Europäischer Emissionshandel findet Nachahmer

Der europäische Emissionshandel als weltweit größter Markt für Treibhausgaszertifikate steckt in einer tiefen Krise, trotzdem wollen immer mehr Länder eigene Handelssysteme einführen. Würden alle bisher angekündigten Pläne umgesetzt, würden diese rund die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen abdecken, schreibt die Weltbank in einer aktuellen Studie.
Der Emissionshandel in der EU hat seine zentrale Funktion verloren, Investitionen in klimafreundliche Technologien anzureizen. Der Preis für Verschmutzungsrechte im europäischen Emissionshandel notiert derzeit bei unter vier Euro pro Tonne COââ??â??. Mitte 2008 lag er noch bei 30 Euro pro Tonne. Die schwache Nachfrage infolge der Wirtschaftskrise, aber auch die zu großzügige Vergabe von Zertifikaten für Industrie und Energieversorger durch die EU-Kommission hatten die Preise in den Keller stürzen lassen. In Deutschland führte der niedrige Zertifikatspreis zu einem Boom der umweltschädlichen Stromgewinnung aus Braunkohle. Ein erster Versuch der EU-Kommission, den Preis zu stützen – mithilfe des sogenannten Backloadings -, wurde unter anderem vom Wirtschaftsministerium blockiert. Bei der 13. Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates versicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich gegenüber der Wirtschaft für eine Veränderung der Zertifikatemengen einzusetzen, um so eine Korrektur des CO2-Preises zu erzielen.
Umso überraschender mutet an, dass immer mehr Staaten und Regionen eigene Emissionshandelssysteme einführen. Im Juli 2012 startete Australien seinen Carbon Pricing Mechanism (CPM), Anfang 2013 folgten Kasachstan, der US-Bundesstaat Kalifornien und die kanadische Provinz Qu©bec. Im Lauf des Jahres werden sieben Städte und Provinzen in China einen Zertifikatehandel einführen, darunter die Hauptstadt Peking und das südliche Industriezentrum Guangdong. Die Regierung von Südkorea hat im vergangenen Jahr beschlossen, ab 2015 mit Emissionsberechtigungen zu handeln. Ähnliche Überlegungen gebe es auch in Brasilien, Chile, Costa Rica, Mexiko, der Türkei, der Ukraine und der kanadischen Provinz British Columbia, heißt es in dem Bericht Mapping Carbon Pricing Initiatives, den die Weltbank Ende Mai auf der Messe Carbon Expo in Barcelona vorstellte. Die Schweiz, Neuseeland, Teile Japans sowie einige kleinere Bundesstaaten im Nordosten der USA werden ihre bereits eingeführten Systeme in den nächsten Jahren schrittweise ausweiten.
Kalifornien schreibt Mindestpreis vor
Einige Staaten haben sich vom europäischen System inspirieren lassen, aber auch aus den hiesigen Fehlern gelernt, insbesondere was den Verfall der Zertifikatspreise angeht. „Es überrascht nicht, dass mehrere dieser neuen Initiativen auch Gestaltungselemente enthalten, die ähnliche Entwicklungen in der Zukunft verhindern sollen“, heißt es in dem Weltbank-Bericht.
Kalifornien – mit einem jährlichen Bruttosozialprodukt von 1,9 Billionen US-Dollar ähnlich wirtschaftsstark wie Indien oder Kanada – hat einen Mindestpreis von 10 US-Dollar pro Tonne COââ??â?? vorgeschrieben. Australien will über einen flexibleren Mechanismus als die EU besser auf Wirtschaftsflauten reagieren können. Die Menge der Zertifikate wird nicht wie in der EU für acht Jahre im Voraus festgelegt, sondern mit einem gewissen Vorlauf für jedes Jahr neu.
Die regionalen und nationalen Initiativen laufen parallel zu der Verhandlung eines weltweiten Kohlenstoffmarktes unter dem Dach der Vereinten Nationen. Die Weltbank sieht die regionalen Initiativen allerdings nicht als Gefahr für die weltweiten Bemühungen zur Begrenzung von Treibhausgasen. Ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll werde nicht vor 2015 erwartet, in Kraft treten werde es frühestens 2020, schreibt die Weltbank. Ohne die neuen Märkte werde deshalb auf absehbare Zeit kein wirksamer Preis auf Treibhausgasemissionen erhoben werden.
Hoffnungen von Klimaschützern ruhen vielmehr darauf, dass die bisher auf einzelne Regionen oder Staaten begrenzten Handelssysteme langfristig miteinander verbunden und von unten nach oben zu einem globalen Markt führen werden. Australien hat bereits beschlossen, Zertifikate aus der EU ab 2015 einseitig anzuerkennen, derzeit verhandelt die EU-Kommission mit dem Europäischen Rat über eine vollständige Verknüpfung der beiden Märkte ab 2018. Australien erwäge außerdem, seinen Emissionshandel mit dem von Neuseeland, Südkorea und China zu verknüpfen, heißt es in der Publikation „Linking Different Emission Trading Systems“ des Umweltbundesamtes.

Weiterführende Informationen

Mapping Carbon Pricing Initiatives – Studie der Weltbank [PDF, 6,9 MB]

Fact Sheet zum Thema Linking der Deutschen Emissionshandelsstelle [PDF, 376 kB]