Nachhaltigkeit braucht Netzneutralität

Weltweit kämpfen Internetaktivisten und Politiker für die sogenannte Netzneutralität. Dahinter verbirgt sich das Prinzip, dass alle in den Netzen übertragenen Datenpakete gleich behandelt werden. Auf EU-Ebene wird derzeit eine Richtlinie dazu verhandelt. Der US-amerikanische Politik-Analyst Jeremy Malcolm stellt die These auf: Ohne Netzneutralität ist die globale nachhaltige Entwicklung gefährdet.

Die USA sind derzeit Vorreiter in einer weltweiten Debatte um einen freien Zugang zum Internet: Präsident Barack Obama persönlich hatte sich für die sogenannte Netzneutralität eingesetzt, nach jahrelangem Ringen hat die Federal Communications Commission (FCC) des Landes im Februar eine bedingungslose Netzneutralität beschlossen.

Seit dem 12. Juni sind alle Internetanbieter in den USA verpflichtet, alle Datenpakete im Netz gleich zu behandeln. Sie dürfen einzelne Dienste im Netz nicht selektiv blockieren, drosseln oder gegen Bezahlung bevorzugen.

Zum Hintergrund: Zwar kennt jeder das Prinzip, dass schnellere Internetanschlüsse mit einem höheren Datenvolumen auch mehr Geld kosten. Sobald die Daten aber im Netz sind, werden sie bisher, zumindest in Deutschland, meist gleich behandelt. Gibt es einen Datenstau, sind alle gleichermaßen davon betroffen. Telekommunikationskonzernen ist das schon lange ein Dorn im Auge. Sie wollen einzelne Kunden gegen Bezahlung eine schnellere Durchleitung gewähren.

US-Behörde: Freier Netzzugang Teil der Grundversorgung

Die Deutsche Telekom etwa argumentiert, dass die Daten bestimmter Dienste wie ein Videostream für qualitativ hochwertige Übertragungen eben auch schneller transportiert werden müssten – ebenso wie wichtige Anwendungen etwa in der Telemedizin.

Die FCC sieht dagegen den freien Zugang zum Netz als Teil der öffentlichen Grundversorgung, ähnlich wie ein Wasser- oder Stromanschluss. Internationale Bündnisse wie Net Neutrality sehen die Gefahr, dass Netzbetreiber „entscheiden und kontrollieren wollen, zu welchen Teilen des Internets ihre Nutzer Zugang bekommen.“

Genau hier setzt die Argumentation von Jeremy Malcolm an, Senior Global Policy Analyst bei der Electronic Frontier Foundation, die sich für Bürgerrechte in der digitalen Welt einsetzt. „In vielen Entwicklungsländern nutzen Menschen derzeit erstmals das Internet. Wenn sie nur bestimmte Webseiten aufrufen können, halten sie das für das gesamte Internet – und bleiben in dieser Monokultur hängen“, fürchtet Malcolm. Das aber sei für die Entwicklung einer Zivilgesellschaft fatal: Der Zugang zu unabhängigen Medien könnte limitiert werden, gerade Nichtregierungsorganisationen, Umweltgruppen oder zivilgesellschaftliche Organisationen hätten so das Nachsehen.

Dass das keine abstrakte Gefahr ist, zeigt Malcolm am Beispiel Indien auf: Dort benutzen derzeit pro Quartal 14 bis 15 Millionen Menschen erstmals das Internet. Kürzlich tourte Facebook-Chef Mark Zuckerberg persönlich durch das Land, er will abgeschiedene Regionen ans Netz anschließen.

Facebook würde damit zum Netzanbieter – und will den indischen Usern nur Zugang zu Diensten auf der eigenen Plattform Internet.org bieten. Gegen diese und ähnliche Pläne anderer Anbieter gibt es nun Widerstand in Indien.

Globale Zivilgesellschaft braucht ein freies Netz

Malcolm verweist darauf, dass erst der freie Zugang zum Netz eine globale Zivilgesellschaft ermöglicht hätte. Erst durch einen diskriminierungsfreien Internetzugang könnten globale Gruppen Petitionen ins Netz stellen, schlechte Umwelt- oder Sozialstandards von Firmen anprangern, ohne Einschränkungen ihrer Kommunikation fürchten zu müssen.

Auf EU-Ebene finden derzeit Trialog-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission über eine Richtlinie unter anderem zur Netzneutralität statt. Das EU-Parlament will „die Offenheit des Internets und die Netzneutralität im EU-Recht“ verankern und den „gesamten Datenverkehr im Internet gleich behandeln“.

In der Vorlage der EU-Ratspräsidentschaft deutet sich eine Einigung an: Demnach soll zwar „traffic management“ möglich sein, also das Priorisieren gewisser Datenpakete, allerdings nur zum Zwecke technischer Verbesserungen und „nicht auf Basis wirtschaftlicher Überlegungen“. Der Ausgang der Gespräche ist allerdings noch völlig offen.

Weiterführende Informationen

Definition Netzneutralität auf Wikipedia

Vorschlag EU-Ratspräsidentschaft zur Netzneutralität [pdf, 427 KB]

Beschluss EU-Parlament zur Netzneutralität

Regeln zur Netzneutrallität in den USA

Argumentation der Deutschen Telekom

Argumentation Bündnis für Netzneutralität