Freiräume in sieben Städten

Wie Kunst- und Kulturschaffende gemeinsam mit Umwelt- und Naturschutzorganisationen in Bayern Impulse für Veränderungen setzen – gefördert vom Fonds Nachhaltigkeitskultur

An einem Samstagabend Mitte August leuchtete eine Hauswand in Rosenheim den ganzen Abend bunt: Auf die Fassade an einem zentralen Platz der oberbayrischen Stadt waren zahlreiche Acrylbilder, Zeichnungen und Fotografien projiziert. Die Künstlerinnen und Künstler waren Kinder und Jugendliche der Stadt. Ihre Bilder illustrierten ihre Antworten auf die Frage, wie sie sich ihre Heimat in Zukunft vorstellen.

„Die Projektionen zeigten den Spaziergängerinnen und Spaziergängern, wie sich Rosenheim verwandeln könnte”, erklärt Wiebke Zetzsche, die für den Landesverband der Jugendkunstschulen und Kulturpädagogischen Einrichtungen (LJKE) Bayern e.V. kulturelle Bildungsprojekte koordiniert. Viele Menschen seien deswegen stehen geblieben und miteinander ins Gespräch gekommen.

Einen solchen öffentlichen Austausch zu fördern ist ein wichtiges Ziel des Projekts „Freiräumen”, zu dem die Rosenheimer Installation gehört. Die Idee: Freigeräumt wurden und werden öffentliche Plätze und Räume, die im Widerspruch zu einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft stehen. Kinder und Jugendliche bekommen dann die Möglichkeit, „diese Orte umzunutzen und sie sich auf künstlerische Weise zu eigen zu machen”, sagt Zetzsche.

Bereits im Februar 2020 hatte sich LJKE zusammen mit der Stadt Amberg mit diesem Projekt beim Ideenwettbewerb „Kultur + Nachhaltigkeit = Heimat“ des Fonds Nachhaltigkeitskultur beworben. Ein gutes halbes Jahr später stand fest: Aus insgesamt 268 Projekten war „Freiräumen” ausgewählt worden. In den zehn Gewinnerprojekten des Wettbewerbs sah die Jury das Potential, „ein Umdenken der Gesellschaft zu erwirken und neue Wege zu nachhaltigem Handeln aufzuzeigen und zu verbreiten“. Marc-Oliver Pahl, Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) erläutert: „Dazu haben wir Kooperationen zwischen Kultur- und Umweltorganisationen gefördert.“ Deren Arbeit gehe Hand in Hand: Die Umwelt- und Naturschutzorganisationen setzen sich für die Erhaltung von Heimat ein, während die Kulturschaffenden sie gestalten wollen.

Dass das gut zusammenpasst, bestätigt Wiebke Zetzsche: „Wenn Umwelt- und Kulturorganisationen ihre Netzwerke und Ressourcen zusammenlegen, lässt sich einiges bewegen.” Die Kreativen könnten vor allem dazu beitragen, den Diskurs rund um Nachhaltigkeitsthemen anzufachen, und Kindern und Jugendlichen Methoden vermitteln, mit denen sie selbst eine breite Öffentlichkeit schaffen können. Wichtig dabei: „Wir wollen nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern in einen Austausch kommen – und das kann Kunst und Kultur schaffen”, sagt Zetzsche.

An insgesamt sieben Orten in Bayern – neben Rosenheim auch in Amberg, Coburg, Erlangen, Ingolstadt, Gauting und Gräfelfing – schafft das Projekt „Freiräume”, die, so Zetzsche, „an die Bedürfnisse und die Situation vor Ort angepasst” sind. So entstehen zum Beispiel eine Kinder-Klimakonferenz in Erlangen, eine Plauderoase in Gauting, „Orte des GRAUens”, die in Coburg gefunden und verwandelt werden, oder eine Aktion in Gräfelfing, bei der Kinder aus Plastikmüll künstlerische Vorschläge für einen nachhaltigeren Umgang mit Kunststoff schufen.

Zwei Aspekte des Projekts hebt Wiebke Zetzsche als besonders positiv hervor: „Zum einen haben wir Kinder und Jugendliche einbezogen und ihnen gezeigt, dass ihre Meinung etwas wert ist und gehört wird”, sagt sie. Und zum anderen freut es sie besonders, dass in einigen der Orte Gespräche darüber laufen, wie die Projekte verstetigt werden können oder welche Anschlussprojekte aufgrund von „Freiräumen” ermöglicht wurden.