Ruhepause für den Regenwald

Brasilien wird von Wissenschaftlern dafür gelobt, die Entwaldung im größten Regenwald der Erde, dem Amazonas, einzudämmen. Der Erfolg zeige, dass umwelt- und finanzpolitische Maßnahmen wirken. Nun warnen Forscher und Umweltlobbyisten: Die Entwicklung könnte nicht von Dauer sein. Viehzüchter und Sojabauern haben nach wie vor Bedarf an gerodeten Flächen.

Der Weltmeister ist: Brasilien. Der Austragungsort der Fußball-WM ist schon jetzt der Gewinner – und zwar im Klimaschutz. Das schreibt eine internationale Forschergruppe um David Nepstad vom Earth Innovation Institute in San Francisco in der aktuellen Ausgabe der Science (Bd. 344, S. 1118. 6. Juni 2014).

International hat sich das große Schwellenland zu keinen Minderungen verpflichtet. Es habe aber zwischen den Jahren 2005 und 2013 den Ausstoß von 3,2 Milliarden Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid vermieden, so die Wissenschaftler. Damit sei Brasilien zum globalen Vorreiter, „global leader“, geworden. Grund des Erfolges sei, dass das südamerikanische Land die Abholzung des Amazonas, des größten weltweiten Regenwaldgebietes, eingedämmt habe.

Rodungen gehen um 70 Prozent zurück

So seien im Jahr 2013 noch knapp 6.000 Quadratkilometer Wald gerodet worden. Dies seien 70 Prozent weniger als zwischen den Jahren 1996 und 2005. Im Mittel schlugen damals die Holzfäller jedes Jahr auf 19.500 Quadratkilometern die Bäume. Das wertvolle Tropenholz wurde verkauft, das Gros musste aber für Weideflächen oder den Sojaanbau weichen.

Brasilianisches Soja wird als Tierfutter, in der Lebensmittelindustrie und als Ausgangsstoff für Agro-Diesel nach Europa exportiert. Seit 2005 ist Brasilien laut der Umweltorganisation Greenpeace die Nummer eins unter den Soja exportierenden Ländern, gefolgt von Argentinien und den USA. So wurde nicht nur der Lebensraum Regenwald mit seinem Artenreichtum zerstört, sondern auch ein wertvoller Kohlenstoffspeicher.

Die Wissenschaftler machen in Science drei Phasen aus. Ende der 90er Jahre bis 2004, in der „Agro-Industriellen Expansion“ wurde die Vieh- und landwirtschaftliche Produktion besonders ausgeweitet. Der Markt boomte. Zwar gab es auch in diesen Zeiten Auflagen und Gesetze gegen die rasch voranschreitende Entwaldung. Sie wurden aber nicht eingehalten.

Dann fielen die Preise auf dem Sojamarkt. In den Jahren 2005 und 2006, in der Phase „Grenz-Überwachung“, kam eine Zeit der neuen Strategien. Der „Plan zum Schutz vor und zur Kontrolle von Abholzung im Amazonasgebiet“ wurde erfolgreich aufgestellt.

Zudem beschlossen die führenden Soja-Händler Brasiliens nach einer Kampagne der Umweltorganisation Greenpeace und zunehmendem Druck durch die Kunden ein Soja-Moratorium. Seither kaufen und handeln sie kein Soja mehr, das von Flächen stammt, die nach dem 26. Juli 2006 im Amazonas-Regenwald gerodet wurden. Die Bauern bewirtschafteten ihr Land effektiver.

Dann, ab 2007, ging die Regierung einen Schritt weiter. In der nun folgenden Phase „Territorial Performance“ sollten nicht nur einzelne Bauern auf Rodungen verzichten. Stattdessen wurden Gemeinden in die Verantwortung genommen: In Regionen, in denen viel Wald verloren ging, wurden Agrarkredite für die Bauern gestrichen. Zugleich wurden mit der UN-Klimaschutzinitiative Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation (REDD) und der überarbeiteten Weiterführung REDD+ Gelder zugesagt und mehr Gebiete unter Schutz gestellt.

Deutschland zahlt gut 90 Millionen Euro

Die Bundesregierung hat erst in diesem Juni über 50 Millionen Euro über die KfW-Entwicklungsbank zugesagt. Schon zwischen 2003 und 2014 hat Deutschland 41,4 Millionen Euro für 46 Schutzgebiete zur Verfügung gestellt.

Der Hunger nach Soja und Rindfleisch ist aber längst nicht gestillt. Die Forscher stellen selbst die Frage, wie stabil der Rückgang der Abholzungsraten ist. Sie warnen, das Sojamoratorium laufe Ende 2014 aus.

Zudem hänge es vom politischen Willen ab, ob Maßnahmen wie der Stopp der Kreditvergabe an Bauern beibehalten würden. Schon heute schrumpften die geschützten Gebiete.

Das habe mit der Reform des Waldgesetzes vom Oktober 2012 zu tun, erklärt der Forst-Experte beim WWF Deutschland, Roberto Maldonado. Vorgeschriebene Schutzwälder rund um Gewässer seien massiv verkleinert und illegale Rodungen aus der Vergangenheit seien „großflächig und nach dem Gießkannen-Prinzip“ von einer Strafverfolgung freigestellt worden.

90 Prozent der rund fünf Millionen Privatbesitzer im ländlichen Raum hätten davon profitiert. So sei denn auch zwischen August 2012 und Juli 2003 knapp 5900 Quadratkilometer Regenwald gefällt worden – 28 Prozent mehr als in zwölf Monaten davor. Die Holzfäller suchten sich zudem neue Regionen, südlich des Amazonas.

Brasilien macht Reformen zu lasten der Umwelt

Zugleich verhandele das brasilianische Parlament eine weitere Reform, die Unternehmen den Zugriff auf staatliche und indigene Schutzgebiete ermöglichen solle. So sei geplant, sagt Maldonado, dem Bau von Straßen, Wasserkraftwerken und Älförderanlagen „ohne fairen Konsultationsprozess Vorrang vor dem Umweltschutz einzuräumen.“

Nepstad und seine Kollegen meinen, die Herausforderung für Brasilien sei, auf dem Erfolg im Amazonasgebiet ein neues Modell der ländlichen Entwicklung aufzubauen – und zu fördern. Strafen und Verbote müssten dabei durch positive Anreize ergänzt werden, auch finanzielle. Die lokale Bevölkerung müsse davon leben können, wenn sie den Wald schützt.

Weiterführende Informationen

Slowing Amazon deforestation – Artikel in Science

Pressemitteilung KfW-Bank, Zahlungen für Regenwald

Greenpeace-Pressemitteilung zum Sojamoratorium

Deforestation Success Stories – Publikation