreskonferenz des RNE diskutierten ihre Chefinnen und Chefs Wege für die Transformation.

Tanja Gönner, GIZ: Beratung von Entwicklungsländern bei der Umsetzung der SDGs

Nachhaltigkeit ist für die GIZ eine tägliche Herausforderung. So drückt es Tanja Gönner aus, die Vorstandssprecherin der GIZ, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. „Wer Entwicklungszusammenarbeit macht, trägt in sich schon den Anspruch auf Nachhaltigkeit“, sagt sie. 2,4 Milliarden Euro Geschäftsvolumen hat die bundeseigene Entwicklungshilfeorganisation, weltweit 19.500 Beschäftigte, davon 70 Prozent nationale Mitarbeitende vor Ort in rund 80 Länderbüros. Angesicht dieser Vielfalt hat die GIZ zu den drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Soziales und ökonomische Nachhaltigkeit – eine vierte definiert: politische Teilhabe für die vielen Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Kulturkreisen.

In Bezug auf die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie übernimmt die GIZ den internationalen Teil und berät etwa Länder wie Namibia, Indonesien, Brasilien oder Ghana, wie sie Pläne zur Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) der Vereinten Nationen aufstellen können und dafür auch Finanzmittel bekommen. Darüber hinaus soll praktisches Wissen von Deutschland in andere Länder fließen, aber auch anders herum – was nicht immer einfach ist. „Der Teil ist eine Herausforderung. Wir sind ein starkes, stolzes, von uns überzeugtes Land, das die Frage, ob andere in bestimmten Punkten der Nachhaltigkeit weiter sind, nicht immer sofort stellt“, sagt Gönner.

Die zweite „tägliche Herausforderung“ sei Nachhaltigkeit im Inneren, so Gönner weiter. Die GIZ hat dafür eine Handreichung erstellt, den sogenannten Handprint. Es geht darin etwa um Abfallvermeidung, CO2-Ausstoß, Genderaspekte oder auch den Bezug von Ökostrom. Nicht überall kann alles umgesetzt werden: „In manchen Entwicklungsländern brauchen sie einen Dieselgenerator, weil sie sonst keinen Strom haben“, sagte Gönner.

Ursula Heinen-Esser: Landesnachhaltigkeitsstrategie in NRW geht weiter

Die neue Regierung in Nordrhein-Westfalen unter dem seit Juni 2017 amtierenden Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) wird die Nachhaltigkeitsstrategie des Bundeslandes fortschreiben. Das sagt die neue Umweltministerin und ehemalige Vorsitzende der Geschäftsführung Bundesgesellschaft für Endlagerung, Ursula Heinen-Esser (CDU). „Ich glaube, das geht auch nicht anders, gerade in einem so großen Land wie NRW, mit einer so großen Einwohnerzahl, einer intensiven Industrielandschaft, gleichzeitig ländlichen Räumen und großen Problemen im Umweltbereich“, sagt Heinen-Esser. Als Beispiele nennt sie die Luftreinhaltung in den Ballungsräumen, aber auch das Thema Ausstieg aus der Braunkohle.

Das schwarz-gelbe Kabinett Laschet schreibt damit die Strategie der rot-grünen Vorgängerregierung unter Hannelore Kraft (SPD) fort. „Man muss nicht alles neu erfinden. Das, was gut ist, kann man auch fortsetzen, nutzen und ausbauen“, sagt Heinen-Esser auf die Frage, ob es beim Thema Nachhaltigkeit mit einer neuen Regierung denn keine Änderungen gebe. Heinen-Esser übernimmt als Ministerin in NRW neben Umweltschutz auch die Themen Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. „Vor allem, wenn man sich die Bereiche Umwelt- und Landwirtschaftspolitik anschaut: Das sind zum Teil echte Gegensätze und harte Interessenskonflikte. Mein Ziel ist es, zu versuchen, die beiden miteinander zu verzahnen“, sagt Heinen-Esser.

Folkhard Isermeyer: Politik muss nachhaltige Landwirtschaft besserstellen

Wie hart die Interessenskonflikte zwischen Umweltschutz und Landwirtschaft sein können, darüber spricht auch Folkhard Isermeyer. Der Agrarökonom ist Präsident des bundeseigenen Johann Heinrich von Thünen-Instituts. Es forscht daran, wie Land-, Forst- und Holzwirtschaft sowie die Fischerei im Sinne der Nachhaltigkeit weiterentwickelt werden können. Dass das dringend notwendig ist, zeigt der jüngste Peer Review zur Deutschen Nachhaltigkeitspolitik. Der fordert eine „Trendumkehr beim Verlust der biologischen Vielfalt und die Realisierung grundlegender Veränderungen, die für unsere Milch- und Fleischindustrie sowie unsere Ernährung insgesamt notwendig sind, in ähnlichem Ausmaß wie bei der Energiewende.“

Beispiel Stickstoff, der zu Nitrat umgewandelt das Grundwasser gefährdet: Hier müsse es ein grundlegendes Umdenken bei der Tierhaltung geben. Isermeyer nimmt dabei aber die Landwirte in Schutz: „Landwirte sind Unternehmer. Sie haben eine Verantwortung gegenüber ihren Familien und reagieren auf ökonomische Anreize.“ In der Periode 2007 bis 2013 habe es von zwei Richtungen her Anreize gegeben, bei der Produktion vor allem „Gas zu geben“. Erstens wegen der internationalen Märkte und zweitens wegen der Politik, die Biosprit und Biodiesel überzogen gefördert habe. Niemand könne den Landwirten vorwerfen, entsprechend reagiert zu haben, so Isermeyer. Sie stünden in Konkurrenz zu ihren Nachbarn. Wenn diese höhere Einkommen pro Hektar erzielten, hätten sie bei den nächsten Pächterverhandlungen die Nase vorn. „Deshalb ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass der Landwirt, der sich im Sinne der Nachhaltigkeit optimal verhält, auch ökonomisch die Nase vorn hat“, sagt Isermeyer.

Vor allem müssten dazu Landwirtschafts- und Umweltministerium auf Bundesebene zusammenarbeiten. Unter anderem fordert Isermeyer ein Monitoringsystem für biologische Vielfalt in Agrarlandschaften, um eine bessere Datengrundlage im Kampf gegen das Insektensterben zu schaffen. „Ein Monitoring gibt es erstaunlicherweise bisher nicht“, sagt er. Dabei werde ein Großteil der Milliarden, die Europa in die Landwirtschaft stecke, mit dem Thema biologische Vielfalt legitimiert. „Da muss man doch endlich eine Erfolgsmessung gegenschalten“, sagt Isermeyer.

Jürgen Friedrich: Standortvorteil Nachhaltigkeit

Jürgen Friedrich ist als Geschäftsführer der bundeseigenen Germany Trade and Invest für Außenwirtschaft und das Bewerben des Standorts Deutschland in der Welt zuständig. Seine rund 360 Mitarbeitenden zeigen also Firmen den Weg nach Deutschland und helfen deutschen Mittelständlern, im Ausland zu investieren. „Wir setzen Green Economy oder Nachhaltigkeit in Deutschland als echten Standortfaktor ein“, sagt er. Viele Firmen, die nach Deutschland kommen, würden Ressourceneffizienz und andere Nachhaltigkeitskriterien als Vorteil bewerten – nicht nur wegen des Images, sondern auch wegen einer besseren Stellung im Markt.

Auf der anderen Seite, auch daraus macht Friedrich keinen Hehl, würden die SDGs von deutschen Dax-Konzernen auch als Risiko gesehen – das sei der Eindruck der am Peer Review der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Beteiligten nach Gesprächen mit den Firmenchefs gewesen. Eine Herausforderung sei es deshalb, zu zeigen, dass die globalen Nachhaltigkeitsziele auch eine wirtschaftliche Chance in Wachstumsmärkten bedeuten.

Insgesamt scheint das deutsche Geschäftsmodell – Qualität und Ressourceneffizienz – gerade in Zeiten eines Donald Trump von Vorteil zu sein, der von Nachhaltigkeit und Green Economy nichts hält: „Donald Trump ist sehr gut für das deutsche Standortmarketing“, sagt Friedrich. Seit seinem Amtsantritt sind die USA im Anholt-GfK Nation Brands Index, der als Maßstab des Images eines Staates auch für Investoren relevant ist, von Platz eins auf Platz sechs abgerutscht. Neuer Spitzenreiter: Deutschland, das Land, das als besonders ökologisch gilt.