RNE diskutiert über Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie

Der RNE lud Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ein, um über die Governance der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zu diskutieren. Dabei gab es auch Kritik – junge Menschen würden zu wenig eingebunden, Wirtschaftswachstum gelte immer noch als Allheilmittel. Die wichtigsten Denkanstöße aus den Impulsvorträgen in der Zusammenfassung.

Wo steht Deutschland bei der Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen? Diese soll, kurz gesagt,  Frieden und ein gutes Leben für alle Menschen auf der Erde bringen. Das bedeutet auch, dass die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) „in, durch und mit Deutschland“ verwirklicht werden müssen. So formulierte es Olaf Tschimpke, stellvertretender Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), zur Eröffnung eines Abendempfangs des RNE zur Governance der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie.
Andreas Jung, Vorsitzender des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung, betonte ebenfalls die Verpflichtung der Agenda 2030: „Sie ist ein Weltzukunftsvertrag. Deutschland hat sich gemeinsam mit allen UN-Mitgliedern verpflichtet, kraftvoll für eine nachhaltige Entwicklung einzutreten und die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Als Bundestagsabgeordnete müssen wir dabei eine wichtige Rolle übernehmen und die Nachhaltigkeitsziele mit Leben füllen – im Parlament und durch unsere Arbeit in den Wahlkreisen. Die überarbeitete Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie ist für uns dabei ein wichtiger Kompass.“
Aus Sicht von Olaf Tschimpke zeigten die SDGs allerdings auch, dass hierzulande Defizite bei zentralen Zukunftsfeldern bestehen. Voraussetzungen für eine verbesserte Governance sind für ihn die strukturelle Einbindung aller gesellschaftlichen Akteure sowie eine bessere Koordination der Bundesministerien, um die Kohärenz der Politik zu stärken.
„Der Rat für Nachhaltige Entwicklung setzt auf bewährte Verfahren wie Dialoge mit den verschiedenen Akteuren. Gleichzeitig gehen wir Neues an“, sagte Tschimpke. Er nannte beispielsweise die vier Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN), die deutschlandweit Akteure zwischen Regionen und über Ländergrenzen hinweg vernetzen. Der RNE werde sich an der Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie beteiligen und dabei insbesondere die Managementregeln zur Umsetzung der Strategie prüfen. Außerdem wolle der RNE einen weiteren Peer Review durchführen, in dem die deutsche Nachhaltigkeitspolitik von unabhängigen internationalen Experten beurteilt wird, sagte Tschimpke.
Wichtig sei auch die Frage, ob die Nachhaltigkeitsstrategie als Baustein für eine Zukunftspolitik Deutschlands in die Regierungsbildung im Herbst eingeht. Die Indikatoren, mit denen die Ziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie überprüft werden, müssten weiterentwickelt werden, die bisherigen seien teilweise „nur Verlegenheitslösungen“, so Tschimpke.
Enttäuschung aus Sicht junger Menschen 
Die Geschäftsführerin des Deutschen Bundesjugendrings, Clara Wengert, hatte konkrete Ideen, welche Indikatoren zusätzlich gebraucht werden: „Wir kritisieren zum Beispiel, dass Kinderrechte als Indikator für eine nachhaltige Entwicklung fehlen. Zur Kinder- und Jugendarmut sagt die Bundesregierung nichts, obwohl dies Faktoren in einer Nachhaltigkeitsstrategie sein müssten“, sagte Wengert. Sie kritisierte die bisherige Form der Nachhaltigkeitsstrategie deutlich: „Aus der Perspektive junger Menschen und künftiger Generationen bleibt auch die Neuauflage der Strategie eine Enttäuschung.“
So fehlten auch Indikatoren für eine jugendgerechte Mobilität, vor allem zum Aus- und Umbau des öffentlichen Nahverkehrs. Für Kinder und Jugendliche sei das aber der Schlüssel zur Teilhabe, Zugang zu Wissen und für neue Erfahrungen. Bei der Digitalisierung liege der Fokus zu sehr auf den wirtschaftlichen Aspekten. „Die sozialen oder ökologischen Aspekte der Digitalisierung bleiben außen vor“, so Wengert. Enttäuschend sei, dass Ideen zur politischen Teilhabe junger Menschen fehlten, obwohl das ausdrücklich eines der Ziele der SDGs sei. „Immerhin hat die Bundesregierung erklärt, dass sie mit Interessenvertretungen junger Menschen ins Gespräch kommen will“, schloss Wengert.
Nachhaltigkeits-TÜV für Gesetze
Bernd Bornhorst, der Vorsitzende des Dachverbandes der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen in Deutschland, Venro, sieht „positive Strukturelemente“ in der Nachhaltigkeitsarchitektur in Deutschland – etwa die in jedem Bundesministerium neu eingesetzten Ressortkoordinatoren. „Das reicht aber nicht“, sagte Bornhorst. Ihm schwebt ein „Nachhaltigkeits-TÜV“ und eine Gesetzesfolgenabschätzung vor, um zu prüfen, wie sich Gesetze auf die nachhaltige Entwicklung auswirken. Auch er mahnt an, dass alle Politikbereiche auf die Nachhaltigkeitsstrategie ausgerichtet sein müssten. „Für uns wäre es das Schlimmste, wenn die Nachhaltigkeitsstrategie – und damit auch die Arbeit des RNE – lediglich auf eine Umwelt- und Entwicklungsagenda reduziert werden würde“, so Bornhorst.
Bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie und der SDGs gehe es weniger um technische oder ökonomische Fragen. Wichtiger sei eine Auseinandersetzung mit den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessenskonflikten und Widersprüchen, die einer nachhaltigen Entwicklung entgegenstünden. „Im Zentrum geht es dabei auch um unsere Wirtschaftsweise und den Glauben an Wirtschaftswachstum als Allheilmittel“, sagte Bornhorst.
Alle Akteure müssen an einem Strang ziehen
Wie wichtig das Zusammenspiel aller Kräfte ist, das betonte Wolfgang Große Entrup, Vorstandsvorsitzender von Econsense, dem Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft. „Wir benötigen System- und keine Insellösungen“, sagte er. Die Bundesregierung müsse auf Kohärenz in der Nachhaltigkeitspolitik achten, Unternehmen müssten mit Innovationen nachhaltige Lösungen in ihrem jeweiligen Kerngeschäft vorantreiben.
Die Zivilgesellschaft müsse Nachhaltigkeit einfordern und honorieren. „Es ist für uns entscheidend, dass die Wirtschaft aktiv in die Governance der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie eingebunden wird. Der Austausch mit der Wirtschaft kann nicht nur punktuell erfolgen, sondern muss institutionell verankert sein“, sagte Große Entrup. Zudem appellierte er an die internationale Verantwortung der Bundesrepublik. „Deutschland kann bei der Umsetzung der Agenda 2030 und den 17 SDGs nicht alleine vorangehen, sondern nur abgestimmt im internationalen Verbund.“