IEA-Treffen: Energieminister machen kaum Tempo bei Erneuerbaren

Vor allem die fossile Energieerzeugung ist einer der größten Klimatreiber weltweit. Künftig will auch die Internationale Energieagentur verstärkt auf Strom aus Sonne, Wind oder Wasserkraft setzen. Doch Klima- und Energieexperten sind skeptisch, ob die Vorschläge der Organisation ausreichen, um schnell Veränderungen voranzutreiben.

Wenige Tage vor Beginn des Weltklimagipfels in Paris drängt die Internationale Energieagentur (IEA) auf tiefgreifende Umstellungen in der weltweiten Energieversorgung. Diese Transformation müsse zur gemeinsamen Vision werden, um die gesetzten Ziele im Kampf gegen den Klimawandel zu erreichen und wirtschaftlichen Erfolg zu sichern, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Energieminister der IEA-Mitgliedsstaaten. Die Umstellung auf eine sichere, nachhaltige und CO2-arme Versorgung sei in vollem Gange.
Die Erklärung wurde Mitte November bei einer Konferenz der Energieagentur mit Vertretern aus den 29 Mitgliedsstaaten, der Wirtschaft und weiterer Partnerländer in Paris verabschiedet. Die Energieminister schreiben sich beim Umbau der Energiesysteme eine zentrale Rolle zu. Sie wollen die Staaten ermuntern, schneller neue Technologien für möglichst viele „saubere“ Energielösungen bereitzustellen, finanzielle Mittel besser einzusetzen und den Privatsektor zu stärken.

Mehr Geld für erneuerbare Energien

Um Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren, setzen die Minister im Wesentlichen auf fünf Maßnahmen. Zum einen soll die Energieeffizienz nicht nur in der Industrie, sondern auch im Transportsektor und in Gebäuden erhöht werden. Weiterer Punkt ist der langfristige Ausstieg aus der Nutzung von wenig effizienten Kohlekraftwerken. Zudem sprechen sich die Minister für mehr Investitionen in erneuerbare Energien und die Technologien aus, die dahinter stecken. Mindestens 400 Milliarden US-Dollar sollen bis zum Jahr 2030 jährlich fließen.
An vierter Stelle steht die schrittweise Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe. Als fünften und letzten Punkt sehen die Minister die Reduktion von Methanemissionen bei der Produktion von Öl und Gas. Die IEA soll dafür sorgen, Experten aus den Staaten und der Industrie zusammenzubringen.
Die Empfehlungen der Minister sollen ein starkes Signal für den Weltklimagipfel sein. Allerdings hätten sich Energieexperten konkretere und detaillierte Vorschläge gewünscht. "Die Organisation bewegt sich, aber die Ziele könnten ambitionierter sein“, sagt Christoph Podewils von der Agora Energiewende. Die Bedeutung des weltweiten Ausbaus der erneuerbaren Energien werde dem Umweltexperten zufolge nach wie vor von der IEA unterschätzt. Dabei seien sie die einzige Möglichkeit, langfristig das Klima zu schützen und die Energieversorgung kostengünstig zu gewährleisten.
"Weil Windkraft und Photovoltaik bereits heute zu den günstigsten Stromerzeugungstechnologien gehören, werden diese in sehr vielen Ländern immer mehr Strom liefern, ergänzt um Wasserkraft, Strom aus Biomasse oder Geothermie“, sagt Podewils. Er glaubt, dass dieser Aspekt vermutlich eines der wichtigsten Signale von der Klimakonferenz in Paris sein wird. Podewils sieht demnach nicht nur einen höheren Finanzbedarf für die Entwicklung neuer Technologien, sondern vor allem eine höhere Akzeptanz für die wirtschaftlichen Erfolge erneuerbarer Energien.
Die Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation hat bereits verschiedene Studien über den Austausch fossiler und atomarer Energieträger in der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien veröffentlicht. Darin wurden auch der bisherige Rechtsrahmen sowie der derzeitige Mix an Energielieferanten beleuchtet.

IEA bleibt bei Fokus auf Atomkraft

Mit Blick auf die Aussagen, nach und nach aus der Subvention fossiler Energieträger auszusteigen, spricht sich Podewils für eine klare Haltung der Mitgliedsstaaten aus. "Man kann nicht die Dekarbonisierung wollen und gleichzeitig die Kohlekraft weiter fördern", sagt er. Auch hier brauche man eine gut überlegte "Exitstrategie". Der Fahrplan müsse auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten in den einzelnen Staaten abgestimmt werden.
Deutlich skeptischer sieht der Präsident der Energy Watch Group, Hans-Josef Fell, die Empfehlungen der IEA. „Es besteht die dringende Notwendigkeit, mit hoher Geschwindigkeit eine Null-Emissionswirtschaft zu fördern. Nur dann haben wir eine Chance, einen wirksamen Klimaschutz zu schaffen“, sagt Fell. Dem Grünen-Politiker zufolge steht die Atomenergie weiterhin viel zu stark im Fokus der IEA. Auf positive Resonanz fällt bei ihm die Tatsache, dass neue Partnerschaften etwa mit Mexiko oder auch Indonesien und Marokko initiiert werden.
Für die IEA-Vertreter steht die sichere Stromversorgung an erster Stelle. Den Aussagen nach kann die allein über erneuerbare Energien noch nicht gewährleistet werden. „Der heutige Wachstumskurs der Wind- und Solarenergie wird nicht beachtet. Hier werden Fehlprognosen verwendet“, kritisiert Fell. „Würde die IEA das Signal geben, dass erneuerbare Energien die Versorgungssicherheit gewährleisten können, dann würde es schnell ein Umdenken in den Ländern geben.“

Druck auf Politik wächst

Für Fell sind die Alternativen zur Energieversorgung und die Umstellung auf Sonne-, Wind- oder Wasserkraft längst nicht nur eine Frage des Klimaschutzes. „Wir sehen derzeit eine zunehmende Destabilisierung der Welt“, sagt Fell. Die Folgen der Erderwärmung und die hohe Zahl der Flüchtlinge stünden in unmittelbarem Zusammenhang. Der Klimaexperte hofft, dass sich die Politik bewegt und ein Umdenken angestoßen wird. „Der Druck erhöht sich“, sagt Fell.
Wie dringend die Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel sind, lässt auch das Papier der IEA-Energieminister erkennen. Sie versprechen sich von ihren Empfehlungen einen Anschub für die Transformation der derzeitigen globalen Energiesysteme hin zu einer sicheren und nachhaltigeren Energieversorgung, die trotzdem kostengünstig bleibt. Die Staaten werden sich aber künftig nicht nur für erneuerbare Energien entscheiden. Atomkraft und Kohlekraft sind nach wie vor in vielen Ländern und auf Jahre hin als Stromquellen gesetzt.