Was TTIP regeln muss

In dieser Woche läuft in Miami die elfte Verhandlungsrunde zwischen der EU und den USA zu TTIP, der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft. Dabei soll es auch um die Kapitel im Vertragstext gehen, die den Handel mit nachhaltiger Entwicklung verbinden. Welche Festlegungen muss es geben? Mitglieder des Rates für Nachhaltige Entwicklung kommentieren.

, Minister a.D. in Niedersachsen und Brandenburg, Chairman des Governing Board des UNESCO Institute for Lifelong Learning in Hamburg, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium a.D.
"TTIP muss in der Präambel eine Verpflichtung auf die Prinzipien der Nachhaltigkeit enthalten, damit der Grundsatz für alle einzelnen Kapitel gilt. Die Handelspartner müssen verpflichtet werden, Angaben zur Wertschöpfungskette ihrer Produkte zu machen."

, Stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE)
"In ihrer neuen Handels- und Investitionsstrategie verpflichtet sich die europäische Handelskommissarin Cecilia Malmström dazu, dass europäische Handelsabkommen und damit auch TTIP weder gegenwärtige soziale und ökologische Standards noch den Verbraucherschutz verringern dürfen. Auch künftige Erhöhungen des Schutzniveaus dürfen nicht ausgeschlossen werden. Es heißt ausdrücklich, dass „any change to the level of protection linked to a trade agreement can only be upward“, also Veränderungen des Schutzniveaus im Rahmen eines Handelsabkommens nur nach oben gerichtet sein können.
Dies muss im Rahmen der TTIP-Verhandlungen umgesetzt und damit ein wichtiger Schritt getan werden. Denn das würde bedeuten, dass die internationale Handelspolitik sich nicht mehr nur an der Verbesserung der ökonomischen Effizienz und niedrigeren Preisen ausrichtet. Stattdessen würde anerkannt, dass Regulierung und regulatorische Kooperation sinnvoll sind, um übergeordnete soziale, ökologische und entwicklungspolitische Ziele zu erreichen, wie sie in den globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, der Agenda 2030, festgeschrieben sind.
Für die Entwicklungsländer ist dabei erstens wichtig, dass Umwelt- und Sozialstandards keine protektionistischen Ziele verfolgen. Sie müssen so konzipiert sein, dass sie Verbesserungen ermöglichen – ohne Barrieren zu errichten und arme Länder vom Handel auszuschließen. Zweitens ist bei TTIP bedenklich, dass in den USA und der EU Ursprungsregeln für Importe aus Entwicklungsländern unterschiedlich definiert sind.
TTIP sollte Importe von Fertigwaren und Vorprodukten aus Entwicklungsländern nicht erschweren. Auch technische Standards, die bei TTIP ja bisher im Vordergrund stehen, können eine Hürde sein, wenn die Standards der Drittländer nicht als äquivalent anerkannt werden. Dies lässt sich alles am ehesten verhindern, wenn die Entwicklungsländer an den Verhandlungen beteiligt werden. Bei TTIP ist das bisher nicht der Fall.

, Unternehmer in Lübeck, Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, Hamburg
"Das Freihandelsabkommen, auch die schon verhandelten Passagen, müssen eine grundsätzliche Revision durchlaufen: Sind die Regelungen wirklich nachhaltig? Passen sie in die Welt von morgen?
Die TTIP-Geheimniskrämerei passt da ganz sicher nicht. Wichtige Informationen zum Vertrag sind gar nicht bekannt oder sie werden es erst, wenn vertrauliche Dokumente geleakt werden. Dieses Vorgehen ist überkommen, die mangelnde Transparenz geradezu absurd. Wie sollen sich Menschen da für den neu zu schaffenden Handelsraum begeistern können?
Vor allem aber hat sich die Welt erst vor wenigen Wochen auf ein neues Zielprogramm festgelegt. Staats- und Regierungschefs haben auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel in New York die neuen Entwicklungsziele der Erde, die Sustainable Development Goals (kurz: SDGs), verabschiedet.
Damit haben sie versprochen, die Entwicklung unseres Planeten nachhaltig gestalten zu wollen, was unsere Art des Wirtschaftens natürlich einschließt. Wer dies ernst nimmt, muss jetzt dafür sorgen, dass an den Anfang des TTIP-Vertragstextes in einer Art Präambel ein Satz stehen müsste wie „Grundsätze der Nachhaltigkeit sind anzuwenden“. Nur mit einem separaten Kapitel zur Nachhaltigkeit ist es nicht getan. Nachhaltigkeit muss sich als Grundhaltung wie ein roter Faden durch das gesamte Regelwerk ziehen.
Die EU hat stets beteuert, dass ihr hohe Standards für Umwelt und Soziales wichtig sind und dass sie diese verteidigen will. Doch der Vorschlag, Europa und die USA sollten das Recht erhalten, Umwelt und Soziales so zu regeln, wie sie wollen, kommt dem nicht nach. Völlig versäumt wurde es, die mit unserer Wirtschaftsweise verbundenen Klimazielsetzungen mit in die Verhandlungen einzubeziehen.
Dabei wären die Verhandlungen eine gute Möglichkeit, beispielsweise den Markt für CO2-Zertifikate gleich mit zu regeln. Stattdessen riskieren wir, dass amerikanische Unternehmen später europäische Regelungen zur Vermeidung einer Klimaerwärmung um mehr als 2 Grad Celsius vor einem Gericht als nachträglich eingeführtes Handelshemmnis beklagen können. Den Klimaschutz bei TTIP auszuklammern ist falsch.
Bisher ist TTIP allein darauf ausgelegt, mehr Freihandel zu schaffen und Handelshemmnisse abzubauen. Es soll der größte Handelsraum der Welt entstehen. Misst man den Erfolg des Abkommens mit unseren alten überkommenen Maßstäben, wird TTIP vermutlich ein Erfolg werden: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird steigen.
Gehen wir aber über das BIP hinaus und beziehen beim Messen auch die für die Beurteilung von Nachhaltigkeit wichtigen Indikatoren wie Luft- und Bodenqualität, Artenvielfalt, Gesundheit, Bodenversiegelung und so fort mit ein, sieht schon unser inländisches Wachstum vielfach gar nicht gut aus. Nivellieren wir uns dann im neuen Freihandelsraum bei den Nachhaltigkeitsindikatoren womöglich nach unten, wird TTIP vielleicht gar keine Verbesserung für die Menschen schaffen. Das muss unbedingt vermieden werden, so begrüßenswert die Idee eines größeren Handelsraumes auch ist.
Mit den in New York vereinbarten Nachhaltigkeitszielen hat sich die Welt erstmalig in ihrer Geschichte ein Programm mit universellen Zielen geschaffen, die für alle Nationen gelten. Daraus soll ein Riesen-Fortschritt für die Menschheit erwachsen. Es kann deshalb nicht angehen, dass wir sie bei TTIP nicht umfassend berücksichtigen. Im Gegenteil: Wird TTIP nicht an den SDGs ausgerichtet, macht es deren Umsetzung auf Jahre hinaus unmöglich. Das darf nicht sein."

, Personalvorstand und Vorsitzende des Sustainability Council von Henkel
"TTIP wäre das bisher weitreichendste bilaterale Freihandels- und Investitionsabkommen, das die zwei größten Wirtschaftsräume stärker miteinander verknüpfen würde. Dabei geht es nicht darum, sämtliche US-amerikanische Regeln und Standards in die Europäische Union zu übertragen oder umgekehrt.
Eine gegenseitige Anerkennung in ausgewählten Bereichen, in denen US- und EU-Standards ein vergleichbar hohes Schutzniveau bieten, würde die Komplexität des transatlantischen Handels deutlich reduzieren. In Europa haben wir es geschafft, Handelsbeschränkungen abzubauen und den Wirtschaftsraum zu stärken – und gleichzeitig gemeinsame ökologische und soziale Standards zu definieren. TTIP ist eine große Chance, Nachhaltigkeit durch Handel zu fördern und gemeinsam die Umsetzung internationaler Standards und Abkommen voranzutreiben."