Klimakonferenz in Warschau mit kleinen Fortschritten

Die Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention haben sich in Warschau  auf einen grundlegenden Fahrplan für ein neues, weltweites Klimaschutzabkommen geeinigt. Es soll 2015 beim Klimagipfel in Paris verabschiedet werden. Entwicklungs- und Schwellenländer setzten den neuen „Warschauer Mechanismus“ durch, der ihnen in einigen Jahren Finanzhilfen der Industriestaaten zur Bewältigung von Klimawandel-Schäden sichern soll. Das Waldschutzabkommen REDD+ kann nach den jüngsten Beschlüssen demnächst in Kraft treten.
Hauptziel der UN-Klimaverhandlungen sind verpflichtende Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen. Nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls von 1997 im Jahr 2012 hat nur noch eine Handvoll Staaten verbindliche Zusagen für das Jahr 2020 gemacht. Die EU etwa will ihren Treibhausgasausstoß bis 2020 um 20 Prozent gegenüber 1990 senken. Die Teilnehmer der zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls stehen aber nur noch für 15 Prozent der globalen Emissionen, neben Industriestaaten wie Japan und Russland fehlen vor allem verbindliche Zusagen der stetig wachsenden Entwicklungs- und Schwellenländer. Während der laufenden Verhandlungen geht es um ein Nachfolge-Abkommen für das Kyoto-Protokoll, das Treibhausgas-Reduktionen nach 2020 auf breiter Basis regelt.
Die EU und die USA haben in Warschau erreicht, dass auch die Entwicklungs- und Schwellenländer bis 2015 neue Reduktionsziele benennen sollen. Vertagt wurde jedoch eine Vereinbarung über den rechtlichen Status der Ziele. Hatte sich vor allem Frankreich zunächst für „Verpflichtungen“ eingesetzt, findet sich im Abschlussdokument vor allem auf Druck von China und Indien nur noch die Formulierung „Beiträge“. Nach der Vereinbarung von Warschau werden die Vertragsstaaten „eingeladen“, ihre Beiträge bis März 2015 zu benennen, bevor sie zum Jahresende in Paris beschlossen werden.
Das Bundesumweltministerium  wertete die Einigung auf ein konkretes Datum als Erfolg. „Die Vereinbarungen ermöglichen es uns, weiter voranzuschreiten auf dem Weg in Richtung auf ein umfassendes Klimaabkommen“, sagte Minister Peter Altmaier. Im September 2014 will UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf die Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfel in New York Druck ausüben, damit sie ambitioniertere Klimaziele vorlegen. Weitere, wichtige Vorbereitungen für Paris sollen bei der nächsten Klimakonferenz im Dezember 2014 in Lima getroffen werden.
Entwicklungsländer wollen Finanzhilfen
Als Gegenleistung für Treibhausgasreduktionsziele verlangen die Entwicklungs- und Schwellenländer von den Industriestaaten finanzielle Hilfen. Sie argumentieren, die entwickelten Länder hätten seit Beginn der Industrialisierung die meisten Treibhausgase zu verantworten und sie selbst seien von den Auswirkungen des Klimawandels wie Fluten oder Stürmen am stärksten betroffen. Ihnen fehlten zudem finanzielle Mittel zur Treibhausgasvermeidung und zur Anpassung an den Klimawandel.
Deshalb hatten die Industrieländer auf der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen beschlossen, den Entwicklungs- und Schwellenländern Finanzhilfen zur Verfügung zu stellen. Bis 2020 soll der jährliche Betrag auf 100 Milliarden Dollar anwachsen, die Hälfte davon soll aus privaten Mitteln kommen. Bisher flossen allerdings über verschiedene Fonds lediglich etwa zehn Milliarden Dollar pro Jahr. Um auch Entwicklungs- und Schwellenländer auf Reduktionsziele zu verpflichten, sollte Warschau darum vor allem konkrete Fortschritte in Finanzierungsfragen bringen.
Die Entwicklungs- und Schwellenländer konnten sich aber nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, dass die Industriestaaten schon ab 2017 jährlich 70 Milliarden Dollar pro Jahr zahlen sollen. Die Industriestaaten einigten sich allerdings darauf, den Betrag bis 2020 kontinuierlich ansteigen zu lassen. Der Finanzausschuss der UN-Klimarahmenkonvention soll klären, woher die Gelder kommen und wie der private Sektor beteiligt werden kann. Mehrere Staaten – vor allem europäische wie Deutschland – sagten zudem Millionenbeträge für mehrere Fonds zu, um sie überhaupt arbeitsfähig zu machen.
Waldschutzprogramm geht an den Start
Der Grüne Klimafonds soll Maßnahmen zur Treibhausgasvermeidung finanzieren. Er erhält eine Anschubfinanzierung von 100 Millionen Euro, Deutschland sagte davon in Warschau 40 Millionen Euro zu. Die Antragstellung wird allerdings kompliziert, der Fonds soll möglichst schnell genaue Regeln dafür erarbeiten, sodass ab Sommer 2014 erste Gelder bewilligt werden können. Als Soforthilfe wurde der Fonds für die 48 am wenigsten entwickelten Länder beschlossen, der 600 Millionen Dollar ohne kompliziertes Antragsverfahren vergeben kann. Diese Zusagen machten die Zustimmung der Entwicklungsländer zum Beschluss in Warschau erst möglich.
Außerdem wurde in Warschau ein schon bestehender Fonds zur Anpassung an klimawandelbedingte Schäden mit 74 Millionen Euro neuer Mittel ausgestattet, damit er seine Arbeit fortsetzen kann. Deutschland sagte 30 Millionen Euro zu.
Rund 400 Millionen Euro zahlt Deutschland für ein weiteres Finanzinstrument, das Waldschutzprogramm REDD+. Die Wiederaufforstungsmaßnahmen in Entwicklungsländern sollen Industriestaaten als Klimaschutzmaßnahmen angerechnet werden. Das Programm war weitgehend ausverhandelt, in Warschau wurden letzte offene Frage geklärt, zum Beispiel wie die Emissionsminderung aus Wiederaufforstungen berechnet werden soll. Die USA, Norwegen und Großbritannien sagten in Warschau noch fehlende Gelder für den Start des Programms zu.
Die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder wollte in Warschau neben Finanzmitteln zur Treibhausgasvermeidung und Anpassung an den Klimawandel zusätzlich Hilfen für „klimawandelbedingte Verluste und Schäden (loss and damage)“ durchsetzen. Kleine Inselstaaten beispielsweise trieb die Sorge um, dass sie von der Staatengemeinschaft im Stich gelassen werden, wenn Vermeidung und Anpassung nicht ausreichen, um Katastrophen in ihren Ländern zu verhindern. Die am wenigsten entwickelten Länder wollten deshalb ein verbindliches und kontinuierliches Finanzinstrument, das von einer eigenständigen, durchsetzungsstarken Organisation verwaltet wird. Die Industriestaaten wehrten sich vehement dagegen, weil sie damit den Weg zu rechtsverbindlichen Schadenersatzforderungen beschritten sehen.
Die Konferenz beschloss schließlich den noch wenig konkreten „Warschau-Mechanismus für Verluste und Schäden“. Ein Exekutivausschuss soll den Mechanismus bis zur Klimakonferenz 2016 konkretisieren. Bis zur Konferenz in Lima 2014 sollen der Aufbau und die Verfahrensregeln des Exekutivausschusses beschlossen werden.
Klimaschützer verlangen von Deutschland mehr Engagement
Nichtregierungsorganisationen reagierten enttäuscht auf die Verhandlungsergebnisse. „Warschau war höchstens ein Trippelschritt auf dem Weg nach Paris. Ob dort 2015 tatsächlich ein wirksames globales Klimaschutzabkommen beschlossen werden kann, bleibt weiter ungewiss“, sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)  und Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Die Verantwortung sieht Weiger vor allem bei den Industriestaaten: „Die Industrieländer verzögerten in Warschau jeden Fortschritt. Die EU und Deutschland verzichteten nahezu vollständig auf ihre frühere Vorbildfunktion. Länder wie Japan, Australien und Kanada reduzierten oder beerdigten ihre Klimaschutzziele gleich ganz.“
Christoph Bals von Germanwatch sieht besonders die Bundesregierung in der Pflicht: „Sie muss dafür sorgen, dass die EU wieder zur Klimavorreiterrolle vergangener Jahre zurückfindet.“ Entscheidend seien eine Reform des Emissionshandels und ambitionierte Klimaschutzziele Europas für 2020 und 2030. „Ein 2030-Reduktionsziel von mindestens 40 Prozent in der EU, wie derzeit im Koalitionsvertrag vorgesehen, wäre schlichtweg peinlich. Selbst China und die USA handeln auf nationaler Ebene derzeit entschlossener als die EU“, sagte Bals.
Weil die Verhandlungen in Warschau lange Zeit stockend verliefen, hatten rund 800 Vertreter von Nichtregierungsorganisationen die Klimakonferenz zwei Tage vor ihrem Abschluss gemeinsam verlassen, darunter auch der BUND und der Naturschutzbund Nabu. „Wir protestieren damit gegen die Haltung vieler Regierungen, sich einem Fahrplan für ein neues Weltklimaabkommen 2015 zu verweigern“, sagte Nabu-Präsident und RNE-Ratsmitglied Olaf Tschimpke am 21. November. Der BUND beklagte einen zu großen Einfluss von Industrievertretern auf die Verhandlungen. Nötig sei ein Sponsoringverbot für weitere Konferenzen, sagte Weiger. Der BUND forderte außerdem ein Rederecht für Vertreter von Nichtregierungsorganisationen in den Arbeitsgruppen und den Zugang zu wichtigen Dokumenten während der Entwurfsphase.

Weiterführende Informationen

Entscheidungen der 19. Klimawandelkonferenz in Warschau

Hintergrundinformationen zum Kyoto-Protokoll

Mitteilung des Bundesumweltministeriums zu den Ergebnissen von Warschau

Bewertung des BUND

Stellungnahme des Nabu zum Boykott der Nichtregierungsorganisationen vom 21.11.2013

Statement von Germanwatch