Was die Energiewende jetzt braucht

Der Bundestag hat die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verabschiedet. Mitglieder des Rates für Nachhaltige Entwicklung stellen hier in lockerer Folge Thesen vor, was unabhängig davon getan werden sollte. Imme Scholz, stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, sowie Alexander Müller, Senior Fellow am Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam, machen sich Gedanken über die internationale Vorbildfunktion Deutschlands.

Imme Scholz: „Die Kohlefrage ist auch für andere Länder zentral“

Deutschland muss international zeigen, dass Wohlstand und sichere Energieversorgung auch mit drastisch sinkenden CO2-Emissionen möglich ist. In der zweiten Jahrhunderthälfte müssen wir es auch ohne schaffen. Darin besteht die Vorbildfunktion der Energiewende. Auch wenn jedes Land auf seinem Weg zur Dekarbonisierung unterschiedliche natürliche, sozio-ökonomische und politische Bedingungen vorfindet.

Wir müssen nicht nur technologische Lösungen entwickeln, sondern auch zeigen, wie man Energienetze und die Energievergütung umorganisiert, wie ein gesellschaftlicher Konsens dafür hergestellt werden kann, wie auch die ökonomisch starken Akteure von diesen Änderungen überzeugt werden können.

Die Vorbildfunktion funktioniert auch schon. Anfang der 2000er Jahre hatte Solarenergie in den Entwicklungsländern keinen guten Ruf. Erneuerbare Energien schienen etwas für arme Leute, schließlich nutzten sie die Industrieländer selbst kaum und vertraten sie vor allem in der Entwicklungszusammenarbeit. Jetzt werden Wind- und Solarstrom als echte Alternative wahrgenommen, nicht mehr als Mittel der Barmherzigkeit. Trotzdem ist in den Entwicklungsländern noch viel zu tun.

“Bei der Gebäudesanierung hinken wir hinterher”

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Energieeffizienz. Sie ist in der internationalen Diskussion um die Entwicklungsziele nach 2015 zentral bei der Verbesserung der Stromversorgung. In Deutschland und in der EU bearbeiten wir das Thema nicht stark genug. In der Industrie haben wir eine hohe Effizienz, aber im privaten Bereich, etwa bei der Gebäudesanierung, hinken wir hinterher.

Wir müssen zudem die Frage beantworten, wie lange wir noch auf Kohlestrom setzen wollen und wie viel wir davon noch brauchen. Die Kohlefrage ist auch für andere Länder zentral, die noch große Vorkommen dieser Ressource haben, etwa für China, Indien oder Südafrika.

In den USA hat Präsident Obama mit neuen technischen Vorgaben für Emissionen aus Kraftwerken das Ende der Kohlekraftwerke eingeleitet. Hier tut sich Deutschland bisher schwer. Wir müssen zeigen, wie man den Strukturwandel auch für die schafft, die von der Kohle leben. Das ist auch in der EU, in unserem Nachbarland Polen, sehr wichtig.

Die Energiewende wurde vor allem durch den Verzicht auf die Hochrisikotechnologie Kernkraft motiviert. Wir müssen es nun jedoch schaffen, die Loslösung von der Kernkraft auch mit hohen und schnellen CO2-Senkungen zu verknüpfen, sonst wird die internationale Kritik an der Energiewende zunehmen. Momentan steigen unsere Emissionen. Wenn wir den Trend nicht aufhalten, dann bekommen wir ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Alexander Müller: „Deutschland muss die Energiewende international dringend besser kommunizieren“

Die Energiewende hat in Deutschland neben der Bereitstellung von 25 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien auch international zu einem großen Erfolg beigetragen: Maßgeblich durch die deutsche Förderpolitik ist der Preis für Solarstrom seit der Jahrtausendwende von 60 Eurocent pro Kilowattstunde auf circa 10 Eurocent bei modernen Anlagen gefallen. Auch die Preise für die Investition in Solarpanele sind drastisch gefallen.

Wir haben der Solarenergie weltweit zum Durchbruch verholfen, Strom aus Sonne und Wind sind jetzt global wettbewerbsfähig und marktreif. Die globale Energielandschaft hat sich dadurch fundamental geändert. Die internationale Gemeinschaft hat jetzt die Chance, die Errungenschaften der Energiewende auch zur Bekämpfung der weltweiten Armut einzusetzen, denn der mangelnde Zugang zu moderner Energie ist immer eines der großen Hindernisse für Entwicklung.

Das ist ein bedeutendes „Nebenprodukt“ der deutschen Energiewende, eine echte entwicklungspolitische Leistung. Deutschland muss allerdings die Energiewende international dringend anders und besser kommunizieren. Die Diskussion über die Kosten in Deutschland überlagert die globale Dimension. Was wir mit dieser Kostensenkung erreicht haben ist ein großer Erfolg.

Doch statt diese Erfolg darzustellen hört der Rest der Welt aus Deutschland nur, dass die Energiewende Probleme verursacht: Die Strompreise sind zu hoch, wir bremsen den Ausbau erneuerbarer Energien, weil es angeblich zu schnell geht, zudem steigen die CO2-Emissionen wegen der Kohleverstromung. Das ist ein fatales Signal mit verheerender Wirkung.

Denn vor allem Entwicklungsländer schauen sich genau an, wie sie ihre Energieversorgung gestalten. Deshalb müssen reiche Staaten wie Deutschland weiter vorangehen, auch technologisch bei der Entwicklung von Speichern und Netzen. Nicht zuletzt deswegen ist es sinnvoll, die Kosten für die Innovation, das drastische Absenken der Preise, nicht mehr alleine über die EEG-Umlage zu finanzieren, sondern sie separat über einen Innovationsfonds auszuweisen.

“Wir brauchen ein starkes politisches Signal aus Deutschland”

Wir brauchen bei den derzeitigen Verhandlungen zu neuen, weltweiten, nachhaltigen Entwicklungszielen auf UN-Ebene eine starkes politische Signal aus Deutschland, um erneuerbare Energien als zentrales Thema der nächsten Entwicklungsziele zu verankern. Der Zugang zu Energieversorgung für alle Menschen ist einer der wichtigen Punkte dieser Post-2015-Agenda, die Frage ist nur, ob es dabei zu einem massiven Ausbau fossiler Kraftwerke kommt oder ärmere Länder gleich auf Wind- und Solarkraft setzen.

Die Energiewende hat es ermöglicht, dass erneuerbare Energien jetzt wettbewerbsfähig sind. Nachhaltige Energieversorgung und Bekämpfung der Armut gehen jetzt Hand in Hand.

Ein Vorteil kommt dabei bisher kaum zur Sprache: Energie- und Wasserversorgung müssen zusammen gedacht werden. China verbraucht beispielsweise einen Großteil seines geförderten Wassers zum Waschen von Kohle und zum Kühlen seiner Kohlekraftwerke. Der Bau von herkömmlichen Kraftwerken kann also den Wassermangel in einigen Regionen der Welt noch weiter verschärfen.

Nur mit erneuerbaren Energien, die kein Wasser beanspruchen, lässt sich das vermeiden. Bisher aber war noch kein deutscher Minister in New York und hat mit Überzeugungskraft dafür geworben, die Energiewende als zentrales Thema der Entwicklungspolitik zu etablieren.

Weiterführende Informationen

Mitteilung Bundeswirtschaftsministerium zur EEG-Reform

Imme Scholz, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik

Alexander Müller, IASS Potsdam