Wie kam es zu dem Projekt „UrbanInsects“ und was ist euer Ziel?
Durch fortschreitende Versiegelung urbaner Oberflächen nimmt auch in Städten die Biodiversität ab. Insbesondere vertikale Flächen sind oft ungenutzt und bieten große Potentiale. Gleichzeitig werden Sanierungen von Gebäuden aufgrund von Energieeinsparungen und somit für den Klimaschutz immer wichtiger. Mit dem Projekt wollen wir Lösungen entwickeln und untersuchen, wie in (Gebäude-)Fassaden schadensfrei zusätzliche Lebensräume für Insekten geschaffen werden können. Außerdem geht es um ein neues Naturerfahren für die Stadtbevölkerung sowie Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft für die Bedeutung von Insekten und die Habitat-Systeme. Wir möchten die Balance zeigen, zwischen der Förderung von Insekten und der Nutzung bestehender städtischen Strukturen.
Vor welchen Herausforderungen steht ihr bei der Umsetzung des Projekts?
Herausfordernd wird es sein, die Gesellschaft über Machbarkeit und Nutzen der Systeme zu informieren. Wir brauchen sichtbare Leuchtturmprojekte, um Interesse zu wecken, Ängste zu nehmen und ins Handeln zu kommen. Der Einbau in Fassaden muss reibungslos und sicher erfolgen, wobei Harmonie mit der Architektur wichtig ist. Zudem dürfen geeignete Grünflächen als Nahrungs- und Rückzugsraum für Insekten in der Umgebung nicht vergessen werden. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass Insekten nicht vermehrt in Innenräume gelangen oder dort Schaden verursachen, während sie im Außenbereich gefördert werden. Diese Punkte zeigen, dass technisches Know-how sowie eine enge Zusammenarbeit mit Planern, der Bauindustrie und der Öffentlichkeit erforderlich sind.
Ihr seid Teil des Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit. Was kann das Netzwerk von euch lernen? Was sind die Do’s und Don’ts für die Insektenförderung in Städten?
Ein zentrales Do ist, bei der Umsetzung der fassadenintegrierten Systeme die Anwohnenden ausreichend zu informieren. Es ist schön, wenn Menschen den Habitat-Systemen offen und positiv gegenüberstehen. Sogenannte „Beikräuter“ sollten im Stadtraum oder Garten stehen bleiben, da sie wertvolle Nahrungsquellen für heimische Insekten bieten. Außerdem sollten Flächen, wo immer möglich, begrünt werden – idealerweise mit heimischem Saatgut. Ein hohes und heterogenes Blühvorkommen ist für Insekten überlebenswichtig und schafft wiederum Lebensräume und Schutz. Zu den Don’ts gehört es, ungeeignete Materialien zu verwenden wie z.B. gesplitterte und kurze Gänge bei den Wildbienennisthilfen und keine insektenfreundlichen Grünflächen in der Umgebung mitzugestalten. Auch sollten die Insekten-Habitate im Winter nicht ins Haus geholt werden.
Zur zweiten Folge
„Und jetzt … ins Fassadengewimmel“
Zum Projektsteckbrief
Für jedes Projekt gibt es einen Steckbrief mit allen wichtigen Informationen zur Umsetzung – Nachmachen erwünscht!
Zu den Personen
Daniela Schätzel und Linda Meier sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Akustik und Bauphysik der Universität Stuttgart. Im Projekt „UrbanInsects“ werden bauphysikalische und ökologische Aspekte und gleichzeitig die gesellschaftliche Einstellung zu fassadenintegrierten Habitat-Systemen für Insekten untersucht. Hierbei bilden das Institut für Akustik und Bauphysik (IABP) und das ZIRIUS – Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung einen Forschungsverbund.
Biodiversität im Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit
Dieses Kurzinterview ist Teil einer Reihe des Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit, in dem Biodiversität als Fokusthema 2024 ausgerufen wurde. Denn neben der Klimakrise ist der dramatische Rückgang an biologischer Vielfalt die existentielle Bedrohung unserer Zeit. Biodiversität ist die Grundlage für unser Leben auf dieser Erde. Ob in der Stadtplanung, am Bau, in den Lieferketten von Unternehmen, in unserem Konsumverhalten, in Landwirtschaft und Landnutzung oder bei der Bekämpfung der Klimakrise – überall spielt biologische Vielfalt eine entscheidende Rolle. Mehr Angebote und Materialien zum Thema gibt es hier. Zur Newsletter-Anmeldung geht es hier.