„Die Lösung für die Klimakrise: Bewege die Märkte“ – Interview mit Terry Tamminen, strategischer Berater von Arnold Schwarzenegger

Nach dem Klimagipfel von Paris geht es an die Umsetzung. Terry Tamminen war Chef der kalifornischen Umweltschutzbehörde unter Gouverneur Arnold Schwarzenegger und berät den Hollywoodstar noch heute. Der gründete 2010 die Organisation „Regions of Climate Action“, die weltweit mehr als 560 Kommunen, Länder und Regionen vernetzt, um Klimaschutz voran zu bringen. Tamminen glaubt, dass Paris den Durchbruch für eine grüne Weltwirtschaft bringt.

Herr Tamminen, manche bezeichnen den Klimavertrag von Paris als Meilenstein im Klimaschutz, andere sagen: Die konkreten Maßnahmen sind nicht ambitioniert genug. Wie sehen Sie das?
Ich sehe das Glas immer halb voll statt halb leer. Wir haben jetzt etwas, worauf wir aufbauen können. Es ist immer einfach, sich darüber zu beschweren, was fehlt.
Aber die Emissionen führen die Welt immer noch in Richtung einer kritischen Erwärmung. Warum so optimistisch?
Ohne diesen Optimismus hätte ich 2005 für Gouverneur Schwarzenegger nicht die Rechtsverordnung zur Reduzierung von Treibhausgasen erarbeitet. Wir hätten 2006 keinen Global Warming Solutions Act erlassen, Kalifornien wäre nicht dem Kyoto-Protokoll beigetreten, hätte keine Standards für CO2-ärmere Treibstoffe erlassen, wir hätten kein Wasserstoff-Highway-Programm, kein Eine-Million-Solardächer Programm. Und wir wären nicht 40 Prozent energieeffizienter als der Rest der USA. Das Ergebnis: Die kalifornische Wirtschaft ist selbst in der Rezession gewachsen. Sicher, es ist für viele Menschen schon zu spät, die unter Fluten, Dürren und anderen Wetterextremen leiden. Aber bevor die Situation noch schlimmer wird: 195 Länder haben zugestimmt, Emissionen zu senken. Nicht, weil es die UN ihnen aufgedrängt hätte, sondern freiwillig. Die Maßnahmen halbieren die Erderwärmung fast. Mit einem business as usual wären wir bei 6 Grad gewesen, jetzt sind wir bei maximal 3,5. Wir wissen, wo wir stehen und wir können darauf aufbauen.
Besondere Kritik hat hervorgerufen, dass die Industrieländer den Entwicklungsländern nur 100 Milliarden für die Anpassung an den Klimawandel versprechen – und bis 2025 über eine Erhöhung reden wollen. Brauchen wir da nicht mehr Ambitionen?
In einer perfekten Welt: Ja. Aber in der echten Welt sind solche Zahlen pure Fiktion.
Wie meinen Sie das?
2009 haben die UN-Staaten den Green Climate Fund eingerichtet. Es dauerte sechs Jahre, um die Staaten dazu zu bekommen, dem auch zuzustimmen, ein Büro in Südkorea aufzubauen, bestückt mit ein paar Europäern. Jetzt haben die Staaten zehn Milliarden Dollar zugesagt. Drei Milliarden davon die Vereinigten Staaten, die werden ohnehin nie kommen, weil der Kongress nicht zustimmen wird. Es ist ein nettes kleines Demoprojekt.
Wir reden hier aber von 100 Milliarden.
Wir müssen 40 bis 50 Billionen mobilisieren, sagt die UNFCCC. 100 Milliarden sind Charity. Das reicht ohnehin niemals, um den Ländern zu helfen. Sie könnten die Staaten nach mehr Geld fragen, es wäre immer noch zu wenig. Vieles würde auch nie fließen. Sie müssen stattdessen Billionen Dollar umschichten, nicht ein paar Milliarden. Das Geld muss weg von der alten, braunen Ökonomie und in die neue, grüne Wirtschaft umgelenkt werden. Dazu brauchen Sie den Mainstream der Investoren.
Green Captialism mit seiner Wachstumslogik soll die Lösung sein?
Wir haben in Kalifornien doch bewiesen, dass es geht. Wir reden hier von beinhartem Kapitalismus. Nur wenn sie den ernten, können sie Billionen mobilisieren. Dann ist es auch nachhaltig, weil sie nicht ständig die Steuerzahler nach Geld fragen müssen. Die Lösung für die Klimakrise: Bewege die Märkte. Und es passiert einiges. Grüne Technologie ist billiger. Investoren steigen aus der Kohle aus. Aber vieles muss noch einfacher werden und die Risiken müssen sinken.
Liefert Paris das richtige Signal für Investoren?
Absolut. Investoren versuchen immer, die Schlüsselindikatoren zu lesen. Schauen Sie den Dow Jones oder andere Börsenindizes an. Analysten reden davon, dass sie Angst vor Zinserhöhungen haben oder davor, dass Griechenland seine Schulden nicht zahlt. Jetzt schauen Investoren auf 195 Länder, die gemeinsam ihre Emissionen senken wollen. Das bedeutet neue staatliche Regularien oder Investmentanreize. Das ändert die Entscheidungen der öffentlichen Hand, die ein riesiger Konsument ist. Wir haben beispielsweise in Kalifornien gesagt, wir mieten oder kaufen nur noch Gebäude, die mindestens den energieeffizienten Leed-Silberstandard erfüllen. Jetzt werden Gebäude überall entsprechend gebaut, weil sonst der Staat Kalifornien als Kunde ausfällt. So etwas wird nun überall geschehen. Der Klimavertrag von Paris wird also starken Einfluss haben. Am Montag danach hat sich jeder Investor gefragt: Was bedeutet das für mich?
Was für eine Rolle spielen regionale Regierungen und Städte, die auf dem Klimagipfel sogar einen eigenen Pavillon hatten?
Das war sehr wichtig. In den letzten 10 Jahren war es für subnationale Regierungen und ihre Organisationen wie die Climate Group, Schwarzeneggers R20 oder ICLEI nicht einfach. Wir haben alle an den Türen der UN geklopft und gesagt: Schaut, selbst wenn unsere Regierungen langsam sind, sehen sie unsere Maßnahmen vor Ort. Wenn sie auf die Staaten warten, dann können sie lang warten. Wir haben viel Zeit mit UNFCCC-Generalsekretärin Christiana Figueres und dem französischen Außenminister und Chefverhandler in Paris, Laurent Fabius, verbracht. Sie haben vieles verstanden. Im Klimavertrag sind subnationale Regierungen und Regionen mehr als dreißigmal erwähnt. Das ist ein Durchbruch. Wir sind nicht mehr von widerspenstigen Regierungen abhängig.
Warum sind Städte, Regionen und Länder ambitionierter im Klimaschutz? Sind sie näher an den Menschen?
Das sicherlich. Wir in Kalifornien waren schon immer sehr progressiv. Wir haben das Silicon Valley und große Innovationen.
Was passiert denn, wenn Donald Trump oder ein anderer Republikaner Präsident wird? Wird das Pariser Abkommen dann wertlos?
Ein republikanischer Präsident wäre ein Rückschlag, würde das Pariser Abkommen aber nicht wertlos machen. Zeiten ändern sich. Vier Jahre später wird es wieder ein Demokrat. Vielleicht bremst ein Republikaner. Oder sie bekommen einen demokratisch kontrollierten Kongress, der den Klimaschutz sogar beschleunigt. Das Pariser Abkommen wird von nun an immer der Maßstab sein.
Aber das politische Signal wäre verheerend für andere Staaten, wenn die USA aussteigen würden?
Natürlich könnten Indien und China dann eine Entschuldigung für weniger Klimaschutz vorbringen. Aber der Fortschritt nach dem Pariser Abkommen wird ohnehin nicht linear sein. Es wird Sprünge vor und zurück geben. Viele werden ökonomischer Natur sein. Es gibt Faktoren, die wir nicht antizipieren können, und die werden nicht nur politisch sein – allein der Ölpreis ist unkalkulierbar. Es gilt: Der Zug für weltweiten Klimaschutz hat den Bahnhof verlassen, den kann auch ein Republikaner nicht mehr aufhalten. Selbst in Texas, dem größten Anti-Klimawandel-Land, verdienen die Farmer einen Haufen Geld, weil sie Windenergie produzieren.
Also ein Geschäft daraus machen, dann folgen die Zweifler?
Schwarzenegger sagt ja immer: Es geht nicht nur um den Klimawandel. Es geht um Gesundheit, es geht um nationale Sicherheit. Und um Geschäftsmöglichkeiten. Kalifornien zeigt es, wir sind mit unserer grünen Ökonomie besser als der Rest des Landes.
Das Gespräch führte Ingo Arzt.