„Prokon hatte mit nachhaltigen Geldanlagen nichts zu tun“, Interview mit dem Finanzexperten Volker Weber

Die Europäische Zentralbank hat in einem historischen Entscheid für bestimmte Bankeinlagen erstmals Negativzinsen eingeführt und den Leitzins weiter auf fast Null gesenkt. Volker Weber, Vorsitzender des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG), erklärt im Interview, dass die EZB-Politik auch Auswirkungen auf ökologische und soziale Anlagen hat – und manchen Projekten sogar hilft.
Herr Weber, wegen der Niedrigzinspolitik der EZB werfen Geldanlagen immer weniger Renditen ab. Trifft das auch auf nachhaltige Geldanlagen zu?
Volker Weber: Nachhaltige Geldanlagen sind in allen Anlageklassen vertreten, deshalb ereilt sie im festverzinslichen Bereich ein ähnliches Schicksal wie herkömmliche Geldanlagen. Aktien profitieren ganz klar, ebenso wie Investitionen in konkrete Projekte, etwa im Solarbereich, weil das Kapital billiger zu bekommen ist. Eine EZB-Entscheidung wirkt auf nachhaltige wie auf herkömmliche Geldanlagen gleich.
Es gibt unterschiedliche Definitionen, was eine nachhaltige Geldanlage überhaupt ist. Nehmen wir die Strengste, nach der das Geld nur in Projekte fließt, die explizit ökologische und soziale Ziele verfolgen. Sind dort die Renditen bald höher als bei Lebensversicherungen?
Die Renditen von Lebensversicherungen sind historisch tief. Investitionen in ökologische und soziale Projekte verzinsen zwischen vier und sieben Prozent, je nach Standort und Laufzeit. Früher waren nachhaltige Geldanlagen meist Wind- oder Solarprojekte, jetzt sind es immer mehr soziale Einrichtungen, wie Schulen oder Resozialisierungsprojekte. Auch da gilt momentan, dass die Projektkosten wegen der niedrigen Zinsen sinken. Aber das gilt allgemein.
Sind nachhaltige Geldanlagen wenigstens sicherer?
Es gibt Studien, die zeigen, dass nachhaltige Geldanlagen in den letzten 30 Jahren besser performt haben als herkömmliche. Das liegt daran, dass nachhaltige Geldanlagen nachweisen müssen, dass sie auch wirklich nachhaltig sind. Wir machen einen zweistufigen Analyseprozess, und schon beim ersten, dem Nachweis der Nachhaltigkeit, fliegen die schlechtesten Werte raus. Erst dann kommt eine Finanzanalyse. Sie haben also zwei Qualitätschecks. Dadurch gibt es eine kleinere Anzahl an Investmentmöglichkeiten, dafür bessere. Bei den meisten Nachhaltigkeitsfonds waren so zum Beispiel Staatsanleihen aus Portugal oder Griechenland gar nicht erst enthalten.
Welche Rolle spielen denn die Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen, etwa der Deutsche Nachhaltigkeitskodex oder die Global Reporting Initiative?
Diese Berichte werden immer wichtiger. Auch Analysten im herkömmlichen Finanzmarkt ziehen sie mittlerweile zu Rate und achten auf Aspekte der Nachhaltigkeit, um ein Unternehmen zu bewerten.
Wird es dadurch schwerer, eine Unterscheidung zwischen den Geldanlagen zu treffen?
Nein, das nicht. Aber man muss genau hinschauen, wie hoch ein Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit hängt. Ist es wirklich in der Führung angekommen oder hängt es in Unterabteilungen fest? Gibt es eine echte, in sich geschlossene Nachhaltigkeitsstrategie? Wie viel davon wird umgesetzt? Richtig ist, dass es zu einer Annäherung zwischen nachhaltigen und herkömmlichen Portfolien kommt. Oft schließen vermeintlich nachhaltige Fonds aber nur einzelne Ereignisse aus: Rüstung, Kinderarbeit, Unternehmen, die Streumunition herstellen. Solche reinen Ausschlusskriterien sind uns zu wenig. Wir haben zusammen mit dem Eurosif, der europäischen Dachorganisation für nachhaltige Geldanlagen, übrigens schon 2008 das Transparenzlogo entwickelt, das vor allem die Nachhaltigkeitspolitik des Fondsinvestments offenlegt. Seit 2012 sind die FNG-Nachhaltigkeitsprofile kostenfrei erhältlichen, sie fassen das Investment auf zwei Seiten kurz und knackig zusammen.
Kürzlich ist Prokon, Projektierer von Wind- und Solarparks, in die Insolvenz gegangen. Sind Anleger nun verunsichert, weil selbst grüne Geldanlagen einen Totalverlust bedeuten können?
Prokon hatte mit nachhaltigen Geldanlagen nun wirklich nichts zu tun. Es gab rechtzeitig und zuhauf Warnungen, dass das Geschäftsmodell der Firma nicht funktionieren kann. Am Ende war es eine normale Unternehmenspleite aufgrund klarer, absehbarer Managementfehler.
Trotzdem gab es in der Vergangenheit schlechte Öko-Investments: Erst die große Pleitewelle im Biosprit-Bereich, dann der Absturz der Solarwerte.
Biosprit war nie Teil nachhaltiger Geldanlagen nach unserer Definition, wegen der Diskussion um Tank und Teller haben es die meisten Fonds ausgeschlossen. Ohne Frage haben beim Solarabsturz viele Menschen Geld eingebüßt, ich übrigens auch. Im Grunde waren die Geschäftsmodelle nicht nachhaltig, weil sie einseitig auf die staatlichen Förderungen ausgelegt waren, der Markt war also stark reguliert. Im Nachhinein ist man immer schlauer.
Was empfehlen Sie für die Zukunft, wenn man sein Geld nachhaltig anlegen will?
Es sind die herkömmlichen Weisheiten: Investment möglichst breit streuen. Es gibt sehr gute nachhaltige Fonds, entweder reine Aktienfonds oder auch solche, die Rentenpapiere enthalten. Auch nachhaltige Banken bieten gute Produkte an.
Sie empfehlen momentan, in den Aktienmarkt einzusteigen? Der DAX steht bei 10.000 Punkten. Da steigt man doch am Scheitelpunkt der Welle ein, oder?
Da muss ich schmunzeln. Die Frage habe ich auch schon gestellt bekommen, als der DAX bei 8000 und 9000 Punkten war. Eine gewisse Streuung in Aktien kann nie schaden, wenn Sie ihr Geld langfristig anlegen wollen. Wenn Sie kurzfristig bis Ende des Jahres Profit machen wollen, könnten Sie natürlich Pech haben. Aber so eine Anlagestrategie ist ohnehin eines nicht: nachhaltig.

Das Interview führte Ingo Arzt

Weiterführende Informationen

Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2014 des FNG

Zinsentscheid der EZB, Pressemitteilung

Homepage von Eurosif

Nachhaltigkeitsprofile des FNG