Nachhaltigkeit im Handwerk: Von Generation zu Generation

Klimaschutz, sorgsamer Umgang mit Ressourcen und sichere Arbeitsplätze: Das Handwerk ist ein wichtiger Treiber für nachhaltiges Wirtschaften. Die Politik will die Branche unterstützen, in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie gibt es mit Blick auf das Handwerk jedoch Nachholbedarf.

Nachhaltig arbeiten im Handwerk, aber wie? Für Katja Hobler aus der Unternehmensleitung von Glöckner Natursteine im saarländischen Neunkirchen ist das keine Frage mehr. Den Ausschlag für den Betrieb gab das Bedürfnis, dass die Materialien, die verarbeitet werden, nicht aus ausbeuterischen Verhältnissen kommen. Für Hobler geht es um einen ganzheitlichen Ansatz, der das Thema Nachhaltigkeit ins Zentrum der Zusammenarbeit mit den Beschäftigten, den Kundinnen und Kunden sowie den Lieferfirmen stellt.

Bereits 2017 veröffentlichte das Unternehmen eine Nachhaltigkeitserklärung nach den Kriterien des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Für die Firmenleitung heißt das, über das Alltagsgeschäft in all seinen Facetten zum Thema Nachhaltigkeit Klarheit und Transparenz zu schaffen.

Hobler stellte nachhaltiges Wirtschaften in ihrem Betrieb beim 2. Forum des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) vor. Unter dem Motto „Wir denken in Generationen” konzentrierte sich der Verband auf die Expertise in Sachen Nachhaltigkeit in Handwerksbetrieben. Hobler warb darum, Anreize für Handwerksbetriebe zu schaffen und große Nachhaltigkeitsziele auf den Einflussbereich der einzelnen Betriebe herunterzubrechen.

In diesem Zusammenhang wies sie auf den seit November 2020 bestehenden Nachhaltigkeits-Navigator hin. Dort bekommen Angestellte und Leitung von Handwerksbetrieben Handlungsempfehlungen und Unterstützung bei der Erstellung von DNK-Erklärungen und zur Umsetzung verschiedener nachhaltigkeitsrelevanter Maßnahmen im eigenen Betrieb. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Nationalen Aktionsplans „Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)“ gefördert. Die Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk e. V. (ZWH) entwickelt gemeinsam mit Expertinnen und Experten für nachhaltiges Wirtschaften praxisorientierte Instrumente, um Nachhaltigkeit im Handwerk zu stärken und die bereits vorhandenen besser sichtbar zu machen.

Anreize schaffen, Hilfen bereitstellen

Ohne den Beitrag aller Akteure wie die des Handwerks können die UN-Nachhaltigkeitsziele bis 2030 nicht erreicht werden, das ist auch der Politik bewusst. Für Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sind die Betriebe Bündnispartner in Sachen Nachhaltigkeit. Zum Beispiel beim nachhaltigen Bauen. Bis 2050 soll der Gebäudebestand klimaneutral sein und ein reduzierter Energieverbrauch über regenerative Energien bewerkstelligt werden. Förderprogramme sollen Anreize schaffen, um die Sanierungsrate der Gebäude zu erhöhen. Oder beim Reparieren und der Wiederverwendbarkeit von Produkten. Dass gesetzliche Vorgaben mehr Bürokratie oder Berichtspflichten mit sich bringen, weiß auch Schulze: „Wir müssen zu klugen und EU-weiten Regeln kommen“, sagte die Bundesumweltministerium beim Handwerksforum.

Allerdings stellt die Transformation, beispielsweise der Prozess weg von fossilen Energien hin zu regenerativen Energien, viele Betriebe vor große Herausforderungen. Armin Laschet (CDU) Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, führte dazu den Ausstieg aus der Braunkohle an. Die Handwerkskammern würden helfen, neue Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen zu schaffen. Für viele Fragezeichen sorge die Corona-Pandemie. „Das Handwerk ist in einigen Branchen sehr stark betroffen“, sagte Laschet. Nach der Pandemie käme es darauf an, schnell wieder Kräfte zu mobilisieren und unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit neue Jobs zu schaffen.

Wie wichtig der Erhalt von Arbeitsplätzen und der Einsatz von Fachkräften im Handwerk, insbesondere in ländlichen, strukturschwachen Regionen sei, betonte auch Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende Bündnis 90/ Die Grünen. „Das Handwerk ist der beste Spiegel unseres gesellschaftlichen Lebens.“ Baerbock sprach sich für konkrete Verpflichtungen beim Neubau, etwa von Solaranlagen aus, oder für Steuererleichterungen und Abschreibungsmöglichkeiten, wenn sich die Betriebe für nachhaltige Lösungen ihrer Aufträge entscheiden.

Handwerk steht für Nachhaltigkeit

Für Werner Schnappauf, den Vorsitzenden des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), steht das Handwerk an sich für Nachhaltigkeit. Das Denken in Generationen, die Wertschätzung von Familienbetrieben, der Fokus auf Produkte, die langlebig sein sollen – all das sind für Schnappauf Kriterien, die für nachhaltiges Wirtschaften stehen. In der von den UN ausgerufenen Dekade des Handelns zur Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs), spiele auch das Handwerk eine wichtige Rolle.

Dies zeige sich aktuell noch nicht ausreichend in der gerade veröffentlichten Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. „Es reicht nicht nachzusteuern, sondern man muss umsteuern“, sagte Schnappauf. Regenerative Energien, grüner Wasserstoff oder der Bau von Netzstrukturen, überall benötige man das Handwerk für die Umsetzung der Transformation. Nachhaltigkeit sei eine Gemeinschaftsaufgabe, die Erfahrungswerte aus den Betrieben hierbei eine wichtige Ressource.

Prof. Christa Liedtke, der Co-Vorsitzenden der Wissensplattform Nachhaltigkeit, sprach sich, wie auch Werner Schnappauf, klar für Förderprogramme für Handwerksbetriebe aus, die nachhaltig arbeiten und ihr Wissen ausbauen oder weitergeben wollen, aber keine Ressourcen für den Aufbau von eigenen Nachhaltigkeitsabteilungen haben.

Förderprogramme, freiwillige Selbstverpflichtungen, Bürokratieabbau. Hans Peter Wollseifer, Präsident des ZDH, will die Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik beim Wort nehmen. „Wir sind bereit unseren Erfahrungsschatz einzubringen“, sagte Wollseifer zum Abschluss des Forums. „Zapfen Sie die Betriebe einfach an.“ Denn wie der Titel der Veranstaltung es treffend zusammenfasst: „Handwerk denkt in Generationen – und erwartet das auch von der Politik“.