EU steht vor wichtigen Entscheidungen in Sachen Nachhaltigkeit

2016 stehen in Sachen Nachhaltigkeit wichtige Entscheidungen in Brüssel an: Eine Direktive für eine neue Kreislaufwirtschaft, Regeln für saubere Luft, Bürokratieabbau, eine Reform des Emissionshandels. Die niederländische Ratspräsidentschaft hat vieles auf der Agenda stehen, die Kommission sieht ein Fenster der Möglichkeiten. Eine Übersicht.

Kreislaufwirtschaft: grundsätzlicher Wandel der Ökonomie

Noch in diesem Jahr könnte die EU ihr wichtiges Vorhaben zur Kreislaufwirtschaft beschließen: Die Grundsätzliche Idee ist, der Wegwerfgesellschaft langfristig ein Ende zu bereiten, Rohstoffe während des gesamten Lebenszyklus eines Produktes optimal zu verwenden und am Ende wiederzuverwerten.
Es gehe um einen „grundsätzlichen Wandel in der Art, wie unsere Wirtschaft funktioniert“, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, als seine Behörde die Pläne im Dezember 2015 präsentierte – der zweite Versuch, nachdem die Kommission einen ersten Vorschlag zur Kreislaufwirtschaft im Dezember 2014 zurückgezogen hatte.

Nun soll das Paket am 4. März auf dem ersten Treffen der EU-Umweltminister 2016 besprochen werden. Das EU-Parlament erarbeitet gerade seinen Zeitplan, wann es sich dieses Jahr damit beschäftigen wird. Konkret soll die Lebensmittelverschwendung bis 2030 halbiert werden, zudem sollen 65 Prozent der Siedlungsabfälle und 75 Prozent des Verpackungsmülls bis dahin recycelt werden.
Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe zeigten sich trotzdem enttäuscht, weil viele Ziele im Vergleich zu den Vorschlägen von 2014 abgeschwächt worden seien. Das European Environmental Bureau EEB hofft, dass die niederländische Ratspräsidentschaft ambitioniertere Ziele einfordert – etwa, dass ab 2020 keine Bioabfälle und heute recycelbare Materialien mehr einfach auf Mülldeponien gekippt werden.

Klimaschutz: Emissionshandel soll Minderungspotenziale heben

Das Generaldirektorat für Energie und Klima will 2016 eine ganze Reihe an Reformen anstoßen. Man habe gerade ein „Window of Opportunity“, sagt eine Sprecherin: 2017 sind Wahlen in Frankreich und Deutschland, Großbritannien stimmt über ein Ausscheiden aus der EU ab, mit Rücksicht auf die nationalen Debatten sollen wichtige Reformen deshalb bereits 2016 abgearbeitet werden.

Erster Punkt: Um ihre CO2-Emissionen zu senken, hat die EU bekanntlich den Emissionshandel (ETS) eingeführt, an dem über 1.000 Industrieanlagen beteiligt sind. Doch viele Sektoren fallen nicht unter das ETS. Dazu gehören etwa Transport, Gebäude, Land-und Abfallwirtschaft. Für sie gelten nationale Minderungsziele, die EU-weit zu einer Reduktion von zehn Prozent bis 2020 führen sollen, auf Basis des Jahres 2005.
Bis 2030 sollen diese Bereiche zudem zu einer Minderung von 30 Prozent im Vergleich zu 2005 beitragen – wie genau, das will die Kommission 2016 erarbeiten, ebenso, wie die Bereiche Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF) einbezogen werden.

Ebenso soll es Vorschläge für weniger Treibhausgase im Verkehrssektor geben. Zwar hat die EU sich verpflichtet, insgesamt ihre Treibhausgase bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren, noch ist aber unklar, wie das in den Bereichen, die nicht unter das ETS fallen, ab 2020 unter den Mitgliedsstaaten verteilt wird. Auch dazu soll es einen Vorschlag der Kommission geben. Bei den Industrieanlagen, für die der Emissionshandel gilt, gibt es für 2030 keine nationalen Ziele, hier soll die Minderung im europaweiten Durchschnitt erreicht werden.

Ebenso steht eine Reform der Energieeffizienz-Richtlinie an, die etwa Elektrogeräte sparsamer machen soll, die Richtlinie über die Energieeffizienz von Gebäuden soll überarbeitet werden und nach der Sommerpause soll der Strommarkt weiter reformiert werden – es geht unter anderem um Kapazitätsmärkte, die grenzüberschreitend die schwankende Stromerzeugung aus Erneuerbaren ausgleichen sollen, und die Frage, wie das EU-Ziel zum Ausbau erneuerbarer Energien erreicht werden soll.

Wichtigstes Instrument zur CO2-Minderung ist der Emissionshandel, für dessen Reform die Kommission bereits im Juli 2015 einen Vorschlag vorgelegt hat. Der wird nun vom Rat und dem Parlament debattiert – besonders umstritten sind die Vorschläge zum „Carbon Leakage“, wonach energieintensive Industrien abwandern könnten, wenn sie in Europa zu hohe Kosten für ihre CO2-Emissionen haben.

Deshalb sollen auch nach 2020 noch 43 Prozent der Zertifikate kostenlos verteilt werden. Welche Industrien davon profitieren sollen, ist einer der Knackpunkte. Eine Einigung zwischen Rat, Parlament und Kommission noch 2016 scheint aber unwahrscheinlich. „Der Ball liegt jetzt bei den Mitgliedsstaaten und dem Parlament“, sagt eine Sprecherin der Generaldirektion Klima und Energie.

Luftqualität: Vorhaben gegen gesundheitsschädliche Schadstoffe

Als „unsichtbarer Mörder“ bezeichnete der damalige EU-Umweltkommissar Janez Potočnik die Luftverschmutzung, als die EU-Kommission im Dezember 2013 ihre Vorschläge vorlegte, wie Luftschadstoffe zwischen 2020 und 2029 reduziert werden sollen. „National Emission Ceilings Directive“, kurz NEC oder Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen nennt sich dieses Vorhaben.
Die Kommission geht davon aus, dass 420.000 Menschen in Europa jährlich aufgrund von Luftverschmutzung frühzeitig sterben. Zu den schädlichen Stoffen gehört unter anderem bodennahes Ozon, Feinstaub, Schwefeldioxid oder die Stickoxide, von denen auch im Rahmen des VW-Skandals die Rede ist – das EU-Parlament hat übrigens jüngst eine Untersuchungskommission eingesetzt, um die Grenzwertüberschreitungen von Autoherstellern zu untersuchen.

Der europäische Rat hat nun im Dezember seine Position zur NEC-Richtlinie vorgelegt. Sie enthält unter anderem mehr Flexibilität für Mitgliedsstaaten – so können Grenzwertüberschreitungen bei einem der acht Schadstoffe mit besonders niedrigen Werten eines anderen Schadstoffs verrechnet werden; außerdem ist vorgesehen, besonders niedrige oder hohe Temperaturen und Konjunkturschwankungen in Staaten zu berücksichtigen.
Methan ist als Luftschadstoff gestrichen, obwohl es als Vorläuferstoff des gesundheitsschädlichen bodennahen Ozons gilt, ebenso wie ein Zwischenziel für 2025. Was damit zu erklären ist, dass beispielsweise Deutschland große Mühen hat, seine Luft sauber zu halten. Nun beginnen die Verhandlungen mit dem EU-Parlament, das in seiner Positionierung zur NEC-Direktive bisher die ambitionierteren Ziele der Kommission unterstützt.

Das sind nur drei wichtige Reformpunkte in den nächsten Monaten auf EU-Ebene. Eine vollständigere Übersicht, einschließlich der umstrittenen Regeln zum Bürokratieabbau, findet sich in den Forderungen des European Environmental Bureau an die niederländische Ratspräsidentschaft oder auf dem Newsportal vieuws.eu.