„Obama ist die wichtigste Persönlichkeit der US-Geschichte im Kampf gegen den Klimawandel“ - Interview mit Paul Bledsoe, ehemaliger Klimaberater von Bill Clinton

Barack Obama bezeichnet in seiner Rede zur Lage der Nation den Klimawandel als größte Gefahr für künftige Generationen. Paul Bledsoe, Klima und Energie-Experte des German Marshall Fund und ehemaliger Berater im Weißen Haus, erklärt im Interview, warum es der US-Präsident ernst meint und warum ein republikanischer Präsident eine Gefahr für den Klimaschutz wäre.

2014 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Hilft das der Obama-Administration, klare Klimaschutzziele auszugeben?

Paul Bledsoe: Definitiv. Die Medien in den USA haben das Thema groß aufgegriffen. In der New York Times und der Washington Post war es auf der Titelseite. Der Tenor war, dass die Daten den Skeptikern des Klimawandels große Probleme bereiten. Wie es Präsident Obama in seiner Rede zur Lage der Nation formuliert hat: 14 der letzten 15 Jahre gehören zu den wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Zudem ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre im vergangenen Jahr über die Schwelle von 400 parts per million gestiegen, es wird also immer kritischer.

Wie reagieren die Republikaner in den USA, die den Klimawandel zum größten Teil nicht anerkennen?

Das setzt sie von Seiten der Wähler und Medien unter Druck. Klimawandel wird im nächsten Präsidentenwahlkampf 2016 ein größeres Thema als jemals zuvor sein. Ich glaube, die Republikaner haben eine ziemlich schizophrene Position: Mitt Romney, der Obama 2012 herausgefordert hatte, sagte kürzlich, er zweifle nicht daran, dass der Klimawandel stattfindet, er zweifle lediglich daran, dass die Maßnahmen des Präsidenten die richtigen sind. Während seines Wahlkampfes hatte er den Klimawandel abgestritten, vor dem Wahlkampf auch anerkannt.

Im Wahlkampf 2012 ist kaum über Klimawandel gesprochen worden. Warum?

Obama hat den Klimawandel erwähnt, allerdings war die damals schlechte Lage der Wirtschaft das wichtigere Thema. Der Präsident hat seit seiner Wiederwahl, trotz des Widerstandes der Republikaner, weitreichende Maßnahmen getroffen. Er hat Emissionsreduktionen für Fahrzeuge und Kraftwerke beschlossen, hat erneuerbare Energien gefördert und sogar China dazu gebracht, die Emissionen ab 2030 zu reduzieren. Obama ist die wichtigste Persönlichkeit der US-Geschichte im Kampf gegen den Klimawandel.

Wie sieht denn die öffentliche Meinung aus?

Seit Jahren hält die amerikanische Öffentlichkeit in allen Umfragen den Klimawandel für ein ernstes Problem. Zudem verändern sich zwei Dinge: Die Auswirkungen des Klimawandels werden auch für konservative Republikaner immer sichtbarer. Eine neue Umfrage zeigt sogar, dass die Mehrheit der Amerikaner höhere Energiekosten in Kauf nehmen würden, wenn dadurch das Klima geschützt wird. Der zweite Grund ist, dass die Wirtschaft besser läuft, dann machen sich die Leute auch wieder mehr Gedanken über den Klimawandel.

Obama hat angekündigt, sein Veto gegen jedes Gesetz einzulegen, das bisherige Klimaschutzmaßnahmen wieder rückgängig macht….

”¦ das wird er, definitiv. Der Kongress könnte ihn dann nur mit einer Zweidrittelmehrheit überstimmen und die haben die Republikaner nicht. Die wirklich wichtige Frage ist: Falls ein Republikaner 2016 Präsident wird, wird er die Maßnahmen Obamas rückgängig machen? Das ist eine echte Gefahr. Denn in den Vorwahlen der Republikaner werden alle Kandidaten unter Druck gesetzt, genau das anzukündigen. Das macht mir große Sorgen. Es geht dabei um Geld für den Wahlkampf und um die rechte Ideologie der Tea Party.

Momentan kann Obama Emissionsreduktionen über die US-Umweltbehörde ohne Zustimmung des Kongresses anordnen. Reicht das aus oder braucht es neue Gesetze?

Obama will die US-Emissionen bis 2020 um 17 Prozent gemessen an 2005 senken. Dafür müssten die bisherigen Regulierungen ausreichen. Bis 2025 sollen sie dann zwischen 2,3 und 2,8 Prozent im Jahr sinken und das wird schwer ohne neue Gesetze. Deshalb ist die nächste Präsidentenwahl und die nächste Kongresswahl extrem wichtig in Bezug auf den Klimawandel. Falls die USA ihre Emissionen wirklich wirksam reduzieren wollen, braucht es auf jeden Fall eine Mehrheit im Kongress, die das unterstützt. Momentan haben dort die Republikaner das Sagen.

Braucht es auch eine Kongressmehrheit für ein internationales Klimaschutzabkommen, das möglicherweise dieses Jahr in Paris verabschiedet wird?

Die US-Regierung hat bereits klargestellt, dass sie in Paris nicht über einen völkerrechtlich bindenden Vertrag zu Emissionsminderungen verhandeln wird. Obama will eine rechtlich nicht bindende Vereinbarung, die dann auch nicht vom US-Senat ratifiziert werden müsste. Sollten wir in Paris versuchen, einen rechtlich bindenden Vertrag zu verhandeln, wird das nach hinten losgehen. Dann werden wir keine ambitionierten Reduktionsziele sehen. Falls die Europäer auf einen solchen Vertrag bestehen, werden sie die gesamten Verhandlungen gegen die Wand fahren. Mit den USA und anderen Ländern wie Kanada oder Japan ist das nicht zu machen. Dann bekommen wir gar nichts.

Was wird es dann geben?

Ich vermute das, was wir pledge and review nennen – also Zusagen zu Emissionsminderungen und Vereinbarungen, wie der Fortschritt überprüft wird. Es braucht rechtlich bindende Vorhaben innerhalb einzelner Länder, nicht auf internationaler Ebene. Dort gibt es ohnehin keine Sanktionsmittel, falls sich jemand nicht daran hält.

Könnte die USA die Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel von den Europäern übernehmen?

Die USA und die EU arbeiten besser zusammen als jemals zuvor, um eine Vereinbarung auf UN-Ebene zu bekommen. Das und die Tatsache, dass auch Entwicklungsländer wie China ihren Beitrag leisten, stimmt mich sehr optimistisch, dass wir im Dezember in Paris eine Vereinbarung hinbekommen. Das wird das Klimaproblem aber nicht lösen. Wir müssen eine Menge anderer Dinge auf den Weg bringen, zum Beispiel extreme Klimagase wie HFCs komplett abschaffen. Die Weltbank und andere Entwicklungsbanken müssen eine grünere Ökonomie besonders in Entwicklungsländern fördern. Wir müssen höhere Anreize für entsprechende Investitionen im Privatsektor schaffen. Wir müssen noch viel machen, ein Abkommen von Paris wäre nur ein Schritt.

Laut dem IPCC-Report müssten die CO2-Emissionen deutlich schneller sinken als das, was sich in Paris abzeichnet. Wäre ein Abkommen mit zu niedrigen Klimaschutzzielen ein Rückschlag?

Wir werden in Paris definitiv keine Vereinbarung bekommen, mit der die Erwärmung der Erde auf zwei Grad begrenzt werden kann und wir sollten das auch nicht erwarten. Aber wir werden einen sehr wichtigen Schritt machen. Und wir werden eine Menge Maßnahmen außerhalb eines internationalen Klimaschutzabkommens ergreifen müssen. Der Kampf gegen den Klimawandel ist ein Marathon. Wir sollten das Rennen nicht abbrechen, nur weil die Zwischenzeit nicht nach einem Weltrekord aussieht.

Weiterführende Informationen

Paul Bledsoe auf der Webseite des German Marshall Funds

Transkription von Obamas Rede zur Lage der Nation